Tanja Spill siegt in Erfurt Ein Lebenszeichen der Dormagener Leichtathletik

Dormagen · Um die Top-Athleten des TSV Bayer Dormagen war es in den vergangenen Monaten still geworden. Tanja Spill meldete sich am Dienstag in Erfurt mit einem Sieg über 800 Meter zurück. Die Zehnkämpfer können endlich wieder trainieren.

 Wie hier bei der Freiluft-DM im vergangenen Jahr bekam es Tanja Spill (l.) vom TSV Bayer Dormagen in Erfurt mit den besten deutschen 800-Meter-Läuferinnen zu tun. Dieses Mal trug sie aber den Sieg davon.

Wie hier bei der Freiluft-DM im vergangenen Jahr bekam es Tanja Spill (l.) vom TSV Bayer Dormagen in Erfurt mit den besten deutschen 800-Meter-Läuferinnen zu tun. Dieses Mal trug sie aber den Sieg davon.

Foto: Wolfgang Birkenstock

Es ist schon eine ganze Weile her, seit die Top-Athleten des TSV Bayer Dormagen mit positiven Ergebnissen auf sich aufmerksam machen konnten. Zehnkämpfer Jan Ruhrmann feierte Ende August 2020 die Silbermedaille bei den Deutschen Meisterschaften in Vatterstetten. 800-Meter-Spezialistin Tanja Spill, einige Wochen zuvor ebenfalls Deutsche Vizemeisterin geworden, verabschiedete sich kurz darauf mit einem zweiten Platz bei einem internationalen Meeting in Dessau aus der Sommersaison. Danach wurde es auffällig still um die Leichtathletik, auch weil die Corona-Pandemie die Hallensaison mächtig ausbremste. Tanja Spill sorgte am Dienstagabend mit einem Paukenschlag für ein abruptes Ende dieser Stille. Bei ihrem ersten Hallenwettkampf seit drei Jahren wies sie die gesamte deutsche Spitze in die Schranken und verpasste mit ihrer Siegerzeit von 2:03,25 Minuten die Norm für die Hallen-EM Anfang März nur um 25 Hundertstel.

Dabei hatte es zunächst so ausgesehen, als könne Spill gar nicht in Erfurt an den Start gehen. Denn wie in anderen Sportarten auch, dürfen gemäß der aktuellen Corona-Schutzverordnung nur auf Bundesebene konkurrenzfähige Leistungssportler trainieren und Wettkämpfe bestreiten. Da gehört Spill zwar ohne Zweifel zu, doch offiziell genießen dieses Privileg in der Leichtathletik nur Bundeskader-Athleten – und diesen Status hat die Dormagenerin wegen ihrer langwierigen Fußverletzung nicht mehr inne. Daran konnte auch nichts ändern, dass sie sich im vorigen Jahr mit großer Disziplin zurückgekämpft und in der Folge den zweiten Platz bei den nationalen Freiluft-Titelkämpfen geholt hatte. So musste Tanja Spill jede Menge Überzeugungsarbeit bei den Verantwortlichen leisten, um letztlich in Erfurt starten zu dürfen. „Da wollte ich natürlich zeigen, dass das die richtige Entscheidung war“, sagt die 25-Jährige. Das ist ihr Eindrucksvoll gelungen.

Dieser Leistungsnachweis macht es für TSV-Mittelstreckentrainer Willy Jungbluth noch unverständlicher, dass sein Schützling nicht im Bundeskader ist. „Ein großer Fehler“, findet er. Zwar befindet sich Spills Name auf einer Liste des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) mit Aktiven, die das Potenzial für einen Start bei den Olympischen Spielen von Tokio haben, doch damit ist weder eine finanzielle Förderung noch das Privileg verbunden, in Corona-Zeiten ohne Einschränkungen trainieren zu dürfen. „Wir mussten uns unseren eigenen Weg suchen und haben alles mit den Behörden abgeklärt“, erklärt Jungbluth. So kann Tanja Spill die Möglichkeiten am Höhenberg nutzen, um mit TSV-Cheftrainer Peter Kurowski die allgemeinen Trainingsinhalte zu erarbeiten. Wenn es laufspezifisch wird, ist sie in einer von Jungbluth betreuten Trainingsgruppe mit drei Jugendlichen aus dem Landeskader (die dürfen auch trotz Corona trainieren). „Das klappt gut. Die sind so stark, dass sie mich schon richtig fordern können“, sagt Tanja Spill.

Ihr aktuelles Leistungsvermögen bestätigt das. Jetzt steht die 25-Jährige allerdings vor der kniffligen Entscheidung, wie sie am besten vorgeht, um die Qualifikation für den Höhepunkt der Hallen-Saison zu schaffen. Während sie selbst am liebsten bei einem Wettkampf im belgischen Gent die EM-Norm möglichst bald knacken möchte, würde Willy Jungbluth für den Aufbau des Leistungsvermögens gerne noch einen Wettkampf über 1500 Meter einschieben, um dann bei der Hallen-DM in Dortmund die Norm anzugehen. Beides wäre aber zu viel. „Da müssen wir noch mal in Ruhe drüber sprechen“, sagt Jungbluth.

Schließlich gilt es, in Gestalt der Olympischen Spiele auch noch das ganz große Ziel für dieses Jahr im Auge zu behalten. Erst die Absage von Tokio im Vorjahr hat Spill die Olympia-Tür wieder ein großes Stück weit geöffnet, denn im vorigen Jahr wäre sie nach ihrer Fußverletzung noch nicht wieder so weit gewesen. Inzwischen hat sie die Blessur gut im Griff und weiß genau, welche Belastungen sie ihrem Körper zumuten darf. „So lange Olympia nicht abgesagt ist, steht mein Plan. Das motiviert mich jeden Tag, mein Bestes zu geben“, sagt Spill. Rio 2016 hatte sie noch hauchdünn verpasst, jetzt gibt es neben der Norm (1:59,5) auch erstmals die Chance, sich über eine Weltrangliste zu qualifizieren. Dafür hat der Sieg von Erfurt auch wichtige Punkte gebracht.

Mit den gleichen Problemen wie ihre Vereinskameradin hatten auch die Top-Zehnkämpfer des TSV zu kämpfen. Weil Jan Ruhrmann (23) und Winter-Neuzugang Nico Beckers (26) zwar auf internationalem Niveau mithalten können, aber wegen der starken Zehnkampf-Szene im DLV keinem Kader angehören, durften sie bislang nicht am Höhenberg trainieren, sondern nur für sich alleine im Grundlagenbereich arbeiten. Doch Trainer und Stützpunktleiter Dirk Zorn hat alle Hebel in Bewegung gesetzt und letztlich beim Landesverband eine Sondergenehmigung für die beiden erwirkt. Am Mittwoch sind wieder ins Training eingestiegen. „Beide sind Kandidaten für 8000 Punkte. Doch angesichts der starken Konkurrenz in Deutschland ist eine Olympia-Qualifikation eher unwahrscheinlich. Aber es gibt noch weitere Wettkämpfe im Sommer, auf die sich die Athleten freuen können“, sagt Dirk Zorn. Besser hatten es die U20-Athleten Samuel Claudy (Weitsprung), Tim Henseler (110-Meter-Hürden) und Xaver Hastenrath (Kugelstoßen). Alle drei konnten wegen ihrer Kaderzugehörigkeit durchtrainieren und haben mit U20-EM und U20-WM im Sommer überaus lohnenswerte Ziele vor Augen.

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