Lokalsport Ratlos, kopflos, sieglos
Raphael Wilder konnte nicht anders. Noch am Abend, nur wenige Stunden nach der 71:78-Heimschlappe (37:40) der Elephants Grevenbroich gegen die Wolfenbüttel Dukes, legte der Trainer im heimischen Düsseldorf das Spielvideo ein, durchlitt noch einmal die wohl schwächste Leistung seiner Schützlinge vor heimischem Publikum in mehr als drei Jahren 2. Basketball-Bundesliga.
Was er sah, bestätigten ihn nur in seinem Urteil: "Wir haben unglaublich schlecht gespielt. Nur Whitney Harris erreichte Normalform, der Rest war katastrophal." Was die Niederlage gegen einen der vielleicht direkten Konkurrenten im Abstiegskampf besonders bitter macht, ist die Tatsache, dass die ohne ihren am Auge verletzten Top-Center Peter van Rij angetretenen Dukes abgesehen von ihrer aggressiven Verteidigung und Spielmacher William "BJ" Jameson (29 Punkte) ebenfalls fast nichts zu bieten hatten.
Und nur darum war für die Hausherren nach einem zwischenzeitlichen 50:61-Rückstand (31.) bis zum Schluss noch alles drin. 1:18 Minuten vor dem Ende hatte Whitney Harris die Elephants wieder in Führung gebracht (71:70) - doch damit stellten die Gastgeber ihre Produktion endgültig ein. Der schwache Terryl Woolery sorgte von der Freiwurflinie (2/2) für das 72:71.
Auf der anderen Seite setzte Timo Verwimp einen offenen Wurf an den Ring, Anthony Williams angelte sich zwar den Rebound, sein Versuch von jenseits der Drei-Punkte-Linie aber endete mit noch 49,2 Sekunden auf der Spieluhr ebenfalls am Ring. Als noch 33 Sekunden zu spielen sind, darf Jameson fast ohne Gegenwehr das 74:71 nachlegen.
Matthias Wojdyla bringt Wolfenbüttel kurz darauf mit einem schlimmen Fehlpass wieder in Ballbesitz, und da den Elephants nun die Zeit davonläuft, schickt Williams seinen Landsmann Jameson 21,5 Sekunden vor der Schluss-Sirene erneut an die Freiwurflinie. Von dort markiert der Amerikaner das 76:71. Ein letzter verzweifelter Dreier von Andreas Birkholz klatscht wiederum nur an den Ring - die Pleite ist perfekt.
In den Focus der Kritik rückten bei den Schloss-Städtern hinterher naturgemäß die Jungs aus Übersee. Williams: 17 Punkte, sechs Ballgewinne und 13 Rebounds hören sich eigentlich nicht schlecht an, doch zufrieden konnte Wilder mit dem 26-Jährige nicht sein. Mit acht Ballverlusten und eine Trefferquote von 30 Prozent (3/8 aus der Nah- und Mitteldistanz, 3/12 Dreier) gewinnt man in dieser Liga keinen Blumentopf.
Zum Korb zog der Amerikaner kaum, und wenn doch, traf er nicht (1/5). Ob er nicht will oder einfach nicht kann, diese Frage weiß auch sein Trainer nicht zu beantworten. "Aber die Voraussetzungen sind da: Er ist schnell und dynamisch, eigentlich könnte ihn keiner stoppen." Harris: Am Vortrag des Kanadiers gab's grundsätzlich nichts auszusetzen. 20 Punkte, eine Wurfquote von 53 Prozent (9/17) und sechs Rebounds - damit lässt sich ganz gut leben.
Wilder will den Center jedoch nicht aus der Verantwortung entlassen, fragt: "Können die beiden Amerikaner in so einem Spiel nicht auch mal jeweils 25 Punkte machen?" Er blickt auf die Iserlohn Kangaroos, deren US-Profis Erik Hood (29 Punkte) und Brandon Gary (24 Punkte/16 Rebounds) es beim knappen 90:86-Sieg über Schalke 04 richtig krachen ließen.
Dass die "Amis" keine Maschinen sind, ist aber auch ihm bewusst. Selbst ein Klassemann wie Hertens Ed Williams musste sich am Dienstag gegen Bremen mit zwei kümmerlichen Pünktchen zufrieden geben. Doch - und darin sieht er den großen Unterschied zu seinem Team -, da springe dann eben ein Stefan Fürst in die Bresche, hole 17 Punkte und 13 Rebounds, "und Herten gewinnt das Spiel mit 84:83".
Einen deutschen Akteur von diesem Format haben die Elephants im Moment nicht in ihren Reihen. Wilder: "Wo ist der Spieler, der in 20 Minuten einfach mal zehn Punkte macht, der dahin geht, wo es wehtut, der Verantwortung übernimmt - neben den Amerikanern?" Weil er den weit und breit nicht sieht, prophezeit er: "Das wird eine verdammt schwere Saison."
Am Donnerstag in der NGZ: Kommentar "Zur Sache: Ohne Mumm"
