Orgelwoche: Ein Wiederhören mit Nicolas Kynaston Programm europäischer Moderne

Orgelwoche: Ein Wiederhören mit Nicolas Kynaston · Zum zweiten Mal war der Brite Nicolas Kynaston zu Gast bei der Internationalen Orgelwoche. Er versprach zu Konzertbeginn "Eine Stunde der Freude". So lautete der Titel des Konzertstückes von Marco Enrico Bossi (1861-1925) aus seiner Sammlung op. 132. Das war eine festliche Eröffnung in vollen Akkorden und viel Trompetengeschmetter des sehr der deutschen Romantik verbundenen Italieners, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein gefeierter Orgelvirtuose war und auf der Rückfahrt von einer USA-Konzertreise starb.

Kynaston hatte ein exzellentes Programm europäischer Orgelmusik des 20. Jahrhunderts zusammengestellt und spielte nach dem beschwingten Beginn zunächst das in lyrischer Registrierung Max Regers "Ave Maria" aus den "12 Stücken op. 80". Aus dieser Sammlung erklangen auch die kleine bewegte Kostbarkeit "Perpetuum mobile" und "Toccata und Fuge in a-moll". Obwohl auch sehr kurz, lassen sich bei aller Reminiszenz an den "Urvater" Johann Sebastian Bach ist Regers eigenwillige Musiksprache von intensiver Farbnuancierung deutlich vernehmbar.

Das Thema der schnellen Fuge stattete Kynaston mit einem reizvollen Echo aus und hielt beides, Echowirkung und Tempo, ganz unbeschwert bis zum Ende durch. Für diesen selten zu hörenden Programmpunkt war man ihm genau so dankbar wie für das folgende "Prélude, Andante et Toccata" von André Fleury (1903-1995), eine der markantesten Orgelpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, aber selten zu hören. Dabei steht sein Werk fest auf dem Fundament der französisch-symphonischen Orgelmusik.

Kynaston kam jedenfalls nach "Prélude" und den reizvollen Klangwirkungen des "Andante" mit den haarsträubenden Schwierigkeiten der "Toccata" souverän zurecht und bestätigte dem Publikum seinen Ruf, zu den besten Konzertorganisten dieser Zeit zu gehören. Der in Devon geborene Brite war 19 Jahre alt, als er 1960 Organist an der Westminster-Kathedrale in London wurde. Neben seiner vielen Konzert- und Jurorentätigkeit begleitet er die Philharmonie in Athen (Megaron) künstlerisch und leitet dort die erfolgreiche Internationale Orgelakademie.

In Korschenbroich stellte sich Kynaston in glänzender Manier vor mit individueller, gleichwohl überzeugender Rezeption der Werke des hochinteressanten Programms. Das galt auch für die "Fƒete" des Fleury-Studienfreundes Jean Langlais (1907-1991) und das "Intermezzo" von Jehan Alain (1911-1940). Dazwischen hatte er noch einen Besuch in seiner Heimat gemacht: Der besinnliche "Choral in D" von Percy Whitlock (1903-1946) ergab bei aller Zurückhaltung durch die originelle Harmonik ein effektvolles Klangbild.

"Phantastisch!", murmelte ein Neusser Kantor als Zuhörer. Auch wenn die Setzerelektronik bei diesem Konzert Probleme bereitete, wurden die 54 Register der St.-Andreas-Orgel den Werken und dem variationsreichen Spiel des Interpreten glänzend gerecht. Nima

(NGZ)
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