Europapokal: Leverkusen 23:23 gegen ESBF Besancon Pfosten und Nervosität verhinderten Halbfinale

Von Volker Koch

Von Volker Koch

Am Ende triumphierte die Trikolore im TSV Bayer-Sportcenter: Die Handballerinnen von ESBF Besancon feierten Sonntag Nachmittag das 23:23-Unentschieden (Halbzeit 12:12) gegen den TSV Bayer Leverkusen wie einen Sieg. Kein Wunder, beschert es dem Spitzenreiter der französischen Ersten Liga doch nach dem 28:27-Hinspielerfolg den Einzug ins Halbfinale des Europapokals der Pokalsiegerinnen. Kaum ein Durchkommen, selbst für Nadine Krause: Die beste Leverkusenerin erzielt hier einen ihrer sechs Treffer am Sonntag Nachmittag zwischen Veronique Pecqueux und Andreea Lungi Camen (von links) hindurch. NGZ-Foto: H. Jazyk

Die untröstlichen Gastgeberinnen hingegen, momentan mit zwei Punkten Rückstand auf das Spitzenduo Tabellendritter der Bundesliga, "müssen aufpassen, dass dieses unglückliche Ende nicht einen Knacks im Kampf um die Meisterschaft gibt", hatte Trainerin Renate Wolf den Ernst der Lage erkannt. Unglücklich war es in der Tat, wie sich die Bayer-Handballerinnen aus dem Europacup verabschiedeten. 70 Sekunden hatten sie Zeit, um aus dem 23:23-Gleichstand, den Alexandra Castioni 2:15 Minuten vor dem Schlusspfiff erzielte hatte, einen Sieg mit einem Tor Unterschied zu machen.

Der hätte aufgrund der auswärts mehr erzielten Leverkusener Tore fürs Weiterkommen gereicht. 600 Zuschauer im "Ausweichquartier" TSV-Bayer-Sportcenter hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen, spätestens, als die weißrussischen Schiedsrichter Yudchyts und Kot 14 Sekunden vor dem Schlusspfiff Besancons nicht nur wegen ihrer Körperlänge auffälligste Spielerin, die gebürtige Rumänin Andreea Lungi Camen, mit einer Zeitstrafe bedachten. Die Trümpfe lagen nun in Leverkusener Hand, denn Kathrin Blacha war genau 15 Sekunden zuvor nach ihrer Zeitstrafe, die sie sich mit einer Attacke eben gegen die kaum zu stoppende Rumänin eingehandelt hatte, wieder aufs Feld gekommen.

Doch auch jetzt konnten die Bayer-Handballerinnen, wie eigentlich während der gesamten sechzig überaus hektischen Minuten, ihre Nervosität nicht ablegen: Statt des "tödlichen" kam ein schlechter Pass auf Nadine Krause, den die mit sechs Treffern beste Werferin ihres Teams nur noch in Kniehöhe erreichen konnte. Sandrine Dumont, die erst in der Schlussphase eingewechselte französische Torhüterin, hatte so keine Mühe, den unplatzierten Wurf der besten Leverkusenerin abzuwehren - der Rest ging im grenzenlosen Jubel der Gäste unter.

Da wird es die Leverkusenerinnen kaum getröstet haben, dass mancher Dormagener Handball-Fan anerkennend meinte: "Wenn unsere Jungs mal so fighten würden... " Gefightet haben die Leverkusenerinnen Sonntag Nachmittag in der Tat, wenn auch nicht gut gespielt. Wer sich drei Mal von einem Vier-Tore-Rückstand wieder auf einen Gleichstand herankämpft, dem gebührt Anerkennung ob der Einstellung. Wer diesen Gleichstand aber so schnell und leichtfertig wieder verspielt, der muss sich wegen mangelnder Übersicht und übergroßer Hektik Kritik gefallen lassen.

0:4 nach sieben Minuten, 4:4 nach 13 Minuten, als Nadine Krause den ersten Ausgleich erzielte; 6:10 nach 24 Minuten, als Renate Wolf die erste Auszeit nahm, 10:10 drei Minuten später, als Linksaußen Yvonne Karrasch ihr einziges Tor, noch dazu aus dem Rückraum erzielte; 12:12 zur Pause und 12:16 fünf Minuten nach Wiederbeginn lauteten die Zwischenstände. Beim 17:17 durch Nadine Krause (44.) hatte Bayer wieder ausgeglichen, ihr Treffer fiel wie schon das voraufgegangene 16:17 durch Kathrin Blacha, als die Gastgeberinnen in Unterzahl waren.

Petra Cumplova brachte Bayer nach 46 Minuten beim 18:17 zum ersten Mal in Führung, doch ausgerechnet die tschechische Linksaußen wurde zum großen Pechvogel der Partie: Nach dem 20:19 durch die wegen ihres Nasenbeinbruchs mit Gesichtsmaske spielende Lyn Byl (48.) setzt sie einen Siebenmeter an den Pfosten, Sekunden später einen Heber an die Latte, fünf Minuten später scheitert sie mit einem weiteren Holztreffer.

So war es Nadine Krause vorbehalten, mit ihrem Siebenmetertreffer zum 21:19 (51.) die einzige Zwei-Tore-Führung für Leverkusen zu erzielen: "Da hätten wir den Sack zumachen müssen, haben es aber nicht getan", ärgerte sich Renate Wolf und fasste die zwei Mal sechzig Minuten im Viertelfinale zusammen: "Letztlich hat die glücklichere Mannschaft das Halbfinale erreicht." Das TSV-Bayer-Sportcenter hat damit seine Europacup-Premiere erlebt, doch auf eine Fortsetzung wird es lange warten müssen: Leverkusen wird schon Meister werden müssen, um wieder im internationalen Geschäft mitmischen zu dürfen. Und ob die eigentlichen Hausherren jemals wieder in solche Sphären vorstoßen werden, das vorherzusagen gehört in die Abteilung Kaffee-Satz-Lesen.

(NGZ)
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