Schwimmen Eine „Welle von Nichtschwimmern“ befürchtet

Neuss · Der Schwimmverband NRW sorgt sich angesichts geschlossener oder nur eingeschränkt nutzbarer Bäder um die Zukunft der Schwimmausbildung. Der Neusser Schwimmverein hat darauf reagiert und darf in den Sommerferien das Konradbad für Schwimmkurse nutzen.

 Bloß nicht untergehen: Der Schwimmverband NRW fürchtet eine „Verschärfung des gesellschaftlichen Problems der nachlassenden Schwimmfähigkeit“.

Bloß nicht untergehen: Der Schwimmverband NRW fürchtet eine „Verschärfung des gesellschaftlichen Problems der nachlassenden Schwimmfähigkeit“.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Vor neun Jahren sollte das Konrad-Bad geschlossen werden. Eine Bürgerinitiative stoppte die Abrisspläne von Rat und Verwaltung. Jetzt könnte das 1965 erbaute Lehrschwimmbecken an der St. Konrad-Schule zum Retter in der Coronakrisen-bedingten Not der Schwimmausbildung hierzulande werden.

Zumindest ein bisschen. Denn der Neusser Schwimmverein (NSV) hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass das kleine Bad entgegen bisherigen Gepflogenheiten in den Sommerferien geöffnet bleibt, damit dort dringend benötigter Unterricht für Nichtschwimmer abgehalten werden kann. Am Montag soll es losgehen, in Kleingruppen und nach einem eigens erstellten, strengen Hygienekonzept.

Maximal sechs Kinder sind pro Kurs erlaubt, der Unterricht findet zwischen 9 und 16 Uhr statt. „Rund 160 Kinder können so in den Sommerferien das Schwimmen erlernen und verbessern“, sagt Gisela Hug, Geschäftsführerin und Trainerin beim Neusser Schwimmverein. Der stellt alle Übungsleiter und muss auch die Reinigung des Bades zwischen den einzelnen Gruppen übernehmen. „Ich kann da nur allen Helfern danken, die uns unterstützt haben,“ sagt Siegfried Willecke.

Der gebürtige Sauerländer trat 1999 die Nachfolge von Karl Bongers an der Spitze des NSV an. Der 64-Jährige spricht von einer „schwierigen Herausforderung, einen Verein mit über 2000 Mitgliedern in solch einer Krise am Laufen zu halten.“ Schwimmzeiten, ohnehin landes- und bundesweit ein knappes Gut, sind durch die Corona-Schutzverordnungen noch knapper geworden. „Schwimmen als Breitensport liegt bei uns derzeit völlig brach,“ sagt Willecke, die Leistungssportler könnten ihr Training zu dreißig Prozent durchziehen, auch, weil sie ins „Freiwasser“ des Sandhofsees ausgewichen sind.

Die Ausbildung von Nichtschwimmern, vor allem von Kindern und Jugendlichen, drohte mit Beginn der Sommerferien ebenfalls „abzusaufen“. Denn das Stadtbad, das zuvor drei Wochen ausschließlich den schwimmsport-treibenden Vereinen zur Verfügung stand, ist wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Und die anderen Bäder sind in Corona-Zeiten für die Vereine tabu, mit Ausnahme von anderthalb Stunden am Abend, in denen Leistungssportler im Südbad trainieren dürfen. Willecke spricht von einem „langen Ringen“ und „zähen Verhandlungen“, bis er die Ferienöffnung des Konradbades durchgewinkt bekommen habe.

Neuss ist dabei kein Einzelfall. Der Schwimmverband NRW sieht bereits „eine Welle von Nichtschwimmern am Horizont“ und sorgt sich um die Zukunft der Schwimmausbildung. Die Vereine seien beim Re-Start nach der Lockerung der Corona-Schutzverordnungen zumeist auf „zurückhaltende Badbetreiber“ getroffen. Deren Ansinnen sei, bei reduzierten Besucherzahlen möglichst viele zahlende Gäste in die Bäder zu bekommen. „Aus ökonomischer Sicht nachvollziehbar, aber es verschärft das gesellschaftliche Problem der nachlassenden Schwimmfähigkeit,“ sagt Generalsekretär Frank Rabe. Im vergangenen Jahr haben die 580 Vereine des Schwimmverbandes NRW 25.403 Seepferdchen und 25.638 weitere Schwimmabzeichen vergeben, Für 2020 rechnet der Verband mit einem Rückgang „von 70 bis 80 Prozent. Dies wären im schlimmsten Fall mehr als 20.000 Kinder, die wortwörtlich auf dem Trockenen sitzen geblieben sind,“ so Rabe.

Das Problem ist nicht allein der Corona-Krise geschuldet. „Es fehlt an verfügbarer und geeigneter Wasserfläche“, sagt Rabe. Er spricht von mehr als 300 Bädern, die in den letzten 20 Jahren in NRW geschlossen wurden. Der Verband fordert daher den verstärkten Bau von Lehrschwimmbecken. Die sei aber keine kurzfristige Lösung, weiß Frank Rabe: „Für das nächste Jahr werden sich unsere Vereine der besonderen Herausforderung einer großen Zahl an Nichtschwimmern stellen müssen.“ Der Neusser Schwimmverein hat damit schon mal angefangen.

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