radsport Der Blick geht schon nach Tokio

Neuss · Gleich am ersten Tag der Bahn-WM in Berlin muss Nils Schomber mit dem deutschen Vierer in der Mannschaftsverfolgung über 4000 Meter ans Limit gehen. Er bestreitet am Mittwoch auf jeden Fall die Qualifikation.

 Nils Schomber will mit dem deutschen Bahnvierer die Heim-WM in Berlin nutzen, um das Olympia-Ticket zu lösen.

Nils Schomber will mit dem deutschen Bahnvierer die Heim-WM in Berlin nutzen, um das Olympia-Ticket zu lösen.

Foto: dpa/John Walton

Seit April 2011 ist Sven Meyer Bundestrainer im Bahnrad-Ausdauerbereich und damit auch verantwortlich für den Bahnvierer. Der trotzdem erst 34-Jährige, in Personalunion auch Sportlicher Leiter des 2013 gegründeten rad-net Rose Teams, weiß also fast alles über Nils Schomber, der gemeinsam mit Domenic Weinstein (25) und Theo Reinhardt (29) schon vor den mit Platz fünf abgeschlossenen Olympischen Spielen 2016 in Rio der Janeiro zur Stammbesetzung in der Mannschaftsverfolgung zählte. Er kennt den Wahl-Neusser als ziemlich coole Socke. „Nils strahlt Ruhe aus, wenn Nervosität aufkommt“, sagt  er. In der Praxis hört sich das so an: „Alles im Lot“, stellte der 25-Jährige am Montagmittag im Teamhotel fest und fügte ausgesprochen nüchtern hinzu: „Meine Form war mit Sicherheit schon mal besser, ist aber nicht so schlecht wie im vergangenen Jahr.“ Noch Fragen?

Schombers letzter internationaler Einsatz liegt bereits einige Monate zurück. Beim Weltcup-Saisonauftakt Anfang November im weißrussischen Minsk verbesserte er mit Felix Groß (Leipzig), Theo Reinhardt (Berlin), Leon Rohde (Hamburg) und Domenic Weinstein (Villingen) als Vierter gleich zweimal den Deutschen Rekord. „Aber danach hatte ich irgendwie einen Hänger“, sagt er und rätselt: „Das war komisch, weil es nicht so richtig zu erklären ist.“ Daher vermochte er noch am Montagmittag nicht vorauszusagen, ob er am Mittwoch, wenn im Berliner Velodrom Qualifikation und erste Runde in der Mannschaftsverfolgung anstehen (Finale bei Frauen und Männern am Donnerstag ab 18.30 Uhr), tatsächlich im Sattel sitzt. „Es wird ganz eng.“ Am Abend stand dann fest: Er fährt auf jeden Fall die Qualifikation.

Theo Reinhardt, 2018 und 2019 mit Roger Kluge Weltmeister im Zweier-Mannschaftsfahren, hat seinen Platz sicher. „Er sticht heraus“, bestätigt Schomber. Gleiches dürfte für Felix Groß gelten. Der 21-Jährige gilt als einer der besten „Anfahrer“ im Bahnradsport. Sein wichtigster Job ist, den Vierer aus dem stehenden Start von Tempo null auf knapp über 60 Stundenkilometer zu bringen. Um die beiden letzten Positionen kämpfen Leon Rohde, Domenic Weinstein und Schomber, der sich mit seinen Teamkollegen auf einem Leistungsniveau sieht. „Darum fallen mir Prognosen ja so schwer.“ Möglich wäre deshalb eine Art Job-Sharing, so dass alle fünf Kandidaten zum Einsatz kommen.

Denn obwohl sie auch Konkurrenten sind, müssen sie als Einheit funktionieren. „Wir sind wie eine Familie“, sagt Weinstein. „Wir kennen uns seit vielen Jahren – jeder kann sich auf den anderen verlassen.“ Wenn Schomber im oft hektischen Wettkampfgeschehen für die nötige Erdung steht, bringe Groß, so der Bundestrainer, der seine Schützlinge an gut 300 Tagen im Jahr sieht, einen Schuss jugendlicher Unbekümmertheit in die Truppe. Reinhardt sei ihr Leitwolf, was dem Perfektionisten mittlerweile den Spitznamen „Vati“ eingebracht hat. Rohde treibe sich und seine Kollegen im Training zur Höchstleistung und Weinstein sorge im Maschinenraum für die nötige Power auf der Bahn.

Dieses Quintett soll in Japan den bei den Sommerspielen von Rio mit Platz fünf begonnenen Weg fortsetzen. „In Tokio wollen wir um eine Medaille mitfahren“, sagt Meyer, der mit seinen Jungs durchaus zufrieden sein kann: Beim Weltcup im australischen Brisbane (13. bis 15. Dezember) belegte Deutschland hinter Australien, Neuseeland und der Schweiz Platz vier, verbesserte dabei zum vierten Mal in diesem Winter den nationalen Rekord auf 3:51,165 Minuten. In Hongkong (29. November bis 1. Dezember) hatte der Bahnvierer  in der Besetzung Felix Groß, Theo Reinhardt, Leon Rohde und Domenic Weinstein vor Neuseeland und der Schweiz sogar den ersten Weltcup-Sieg nach anderthalb Jahrzehnten gefeiert. So etwas wie „der Befreiungsschlag für uns in der Olympia-Qualifikation“, stellt Meyer rückblickend fest.

Sind für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) bei der Bahn-WM in Berlin im Einsatz (Ausdauer Männer): Maximilian Beyer, Felix Groß Theo Reinhardt, Leon Rohde, Nils Schomber, Domenic Weinstein (alle rad-net Rose Team), Roger Kluge (Lotto Soudal) und Moritz Malcharek (LKT-Team Brandenburg).

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