Tischtennis Neusser Team mit gelebter Inklusion zum Meistertitel

Neuss · Im Jahr 2009 startete das GWN-Sportteam aus Neuss mit einer gemischten Tischtennismannschaft in den Spielbetrieb der 3. Kreisklasse. Ein Wagnis, das sich nicht nur für die Sportler mit geistiger Behinderung ausgezahlt hat.

 Das GWN Sportteam mit Dirk Fink, Helge Stockmann, Stefan Nellessen, Jörg Hader und Thomas Gindra (v.l.) hat sich den Titel in der 3. Tischtennis-Kreisklasse gesichert.

Das GWN Sportteam mit Dirk Fink, Helge Stockmann, Stefan Nellessen, Jörg Hader und Thomas Gindra (v.l.) hat sich den Titel in der 3. Tischtennis-Kreisklasse gesichert.

Foto: GWN-Sportteam

Wenn Thomas Gindra an den vorigen Freitag zurückdenkt, dann überwältigen immer noch die Gefühle. Dabei ist ein 10:0-Erfolg gegen die vierte Mannschaft des SV Rosellen in der 3. Tischtennis-Kreisklasse, der niedrigsten Spielklasse überhaupt, auf den ersten Blick kein Grund, einem erwachsenen Mann die Tränen in die Augen zu treiben – selbst wenn mit dem Sieg der Gewinn der Meisterschaft für das GWN-Sportteam verbunden war. Doch das GWN-Sportteam ist eben keine gewöhnliche Mannschaft, sondern hat sich voll und ganz dem Inklusionsgedanken verschrieben und schickt seit 2009 Menschen mit geistiger Behinderung und nichtbehinderte Menschen gemeinsam in den Regelspielbetrieb.

„Wenn ich daran denke, kommt vieles hoch, was sich in all den Jahren im Zusammenhang mit unserem Team ereignet hat. Ich weiß nicht, wohin mit meinen Emotionen und möchte möglichst vielen Menschen erzählen, was gelebte Inklusion bewirken kann“, sagt Thomas Gindra. Für den Sportlehrer der Gemeinnützigen Werkstätten Neuss (GWN) spielt die Förderung und Integration von Menschen mit geistiger Behinderung schon seit dem Einstieg ins Berufsleben eine große Rolle. Ziemlich bald kam er mit der Special-Olympics-Bewegung in Berührung, die 1968 in den USA gegründet worden war, um Menschen mit geistiger Behinderung durch den Sport zu mehr Anerkennung, Selbstbewusstsein und letztlich zu mehr Teilhabe an der Gesellschaft zu verhelfen. 1999 reiste er erstmals mit einigen GWN-Tischtennisspielern zu den Special-Olympics-Weltspielen, die damals im US-amerikanischen Bundesstaat South Carolina über die Bühne gingen, und bekam zusammen mit seinen Schützlingen ganz unmittelbare die ungeheure Kraft zu spüren, die von dieser Bewegung ausgeht. In den folgenden Jahren entwickelte sich Neuss auch in anderen Sportarten zu einer Hochburg in Sachen Special Olympics, für die Weltspiele im Sommer in Berlin haben die Stadt und der Rhein-Kreis Neuss sowie die Stadt Dormagen sogar den Zuschlag als Host Towns bekommen.

„Damals gab es aber übers Jahr gesehen nur sehr wenig Special-Olympics-Turniere, so dass unsere Sportler nicht regelmäßig Wettkampferfahrungen mit all ihren positiven Effekten sammeln konnten. Das war der Anlass, über eine Vereinsgründung und die Teilnahme am Regelspielbetrieb nachzudenken“, erinnert sich Thomas Gindra. Zunächst mussten die Sportler aber über möglichen Konsequenzen aufgeklärt werden. Also Spiele unter der Woche nach einem anstrengenden Arbeitstag, regelmäßiges Training und vor allem jede Menge mögliche Niederlagen. Doch das alles konnte die Euphorie nicht bremsen, in der Saison 2009/2010 ging erstmals ein GWN-Team mit Thomas Gindra, den beiden GWN-Köchen Peter Buschbell (inzwischen verstorben) und Jörg Hader sowie drei wechselnden Aktiven mit geistiger Behinderung in der 3. Kreisklasse an den Start. Drei Jahre dauerte es, bis die Inklusionsmannschaft erstmals unentschieden Spielen konnte, etwas später folgte dann der erste Meisterschaftssieg. Dass seit einigen Jahren nur noch in Viererteams gespielt wird, hat auch geholfen, dass sich das GWN-Team im Laufe der Jahre im Mittelfeld etablieren konnte. Die Krönung ist nun der Meistertitel. „Es war über die Jahre klar zu sehen, wie die Erfahrungen aus der Meisterschaft unsere Spieler weitergebracht haben“, erklärt Thomas Gindra.

Doch abgesehen vom sportlichen Fortschritt hat der inzwischen auf über 50 Mitglieder angewachsene Verein GWN-Sportteam noch viel mehr bewirkt, auch zwischenmenschlich haben sich ganz viele neue Kontakte ergeben. Regelmäßig schauen Gäste aus anderen Vereinen beim Training in der neuen GWN-Sporthalle vorbei, kommen Anfragen für Freundschaftsspiele. Gindra: „Die Menschen merken eben, wie bereichernd es ist, mit unseren Aktiven in Kontakt zu kommen. Das ist gelebte Inklusion.“

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