Voltigieren in Warendorf Neusser Doppelsieg bei erster WM-Sichtung
Neuss · Janika Derks und Johannes Kay melden sich aus der Corona-Pause stark zurück und setzen ein Ausrufezeichen in der Voltigierwelt. Ein besonderes turnerisches Element begeisterte die Fachwelt und die Fans gleichermaßen.
Nach 16-monatiger Turnierpause trafen sich im Bundesleistungszentrum in Warendorf die besten Pferdeakrobaten Deutschlands zur ersten von drei Sichtungsturnieren in Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften im ungarischen Budapest. Vor den Augen eines internationalen Richtergremiums unter Vorsitz von Dietmar Otto konnte sich Jana Derks vom RSV Grimlinghausen in der Einzel-Konkurrenz der Damen souverän durchsetzen. Zudem gewann sie an der Seite ihres Vereinskameraden Johannes Kay auch noch den Pas-de-Deux-Wettbewerb.
Nach drei Durchgängen – Pflicht, Technikprogramm und Kür – stand Derks mit einer Gesamtnote von 8,135 Punkten in der obersten Spalte der Ergebnisliste. Die 31 Jahre alte Ausnahme-Voltigiererin vom RSV Grimlinghausen hatte zwei der drei Umläufe für sich entschieden. In der Pflicht legte die Rheinländerin mit 8,407 Punkten zunächst stark vor. Im Technikprogramm folgte mit 8,211 Zählern ein weiterer Sieg mit dem 18-jährigen Hannoveraner Dark Beluga, longiert von Barbara Rosiny. Hier setzte sich die Physiotherapeutin sogar mit vier Zehntel vor die Konkurrenz. Lediglich in der Kür musste sich die Zweite der Weltreiterspiele von Tryon 2018 knapp geschlagen geben. Und dennoch hinterließ die Deutsche Meisterin von 2019 auch in dieser Teilprüfung einen bleibenden Eindruck. Erstmals nämlich zeigte Derks im Rahmen ihrer Kür einen frei gesprungen Rückwärtssalto. Diese Höchstschwierigkeit war bislang nur selten im Voltigiersport zu sehen, zuletzt von der Österreicherin Lisa Wild, die es bei der WM 2012 erstmals gezeigt hatte.
Trainerin und FN-Voltigiermeisterin Jessica Lichtenberg zeigte sich beeindruckt: „Janika kann den Salto, aber durch diese Wettkampfsituation musste sie hier erst einmal durch.“ Das Turnier in Warendorf empfand die mehrfache Mannschaftsweltmeisterin vom Team Neuss als enorm wichtig. „Es ging uns nicht um die Noten und nicht um die Richter. Wenn einem eines klar geworden ist in der Corona-Zeit, dann, dass man den Sport ausübt, weil man es gerne macht und vielleicht auch die Messlatte wieder ein Stück höher legen möchte“, sagte Lichtenberg. Die Programme hatte das Neusser Gespann schon im Vorjahr kreiert. Lichtenberg: „Wir haben in dieser Zeit viel geschafft und nun ging es zunächst einmal darum, mutig zu sein.“ Das war den Rheinländern eindrucksvoll gelungen. Derks setzte ein Ausrufezeichen, welches – übertragen live vom Streaming-Dienst ClipMyHorse.tv – auch international für Aufsehen sorgte. Bis zum Abend hatte sich der besondere Moment bereits in den sozialen Median verbreitet – und brachte Anerkennung aus aller Welt. Dabei hatte Derks nach Angabe ihrer Trainerin einige Höhepunkte der Kür noch gar nicht gezeigt. „Es folgen weitere Highlights“, verriet Lichtenberg. Platz zwei bei den Damen ging an Alina Roß aus Mecklenburg-Vorpommern (7,919), gefolgt von der ehemaligen Neusserin Pauline Riedl, die mit ihrem neuen Team – Longenführer Maik Husmann und Pferd William – antrat.
Ein sehr hochkarätiger Wettkampf wurde den Zuschauern auch im Pas-de-Deux geboten. Den Tagessieg im ersten Umlauf hatten sich zunächst Justin van Gerven (25) und Chiara Congia (23) vom VV Köln-Dünnwald gesichert. Die Europameister und Deutschen Meister von 2019 kassierten 8,862 Punkte für ihre Darbietung auf dem Rücken von Highlight HE, longiert von Alexandra Knauf. Im zweiten Umlauf folgten dann 8,626 Punkte für die Rheinländer, womit sie sich in der Endwertung äußerst knapp geschlagen geben mussten. 8,744 Zähler standen zu Buche und damit nur 0,013 Punkte weniger als für Janika Derks mit ihrem Partner Johannes Kay (26). Platz drei sicherten sich Diana Harwardt (20) und Peter Künne (20) aus Bernau bei Berlin.
Das RSV-Duo Derks und Kay, das bei der EM 2019 in Ermelo Silber geholt hatte, kam mit dem 14-jähriger Oldenburger Humphrey Bogart OLD und Longenführerin Nina Vorberg auf 8,757 Punkte. Dabei präsentierten die Neusser Aushängeschilder eine eher abstrakte Choreografie. „Wir wollen eine bestimmte Emotion festhalten und darstellen. Inspiriert hat uns der Moment, wenn nach einem starken Gewitter die ersten Sonnenstrahlen wieder hervorkommen“, erläuterte Kay.
Bundestrainerin Ulla Ramge aus Warendorf war nicht nur mit den Leistungen der Damen im Einzelwettbewerb zufrieden, auch die Vorstellungen im Pas-de-Deux waren nach ihrem Geschmack. „Da haben wir ein eindrucksvolles Luxusproblem“, meinte sie. Alle Paarungen hätten es geschafft, ihre Trainingsleistungen in den Wettkampfzirkel zu übertragen. Ramge: „Es ist einfach ein Traum. Drei Pas-de-Deux mit einer Werbung von über 8,5 Punkten. Dabei war aus meiner Sicht eines schöner als das andere.“ Für Ramge war die erste Sichtung nach einer derart langen Pause ein enorm wichtiger Schritt in den Wiedereinstieg des Leistungsvoltigierens. „Das war für viele Athleten nochmal eine ganz andere Situation im Vergleich zu Wettkampfdurchgängen im Training. Das Gefühl, dass endlich wieder ein echtes Turnier stattfindet, kam nach meinem Empfinden voll durch und zum Tragen.“