Tennis-Bundesliga Verlässlichkeit als möglicher Erfolgsfaktor

Neuss · Analyse: In der Tennis-Bundesliga ist in den vergangenen Jahrzehnten die Identifikation mit den Mannschaften zunehmend verloren gegangen. Doch auch die gerade beendete Jubiläumssaison hat deutlich gemacht, dass Kontinuität in den Teams sehr hilfreich sein kann.

 BW-Teamcaptain Clinton Thomson (l.) bedankt sich beim Italiener Thomas Fabbiano, im Hintergrund applaudiert der BW-Vorsitzende Abraam Savvidis.

BW-Teamcaptain Clinton Thomson (l.) bedankt sich beim Italiener Thomas Fabbiano, im Hintergrund applaudiert der BW-Vorsitzende Abraam Savvidis.

Foto: Andreas Woitschützke

Das war sie nun also die Jubiläumssaison der Tennis-Bundesliga. Immerhin gibt es die höchste deutsche Spielklasse schon seit 50 Jahren, 1972 feierte sie Premiere, die Spielzeit 2020 fiel wegen der Corona-Pandemie aus. Und als hätte es sich ein Drehbuchautor ausgedacht: Wie um zu beweisen, dass das Format nach einem halben Jahrhundert noch nicht eingestaubt ist, gibt es unter dem Strich zwei Premieren zu vermelden. Erstmals sicherte sich der Rochusclub Düsseldorf den Meistertitel und erstmals muss der HTC BW Krefeld als Bundesliga-Gründungsmitglied absteigen. 

Doch auch wenn das nach frischem Wind riecht, hat die ganze Saison eine Entwicklung bestätigt, die mit dem verstärkten Einsatz von ausländischen Profis nach dem Bosman-Urteil Mitte der 1990er-Jahre einsetzte und die mit der Einführung von Vierer-Mannschaften im Jahr 2006 forciert wurde. Lutz Steinhöfel, 2. Vorsitzender des TC BW Neuss und inoffizieller „Mr. Bundesliga“, hat es vor der Jubiläumssaison auf den Punkt gebracht, als er darauf hinwies, dass sich die Attraktivität der Bundesliga gewandelt hat. Weg von einem hohen Identifikationsfaktor der Fans mit den Mannschaften durch große Kontinuität im Saisonverlauf, hin zu einer Unberechenbarkeit durch ständig wechselnde Aufstellungen bei höherer individueller Klasse der Spieler. Das ist allerdings kein Widerspruch dazu, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder Phasen gab, in denen über längere zeit die Mannschaften aus Mannheim, Halle und Aachen die Liga dominierten. Denn dass eine hohe Fluktuation im wöchentlichen Erscheinungsbild zum Normalfall geworden ist, hat nichts daran geändert, dass Kontinuität und Verlässlichkeit entscheidende Erfolgsfaktoren sein können. Klar, dass dabei das Budget eine entscheidende Rolle spielt. Die Serienmeister der vergangenen Jahre hatten in dieser Hinsicht immer viel zu bieten. In dieser Saison konnte der Rochusclub offenbar ein Vakuum nutzen, in das er – mit ordentlichen finanziellen Mitteln ausgestattet – hineinstieß.

Der ewige Rochusclub-Teamchef Detlev Irmler meinte jedenfalls nach dem entscheidenden Sieg in Ludwigshafen im Überschwang der Titelfeierlichkeiten: „Der Etat stimmte, dann kann man nach oben spielen.“ So waren der Spanier Pablo Andujar-Alba (ATP 92) mit beachtlichen acht und der Slowake Filip Horansky (ATP 230) mit sieben Einsätzen trotz der für die Profis größeren Bedeutung der ATP-Tour Fixpunkte, die je nach Konstellation durch andere Spieler des Kaders ergänzt wurden. Dass von den Top-Drei-Spielern der Meldeliste der Spanier Jaume Munar Clar (ATP 57) viermal und sein Landsmann Roberto Carballes Baena (ATP 81) sogar fünfmal aufliefen, war sicher hilfreich auf dem Weg zum Titel. Es muss aber nicht nur das große Geld sein, das dabei hilft, in den entscheidenden Partien ein starkes Team zu stellen. Dafür ist der TC BW Neuss ein gutes Beispiel, der nach eigenem Bekunden mit einem der kleinsten Etats in der Bundesliga auskommen muss. Und dennoch schaffte es der Rekordmeister, nach der Rückkehr ins Tennis-Oberhaus im Jahr 2019 zweimal in Folge einen starken vierten Platz zu belegen.

Vereinsvorsitzender Abraam „Makis“ Savvidis erklärte nach dem Sieg in Mönchengladbach, der den endgültigen Klassenverbleib bedeutete, woran das aus seiner auch liegt: „Wir versuchen, den Spielern mehr zu bieten, als bei uns Geld verdienen zu können.“ Der Verein mit Teammanager Marius Zay und Teamcaptain Clinton Thomsen an der Spitze hat einen guten Draht zu den meisten Spielern im Kader und versucht, ihnen eine Art Wohlfühloase innerhalb der rauen Profitour zu schaffen. Dass war in diesem Jahr besonders wichtig, weil es von Beginn an Probleme mit zugesagten Einsätzen gab. BW hatte zwar drei Top-100-Spieler im Kader, davon kam aber nur Botic van de Zandschulp einmal zum Einsatz. Da war es Gold wert, dass sich Neuss in der wichtigen Schlussphase, als sich viele Akteure anderer Teams schon auf den Weg zur Hartplatzsaison in die USA gemacht hatten, auf einen festen Stamm verlassen konnte. Der Italiener Franco Agamenone (ATP 111) und der Franzose Geoffrey Blancaneaux (ATP 150) verschoben ihren Trip in die USA sogar, um den Blau-Weissen zu helfen.

Doch egal, ob mit großem Geld, mit großem Teamgeist oder beidem, im Vergleich zu frühen Zeiten kommt die Tennis-Bundesliga bei der breiten Masse trotz aller Reformen in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr so gut an. Beispiel Neuss: Die Stimmung bei den Heimspielen war zwar gut, doch obwohl Blau-Weiss daheim ungeschlagen blieb, war in Sachen Publikumsresonanz noch deutlich Luft nach oben. Es sind also allerorten frische Ideen gefragt. Wenn die noch mehr Identifikation mit den Mannschaften ermöglichten, ohne viel Geld zu verschlingen, könnte das ganz sicher nicht schaden.

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