Korschenbroich Nach Krieg Freunde geworden

Korschenbroich · Vor 65 Jahren arbeitete Herbert Boderke als Kriegsgefangener auf einer Farm in England. Dort lernte er die Tochter des Besitzers kennen. Die Freundschaft besteht bis heute. Gemeinsam feierten sie jetzt seinen 90. Geburtstag.

 Deutsch-englische Freunde (v.l.:): Ingrid Boderke, David Kiddy, Anne Kiddy, Herbert Boderke und Helga Boderke.

Deutsch-englische Freunde (v.l.:): Ingrid Boderke, David Kiddy, Anne Kiddy, Herbert Boderke und Helga Boderke.

Foto: A. Baum

Jetzt hieß es wieder Abschied nehmen: Abschied von Deutschland, Abschied von den Freunden in Glehn. Als sich Anne und David Kiddy wieder auf die Heimreise nach England machten, stand der nächste Besuch von der Insel in Glehn aber schon fest: Ihr jüngster Sohn James wird Ende Mai die Familie Boderke besuchen. Die Freundschaft zwischen den Familien währt über Generationen hinweg — und wurde unter ungewöhnlichen Umständen begründet.

Als Kriegsgefangener kam Herbert Boderke 1946 nach England. Er sollte auf der Farm von Leonard Samworth arbeiten. Zwei Jahre später wurde er aus der Gefangenschaft entlassen. "Ich bin in Schlesien geboren, konnte aber dorthin nicht zurück. Deshalb bin ich freiwillig geblieben und habe weiter gearbeitet", sagt Herbert Boderke. Erst 1951 kehrte er nach Deutschland zurück. Seine Familie und seine zukünftige Ehefrau Edith waren inzwischen in Glehn heimisch geworden. Die Hochzeitsreise 1953 unternahmen beide nach England. Auf dem Hof erledigte Herbert Boderke als gelernter Stellmacher landwirtschaftliche und handwerkliche Arbeiten. "Das Haupthaus habe ich einmal rundherum gestrichen, nur mit Leiter und Farbtopf", erzählt der 90-Jährige.

Im ganzen Dorf hat er Mauern hochgezogen, Dächer gedeckt und Treppen gebaut. Dort sind noch heute seine Arbeiten zu sehen. Der Hof von Leonard Samworth wird heute in dritter Generation von James Kiddy betrieben. Er ist der Sohn von Anne Kiddy, die Herbert Boderke nach dem Krieg in England kennen lernte. Anne, damals 13 Jahre alt, war Einzelkind — und Herbert Boderke wurde im Laufe der Zeit zu einer Art großer Bruder. "Wir haben ihn immer Albert genannt. Erst viel später fiel uns auf, dass er gar nicht so heißt", sagt Anne Kiddy und lacht.

Das einzige deutsche Wort, das sie von ihm gelernt hat, ist "Kartoffel". "Albert wollte lieber Englisch lernen", erzählt sie. Vergessen hat er seine Sprachkenntnisse nicht. Als Anne und David Kiddy vergangenen Freitag wieder zur Tür herein kamen, sprach Herbert Boderke sofort Englisch wie früher.

1963 verbrachte die Familie einen Urlaub auf dem Hof im Ort Belsham. 1976 reiste dann Anne Kiddy das erste Mal zu ihrem Freund nach Deutschland. Die Freundschaft hat sich inzwischen auf die ganze Familie übertragen. Ingrid Boderke studierte Sprachwissenschaften und hielt sich früher regelmäßig in England auf. Auch ihre Schwester Helga und der jüngere Bruder Stefan reisten oft mit Freunden zur Familie Kiddy. Alle sind überzeugt, dass auch die Enkel die Freundschaft aufrecht erhalten. Während die Senioren noch dafür noch Telefon und Briefe nutzen, schreiben sich die Jüngeren eher e-Mails.

(NGZ)
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