Lokalsport Mit einer Therapie fing alles an

Helmut Geisler hätte besser den Mund gehalten. Dabei hatte es der Bogenschütze aus den Reihen des SV Tiefenbach nur gut gemeint, als er bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Mülheim seinen Freund und Konkurrenten Rachel Bosshammer von der SG Neukirchen/Hülchrath darauf aufmerksam machte, dass der vor seinen letzten drei Pfeilen in der Altersklasse Senioren 55 in Führung lag.

 Volle Konzentration: Rachel Bosshammer darf für den Deutschen Bogensport-Verband an der Weltmeisterschaft teilnehmen, die am 26./27. März in Mannheim über die Bühne geht.

Volle Konzentration: Rachel Bosshammer darf für den Deutschen Bogensport-Verband an der Weltmeisterschaft teilnehmen, die am 26./27. März in Mannheim über die Bühne geht.

Foto: NGZ

"Da habe ich den Fehler gemacht, anzufangen zu denken. Und mit Gewalt geht beim Bogenschießen gar nichts", weiß Bosshammer, der sich nach zwei ziemlich miesen Schüssen in die Sieben noch mal zusammenreißen konnte und mit einer Zehn den Absturz verhinderte. Insgesamt 548 Ringe aus 18 Metern Entfernung bedeuteten aber Platz zwei.

Der vorläufige Höhepunkt einer Sportkarriere, die erst im fortgeschrittenen Alter von 61 Jahren begann. Damals kämpfte Rachel Bosshammer gegen eine schwere Krankheit an und bekam das Bogenschießen als Therapie empfohlen. Doch aus der Heilmethode wurde ganz schnell mehr, nur wenige Monate später stellten sich die ersten Erfolge ein. Zuerst bei Vereinsmeisterschaften, dann aber auch auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene.

Dann folgte aber 2004 der große Rückschlag. Bei einem Motorradunfall riss sich Bosshammer unter anderem an beiden Armen die Bizepssehne ab, die Ärzte prophezeiten ihm ein Ende aller sportlichen Aktivitäten. "Dann bin ich aber in Köln an Dr. Peter Schäferhoff geraten, der mich wieder zusammengeflickt hat", erinnert sich Bosshammer, "ihm habe ich viel zu verdanken, ihm möchte ich auch meinen zweiten Platz bei den Deutschen Meisterschaften widmen."

Nach einer langen Trainingspause konnte Bosshammer, der inzwischen auch Abteilungsleiter der Bogensportabteilung der SG Neukirchen-Hülchrath ist, Anfang 2005 wieder mit dem Training beginnen. "Ich habe mich langsam gesteigert und dann immer mehr trainiert", erzählt Bosshammer.

Inzwischen kommt der 65-Jährige auf ein tägliches Trainingspensum von zweieinhalb bis drei Stunden, wobei er 150 bis 250 Pfeile abschießt. Diese Trainingshäufigkeit und Trainingsumfänge ermöglichen es Bosshammer überhaupt, in der nationalen Spitze mitzuhalten. Denn viele seiner Konkurrenten sind schon seit der Jugend beim Bogensport dabei, verfügen also über einen riesigen Erfahrungsvorsprung.

Und wie gut Rachel Bosshammer mithalten kann. Bei den Turnierstarts im vergangenen Jahr wurde er unter anderem sieben Mal Erster, fünf Mal Zweiter und zwei Mal Dritter. Darüber hinaus brach der SG-Bogenschütze auch noch Rekorde. Vor kurzem beispielsweise knackte er beim Hallenchampionat in Dormagen die aus 1992 datierenden Bestmarke auf der 25-Meter-Distanz.

Mit 555 Ringen lag er zwar gleichauf mit Toni Krug, doch er schoss eine Zehn mehr als der alte Rekordhalter. Solche Ringzahlen ermöglichen es auch, dass Rachel Bosshammer eine ganz besondere Ehre zuteil wird. Er darf für den Deutschen Bogensport-Verband an der Weltmeisterschaft teilnehmen, die am 26./27. März in Mannheim über die Bühne geht.

"Das hat es in der Geschichte des Verbandes noch nicht gegeben", erzählt der 65-Jährige stolz. Mit welchen Erfolgsaussichten er zur WM reist, kann er nicht sagen, dazu kennt er die internationale Konkurrenz zu wenig. Er will die Sache voll konzentriert, aber auch ganz entspannt angehen. Schließlich geht mit Gewalt beim Bogenschießen gar nichts.

(NGZ)
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