Ute Conen aus Münchrath pfeift in Sydney "Lieber das deutsche Team im Finale als Ich"

Der Kreis Neuss ist wahrlich nicht gerade reich gesegnet mit Olympiateilnehmern. Eine, die zwar kein Gold gewinnen kann, aber ohne die trotzdem keine Medaille vergeben wird, ist Ute Conen, einzige, beim Hockeyturnier in Sydney beteiligte deutsche Schiedsrichterin. Am 10. September ging ihr Flieger in den fünften Kontinent - Abenteuer sind programmiert.

Vor dem Abflug galt es noch vieles mehr zu organisieren als nur die Aufnahme von Cassetten mit "Schmusi-Musik". Wo sie unterkommen soll, wusste sie vorher auch noch nicht, "wohl in einem College". Was sie pfeift wird ohnehin erst am Abend vor den Begegnungen festgelegt. Da Spiele der deutschen Mannschaft ausscheiden, sind die Begegnungen in der Parallelgruppe mit Beteiligung von Australien, Großbritannien, Spanien, Argentinien und China der erste Anlaufpunkt.

Australien gilt als Olympiafavorit, dementsprechend groß ist dort die Begeisterung - alle Spiele sind ausverkauft. "Wenn dort 15.000 wie eine Wand hinter ihrer Mannschaft stehen, hinterlässt das auch bei mir eine Gänsehaut," freut sich Conen schon auf ihren ersten Einsatz.

Als eine von 20 Schiedrichterinnen der World Olympic List des internationalen Hockeyverbandes FIH verfügt sie über ausreichend internationale Erfahrung, hat auch schon mehrere Endspiele bei hochkarätigen internationalen Turnieren gepfiffen wie beispielsweise das EM-Finale 1995 in Amstelveen zwischen den Niederlanden und Spanien, das WM-Finale im letzten Jahr in Utrecht und auch die letztjährige Entscheidung bei der Champions Trophy.

Trotzdem ist sie vor jedem Spiel, auch wenn es ein ganz normales Bundesligaspiel ist, nervös, genauer gesagt angespannt. Mit dem Schuhe einpacken am Vorabend beginnt auch die geistige Vorbereitung auf das Spiel. Beim Olympischen Turnier wird das alles viel intensiver sein, auch weil Vorleistungen entscheiden, ob man weiter pfeifen darf. In Sydney wird auch erst einmal von der FIH ein Fitness-Test vorgeschaltet. Kein Problem für die beste deutsche Schiedsrichterin, die sich mit Joggen eine gesunde Ausdauergrundlage verschafft hat und auch viel von Video-Nachbereitung hält. "Verbessern kann man sich immer", sagt sie.

Zu der deutschen Mannschaft hat sie ein enges Verhältnis. Hockey ist immer noch Familienbetrieb und die Schiedsrichter gehören dazu. Bei aller Nähe hat sie sich Autorität gegenüber den Spielerinnen bewahrt ("Ich lasse mich nicht anästhesieren"), kann sich aber auch motivationsfördernde Spritzen erlauben. Nur ein Beispiel: Als bei einer Champions-Trophy einmal die deutschen Damen überhaupt nicht mit der Aufhebung der Fußregel klarkamen, blockten sie ab und spielten katastrophal. Nach Ansprache der Schiedsrichterin kam die Einsicht und es lief deutlich besser.

Läuft es denn auch in Sydney so gut für die deutsche Mannschaft? Ute Conen traut ihr einiges zu, sogar das Erreichen des Finales, obwohl sie als Schiedsrichterin gerade eine ganz starke niederländische Mannschaft bei einem Länderspielsieg über Spanien gesehen hat - übrigens auf einem Kunstrasen, der dem in Sydney entspricht. Zu den holländischen Nachbarn hat sie eine besonders innige Beziehung, nicht nur weil dort mit Rene Cohen ihr Stamm-Doppelzimmerpartnerin bei internationalen Turnieren herkommt.

Cohen war auch Schiri-Partnerin beim letzten Damen-Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden auf dem Neusser Kunstrasen. Cohen pfiff dort auffallend energisch, Conen zurückhaltender. Sie findet sich am besten, "wenn niemand merkt, dass ich dabei gewesen bin". Auch mit Bescheidenheit kann man Olympiateilnehmer werden und sich damit Traum Nummer eins ("Vor acht Jahren habe ich nicht einmal daran gedacht") erfüllen. Traum Nummer zwei wäre die Leitung des Finales. Dafür würde sie bei allem Ehrgeiz nur in einem Falle zurückstecken: "Lieber die deutsche Mannschaft im Finale als die deutsche Schiedsrichterin." Michael Scheffler

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