Lokalsport Leistung soll belohnt werden

Dormagen · Mehr Geld für den Spitzensport, hauptamtliche Trainer in den Stützpunkten, mehr Unterstützung durch die Politik - zentrale Forderungen beim "Dormagener Gespräch"

 Kamen auf dem Podium mächtig ins Schwitzen: Annika Sprink, Max Hartung, Laura Vargas Koch, Moderator Volker Koch und Alfons Hörmann (v.l.).

Kamen auf dem Podium mächtig ins Schwitzen: Annika Sprink, Max Hartung, Laura Vargas Koch, Moderator Volker Koch und Alfons Hörmann (v.l.).

Foto: Woitschützke Andreas

Ob es zu einem Tagesseminar zur Sportförderung im Spitzensport in Knechtsteden kommen wird, ist ungewiss. Deutlich wurde allerdings am Freitagabend im Kloster Knechtsteden, dass dieses zentrale Thema so vielschichtig und spannend ist, dass es sich jedenfalls lohnen würde. So waren die anderthalb Stunden ein interessanter Einstieg, den die Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen der Reihe "Dormagener Gespräche" bot. Erste, vertiefte Einblicke in den Strukturwandel, in dem sich der Spitzen- und Leistungssport befindet. Das gelang vor gut hundert Gästen im voll besetzten Saal vor allem dank Alfons Hörmann, seit 2013 Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds. "Der hat klar Kante gezeigt und nicht nur drumherum geredet", zeigte sich Henning Heinrichs, Leiter des Sportinternat Knechtsteden, beeindruckt.

Unter Leitung von NGZ-Sportredakteur Volker Koch diskutierte Hörmann mit drei erfolgreichen Spitzensportlern: der Neusserin Annika Sprink, Hockey-Bronze bei den Olympischen Spielen in Rio, Laura Vargas Koch aus Berlin, Olympia-Dritte im Judo, sowie Max Hartung aus Dormagen, zwei Mal Teilnehmer bei Olympia und frisch gebackener Europameister im Säbelfechten. Welche Macht beziehungsweise Bedeutung der Sport in Deutschland hat bzw. haben müsste, verdeutlichte Koch zum Einstieg mit diesen Zahlen: 27,5 Millionen Deutsche sind Mitglied in einem Sportverein (29 Prozent). Zum Vergleich: Die katholische Kirche bringt es auf 23,7 Millionen, die evangelische Kirche auf 22,2 Millionen. Der CDU/CSU haben sich 575.000 Mitglieder angeschlossen. "Macht und Ohnmacht liegen eng zusammen", formulierte Hörmann. Er steckt mitten drin in der aktuellen Diskussion um die Reform des Leistungssports, die den Spitzensport in den kommenden Jahren verändern wird, mit dem Ziel, dass deutsche Athleten bei Olympischen Spielen wieder erfolgreicher abschneiden sollen, sprich, wieder mehr Medaillen gewinnen. Diese Diskussion mit Bundesinnenminister wurde laut Hörmann bereits nach Olympia 2014 in Sotschi begonnen, aber vor Rio wollte man mit ersten Ergebnisse keine Unruhe auslösen.

In der Diskussionsrunde wurde schnell deutlich, was Athleten Sorgen bereitet: die Veränderung, Zentralisierung, Auflösung von Stützpunkten. Judoka Vargas Koch erzählte: "Nach Rio gab es bei uns viele Veränderungen. Der Bundestrainer ist weg, trainiert jetzt die Niederlande, viele Athleten sind aus dem Kader geflogen, eine Freundin startet jetzt für Panama - der Aufschrei bei uns ist groß." Weniger Sorgen muss sich Hockey-As Annika Sprink machen, die für Düsseldorf spielt: Dort sind die Vereine Stützpunkte, kommen die Trainer dorthin. Der DOSB-Präsident bemühte sich, mit Legenden und falschen Zahlen aufzuräumen: So stünden die Fachverbände trotz aller Sorgen und Kritik hinter der Reform und stimmten bei der Mitgliederversammlung zu 98,6 Prozent zu.

 Mündige Athleten: Hockeyspielerin Annika Sprink, Säbelfechter Max Hartung und Judokämpferin Laura Vargas Koch (v.l.).

Mündige Athleten: Hockeyspielerin Annika Sprink, Säbelfechter Max Hartung und Judokämpferin Laura Vargas Koch (v.l.).

Foto: Andreas Woitschützke

Dass es Veränderungen in den Bundeskadern geben müsse, sei klar: "Aber es werden keine 1000 Athleten rausgeworfen, wie kolportiert wird. Das ist grottenfalsch." Hörmann glaubt an 300, höchstens 400. Aber im B-Kader gebe es Athleten, die in ihrem Leistungsvermögen bis zu 30 Prozent hinter der Weltspitze lägen. "Das ist nicht tragbar." Ebenso wenig wie Athleten, die 30 Jahre alt sind und seit zehn, zwölf Jahren im B-Kader sind - "die kommen nicht mehr in der Weltspitze an". Auch die Aktiven in der Runde nickten zustimmend, als Hörmann von einer "einheitlichen Evaluierung" für die Sportarten sprach. "Der Spitzensport soll möglichst breit aufgestellt sein, unter klaren Qualitäts- und Leistungskriterien." Es gehe indes nicht nur um mehr Medaillen, sondern als Kriterien für Förderung sollen auch persönliche Bestleistungen und das Erreichen von Finals zählen.

Der DOSB-Präsident versteckte sich beim "Dormagener Gespräch" nicht hinter Allgemeinplätzen, sondern forderte klar mehr Geld für den Spitzensport. "Nein", sagte er auf die Frage von Moderator Koch, " der Spitzen- und Breitensport hat eindeutig nicht genügend Unterstützung". Klartext auch hier: "Schwachstellen mit immer mehr Geld zupflastern - dafür stehe ich nicht zur Verfügung."

 Zufriedener Schirmherr: Bundes-Gesundheitsminister Hermann Gröhe mit Ludger Gruber (l.) und Simone Habig von der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Zufriedener Schirmherr: Bundes-Gesundheitsminister Hermann Gröhe mit Ludger Gruber (l.) und Simone Habig von der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Foto: Woitschützke Andreas

Emotional wurde es bei Hörmanns Aussage: "Fußball und Skisport, die weitestgehend frei von öffentlicher Förderung sind, sind die erfolgreichsten Sportverbände." Vargas Koch kritisierte die "zu starke Fokussierung" der Medien auf zu wenige Sportarten. "Das passt nicht zu einer pluralistischen Gesellschaft." Annika Sprink merkte an, dass es im Hockey immerhin etwas Bewegung gebe, weil "eine Internetplattform Hockey-Spiele zeigt. Ansonsten fehlt eine Berichterstattung nach Olympia schlichtweg". Hörmann ordnete ein und versprühte wenig Hoffnung: "Medienexperten sagen mir, dass das Zuschauerinteresse an einem Fußball-Spiel der 4. Liga größer ist als an den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften".

Eine Besserung für die vielen anderen Sportarten ist aus seiner Sicht nicht erkennbar, im Gegenteil: "Es ist schwer, Olympia-Sportarten im Fernsehen zu präsentieren. Das wird sich in den kommenden Jahren eher noch verstärken bzw. verschlechtern."

(schum)
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