Ringen Lehrreiches Debüt auf großer Bühne

Neuss · Schon im Achtelfinale war Feierabend für Samuel Bellscheidt bei den Europameisterschaften der Männer in Ungarn. Doch der Topringer des Zweitligisten KSK Konkordia Neuss blickt mit einem guten Gefühl auf seine Premiere zurück.

 Samuel Bellscheidt zahlte bei seiner ersten EM noch Lehrgeld.

Samuel Bellscheidt zahlte bei seiner ersten EM noch Lehrgeld.

Foto: Woi

Man könnte sich die Sache ganz einfach machen. Der erste Auftritt von Samuel Bellscheidt bei einer Männer-EM dauerte genau sechs Minuten, endete mit einer 1:5-Niederlage gegen den favorisierten Ulvi Ganizade aus Aserbaidschan – und da der spätere Dritte im Halbfinale dem Georgier Shmagi Bolkvadze mit 1:4 unterlag, blieb dem jungen Ringer des KSK Konkordia auch die Chance verwehrt, über die Hoffnungsrunde noch in den Medaillenkampf einzugreifen. Ende der Geschichte.

Doch der 20-Jährige erlebte in Budapest einen ganz anderen Film, einen, der ihn wieder ein Stück weiterbrachte auf dem beschwerlichen Weg zu den Olympischen Spielen. Er hat eine Menge gelernt, zum Beispiel von seinem Teamkollegen Abdolmohammad Papi (60 kg), mit dem er das Hotelzimmer teilte. Sie gingen gemeinsam die bei großen Turnieren üblichen Routinen durch: Der wettkampffreie ersten Tage, an dem die Ringer in der Halle schon mal ein bisschen Atmosphäre schnuppern. Der wesentlich arbeitsreichere zweite Tag mit intensiven „Schwitzeinheiten am Partner in dicken Sachen“, um dem Körper vor dem Wiegen noch die letzten Gramme abzutrotzen. Eine Kunst für sich. Bellscheidt, der in der zweiten Nacht bei einem Großereignis immer Probleme hat, in den Schlaf zu finden, ging mit 71,8 Kilogramm ins Achtelfinal-Duell der Gewichtsklasse bis 72 Kilogramm griechisch-römisch. Maßarbeit.

Die ewig langen Stunden bis zum Einsatz auf der Matte. Der Sportsoldat aus Mülheim war erst im achten Kampf dran, musste damit nach dem Wiegen satte vier Stunden mit sich und seiner Aufgeregtheit überstehen. „Klar, kurz vor dem Kampf ist das Adrenalin am höchsten, aber du stehst eigentlich den ganzen Wettkampftag unter Spannung.“ Das geht allen so, doch über ein Gespräch mit dem Gegner Druck abzubauen, sei keine Option. „Auf keinen Fall!“

Auf der Matte bestätigte sich dann, was der Debütant schon vorher gewusst hatte. „Ulvi Ganizade ist ein Guter.“ Der 23-Jährige hatte auch schon 2020 in Rom EM-Bronze geholt. Zwei mit jeweils zwei Punkten belohnte Ausheber bescherten ihm bis zur Pause eine 5:0-Führung. Die brachte er in den zweiten drei Minuten locker über die Zeit. Bellscheidt nahm indes das Positive mit: „Ein paar Ansätze waren dabei. Es fehlt mir noch ein bisschen an der Physis. Man merkt halt das Alter.“ Lob von Bundestrainer Michael Carl gab es trotzdem. „Sein Feedback war durchweg positiv. Ich bin ja nicht mit den Riesenerwartungen in die EM gegangen.“ Genauso sah das auch KSK-Ehrenvorsitzender Hermann J. Kahlenberg im heimischen Neuss. „Samuel muss bei den Männern erst mal Fuß fassen. Und sein Gegner war eine Granate. Ich bin mir sicher, hätte Samuel die Hoffnungsrunde erreicht, wäre er für eine Überraschung gut gewesen.“

Obwohl der ganze Spaß damit nach nur einem Kampf schon wieder vorbei war, hatte den Nachwuchsmann das Turnier ziemlich geschlaucht. „Ich bin jetzt nicht körperlich im Sack, aber vom Kopf her. Viel Stress. Viele Eindrücke.“ Trotzdem bekam der durchs Abkochen dehydrierte Körper richtig Futter. „Hinterher wird immer viel gegessen“, verrät der Ringer des Jahres in Nordrhein-Westfalen schmunzelnd. Was er so in sich hineingeschaufelt hat, weiß er gar nicht mehr so genau, „aber gesund war es sicher nicht ...“

Er freut sich auf die wenigen Tage, an denen er alle Fünfe auch mal gerade sein lassen, er was unternehmen kann mit Freunden oder der Familie. Schon Ende Mai stehen in Frankfurt/Oder freilich die Deutschen Meisterschaften auf dem Programm. Mit einer Europameisterschaft natürlich nicht zu vergleichen, dafür aber wieder mit deutlich höherem Druck für den Olympiakandidaten. Nur dabei sein zählt dann nicht. „Da muss ich mich durchsetzen“, weiß er.

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