World Games 2023 In Berlin nur als Zuschauer dabei

Rhein-Kreis · Bei den Weltspielen von Special Olympics für Menschen mit geistiger Behinderung ist der in Sachen Inklusion so aufgeschlossene Rhein-Kreis im 414 Sportler und Sportlerinnen starken deutschen Team nicht mit Aktiven vertreten.     

Generalprobe: Bei den Nationalen Spielen von Special Olympics im Juni in Berlin erlebten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen eine stimmungsvolle Eröffnungsfeier im Stadion An der Alten Försterei.

Generalprobe: Bei den Nationalen Spielen von Special Olympics im Juni in Berlin erlebten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen eine stimmungsvolle Eröffnungsfeier im Stadion An der Alten Försterei.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Von Hundert auf Null! Bei den als Generalprobe ausgerufenen nationalen Titelkämpfen für Menschen mit geistiger Behinderung Ende Juni in Berlin hatte das „Inklusionssport Neuss – Team Tennis“ mit insgesamt 37 Athleten, Coaches und Unified Partnern des NTC Stadtwald und des TC Grün-Weiss Neuss mit drei Gold-, acht Silber- und elf Bronzemedaillen noch mächtig abgeräumt. Doch wenn im nächsten Sommer (17. bis 25. Juni) bei den Special Olympics World Games in der Bundeshauptstadt rund 7000 Athleten und Athletinnen aus mehr als 170 Nationen um Edelmetall kämpfen, steht im 414 Köpfe starken Team von Special Olympics Deutschland (SOD) kein Aktiver und keine Aktive aus dem Rhein-Kreis.

Thomas Gindra, SOD-Vizepräsident Sport und als Diplom-Sportlehrer mit der Tischtennis-Gruppe der Gemeinnützigen Werkstätten Neuss (GWN) einer der Pioniere in Sachen Inklusionssport hierzulande, hat auf Nachfrage der NGZ „die komplette Nominierungsliste, inklusive eventueller Nachrücker oder Nachrückerinnen, mit verschiedenen ,Filtern’ durchgesehen“ und konnte keinen Treffer vermelden.

Louis Kleemeyer, Tennisspieler des NTC Stadtwald, ist als IT-Fachmann in die Organisationsarbeit eingebunden, Gindra als Cheftrainer Tischtennis. Seinen Traum, die Weltspiele im Heimatland als Turnierleiter zu verantworten, hatte der Neusser bereits vor einigen Monaten „aus persönlichen Gründen“ aufgegeben. „Ich arbeite lieber direkt mit den deutschen Athleten und versuche, im Hintergrund Input zu geben.“ Dass der vor allem mit seinen für ihr vorbildliches Engagement mehrfach ausgezeichneten Vereinen seit vielen Jahren federführend im Inklusionssport tätige Rhein-Kreis ausgerechnet bei diesem Top-Ereignis leer ausgeht, findet natürlich auch Gindra „total schade. Das ist ein bitterer Moment.“ Er führt jedoch erklärend aus: „Es ist ja nicht so, dass wir gesetzt waren. Wir hatten über 1000 Bewerbungen für das deutsche Team – bestimmt drei oder vier Mal mehr als bislang.“

Zudem, ergänzt Achim Schell, Inklusionsbeauftrager des Stadtsportverbandes Neuss und des TC GW Neuss, sei es gute Sitte und Fair Play, „dass, wer bereits Teilnehmer bei Weltspielen war, befreundeten Athleten und Athletinnen den Vortritt lässt, damit möglichst viele Handicaps an diesen großartigen, emotionsgeladenen Weltspielen teilnehmen können.“

Genau darum sei Grün-Weiß, im Juli mit dem vom Deutschen Tennis Bund und der Gold-Kraemer-Stiftung erstmals ausgelobten Award „Inklusionsverein des Jahres“ ausgezeichnet, auch erst gar nicht in die Bewerbung gegangen, „obwohl einige unserer Athleten bei den Nationalen Spielen in Berlin die Qualifikationsvorgaben erneut gemeistert hatten. Aber fast alle diese Athleten haben in ihrer Karriere bereits Weltspiele, etwa in Athen, Shanghai und Abu Dhabi, besucht.“

Gleiches gilt für die Tischtennisspieler der GWN. So habe man zum Beispiel Dirk Fink, der schon bei den Special Olympics World Games 2011 in Athen jeweils eine Goldmedaille im Einzel, Doppel und Mixed-Doppel gewonnen hatte, oder auch Oliver Burbach, das Gesicht der Sommerspiele 2013 in Düsseldorf, erst gar nicht in den Bewerbungsprozess gegeben. „Und das haben sie auch akzeptiert, unsere Athleten können damit umgehen.“ Leid tut es Gindra jedoch für Stefan Nellessen. Der stehe in der 3. Tischtennis-Kreisklasse mit dem GWN-Sportteam auf Platz eins, sei in dieser Saison noch ungeschlagen und hätte das Ticket für die Weltspiele längst mal verdient gehabt. Das sicherte sich per Losentscheid jedoch Hartmut Freund, der 2019 in Abu Dhabi zwei Mal olympisches Silber geholt hatte. „Das ist bitter für Stefan“, weiß sein Trainer.

Schell möchte indes unbedingt festgehalten wissen, dass an der Nichtberücksichtigung der „Handicaps“ aus dem Rhein-Kreis „nix gegen uns dahintersteckt. Wir waren in der Vergangenheit auch international immer hochpräsent und sind jetzt eben mal einen halben Schritt zurückgetreten.“ Zudem sei das zu Ende gehende Jahr mit den Nationalen Spielen in Berlin, den NRW-Landesspielen in Bonn und dem Jubiläumsturnier des TC GW Neuss auf der Wolker-Anlage extrem anstrengend und trotz der großartigen Unterstützung auch teuer gewesen. „Wir schnaufen jetzt einmal durch und entwickeln in den Vereinen die Strukturen des Inklusionssports im Jahr der Weltspiele in Deutschland, die ihr ,Warming-up’ 2023 ja auch im Rhein-Kreis und der Stadt Neuss als Host-Town-Gastgeber finden, weiter.“

Die Landesspiele 2024 in Münster sind auf jeden Fall wieder ein Thema. Und 2027 könnten die Special Olympics World Games in Australien stattfinden. Das dazu passende Motto: „Ab nach Down Under!“

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