Sportpolitik „Olympia in NRW gäbe dem Sport einen Schub“

Der Präsident des Landessportbundes NRW möchte den Sport als „ein lebensbegleitendes Element“ in der Gesellschaft verankern.

 Walter Schneeloch und Pressesprecher Frank-Michael Rall (l.) zu Besuch im Neusser Pressehaus.

Walter Schneeloch und Pressesprecher Frank-Michael Rall (l.) zu Besuch im Neusser Pressehaus.

Foto: Woitschuetzke,Andreas (woi)

Herr Schneeloch, warum unterstützt der Landessportbund eine nordrhein-westfälische Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2032, obwohl Olympiabewerbungen in Deutschland zuletzt alle gescheitert sind?

Walter Schneeloch Weil Olympische Spiele im eigenen Land dem Sport einen Riesenschub geben würden. Sowohl, was Infrastruktur, Leistungsniveau, aber auch die leider nicht immer spürbare gesellschaftliche Anerkennung des Sports betrifft.

An der gesellschaftlichen Anerkennung scheinen die letzten Olympiainitiativen in Hamburg und München aber gescheitert zu sein.

Schneeloch Wir in NRW haben da andere Voraussetzungen. Zunächst einmal handelt es sich ja um eine private Initiative des Unternehmers Michael Mronz, für die bisher noch kein einziger Cent an Steuergeldern geflossen ist. Zweitens bewirbt sich keine einzelne Stadt, sondern eine ganze Region, so dass 14 Städte und Kreise vom Konzept „Rhein Ruhr City 2032“ profitieren. Drittens sind in dieser Region schon sehr viele Sportstätten vorhanden, so dass nicht alles neu gebaut werden muss. Aber Sie haben Recht, für eine erfolgreiche Bewerbung – über die letztlich allein der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) entscheidet – muss man die Bevölkerung mitnehmen, zumindest die mehr als fünf Millionen Menschen, die in NRW Mitglied in einem Sportverein sind.

Reicht das, um in einem Bürgerreferendum, an dem ja die Bewerbungen in München und Hamburg gescheitert sind, breite Zustimmung zu erhalten?

Schneeloch Erst einmal frage ich mich, warum es solche Referenden nur in Sachen Olympiabewerbung gibt. Mich würde interessieren, wie die Hamburger Bevölkerung in einem Referendum über die enormen Kosten für die Elbphilharmonie abgestimmt hätte. Oder die Kölner über die Summen, die in die Sanierung der Oper fließen. Aber davon mal abgesehen habe ich Verständnis, wenn Menschen solchen Großprojekten skeptisch gegenüberstehen, wenn darunter ihr Alltag leidet. Auf den Sport bezogen: Wer in einer miefigen Turnhalle mit kaputten Duschen trainiert, wird wenig Begeisterung für eine Olympiabewerbung aufbringen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir endlich den Sanierungsstau im Sport auflösen. Die 300 Millionen Euro, die die neue Landesregierung dafür zur Verfügung gestellt hat, sind ein erster Schritt dazu. Wir müssen jetzt aber auch darauf achten, dass diese Gelder richtig abfließen. Am 13. Juni wird es im Essener Folkwang-Museum eine Auftaktveranstaltung geben, in der Sport-Staatssekretärin Andrea Milz die Details vorstellen wird.

Klingt ganz so, als wären Sie zum Fan von Herrn Laschet geworden?

Schneeloch Unabhängig von der Parteizugehörigkeit muss man feststellen, dass der Sport in NRW einen richtigen Aufschwung mit der neuen Landesregierung erlebt hat, dem wir ja auch die im vergangenen Jahr unterzeichnete Zielvereinbarung über unsere gemeinsamen Sportförderziele verdanken. Wenn ich Herrn Laschet treffe, begrüße ich ihn immer als unseren HerrnSportminister, denn er hat Sport endlich zur Chefsache gemacht.

Alles schön und gut, aber wird es in zehn oder zwanzig Jahren überhaupt noch organisierten Sport in der jetzigen Form geben? Was nützen sanierte Sportstätten, was nützen Olympische Spiele, wenn immer weniger bereit sind, sich ehrenamtlich im Sport zu engagieren? Neben dem Sanierungsstau scheint das doch das größte Problem der Sportbewegung zu sein.

Schneeloch Das ist in der Tat ein zunahmendes Problem, um das sich der LSB ganz konkret mit verschiedenen Qualifizierungsmaßnahmen oder der seit 2017 laufenden und bis 2022 angelegten „Initiative Ehrenamt“ kümmert. Man muss das differenziert sehen: Wo sich die Vereine schwer tun, ist die Besetzung von Ämtern, die man über einen längeren Zeitraum ausübt, wie Schatzmeister oder Zeitnehmer. Was besser funktioniert, ist, Menschen für ein befristetes Projekt zu gewinnen, zum Beispiel für die Organisation eines Sport- oder Vereinsfestes. Daraus ergibt sich, dass man den ehrenamtlich Tätigen Hilfe an die Hand geben, sie in bestimmten Bereichen entlasten muss.

Wie soll das funktionieren?

Schneeloch Im Idealfall durch Hauptamtlichkeit. Überall da, wo es im Sport Hauptamtlichkeit gibt, gibt es auch Innovationen. Weil die hauptamtlichen Kräfte den Ehrenamtlern die Alltagsarbeit abnehmen, vor allem, was die überbordende Bürokratie bei finanziellen oder organisatorischen Aufgaben betrifft. So hätten die Ehrenamtler mehr Zeit, sich um die notwendige Vereinsentwicklung zu kümmern, Ziele zu definieren und die Wege zu diesen Zielen festzulegen.

Nun können sich aber nicht alle Vereine Hauptamtlichkeit leisten, vor allem die nicht, die weniger als 1500 Mitglieder haben.

Schneeloch Richtig, deshalb müssen sich die kleineren Vereine  überlegen, wie sie in gewisser Weise zusammenarbeiten können, zum Beispiel in Sachen Mitgliederverwaltung. Warum sollten nicht mehrere Vereine eine gemeinsame Geschäftsstelle unterhalten?

Weil sich die Vereine immer noch als Konkurrenten ansehen.

Schneeloch Dieses Kirchturmdenken müssen wir einreißen, sonst wird es schwierig für den organisierten Sport. Das ist auch eine zentrale Aufgabe der 54 Stadt- und Kreissportbünde, hier zu moderieren, aber den Vereinen auch ganz konkrete Hilfen bei der Verwaltung anzubieten. Von einer Zusammenarbeit können die Vereine übrigens nur profitieren: Denn es ist ein Fakt, dass Vereine, die über Hauptamtlichkeit verfügen, auch für die ansonsten als problematisch angesehene Zielgruppe der 20- bis 45-Jährigen interessant sind, einfach, weil sie ihr Angebot ganztägig und nicht nur in den Abendstunden unterbreiten können. Das ist wichtig, wenn der Vereinssport weiterhin der Sportanbieter Nummer eins bleiben und im Gegensatz zu den kommerziellen Anbietern weiterhin alle Bevölkerungsschichten ansprechen will. Außerdem müssen meisten unserer 18.300 NRW-Sportvereine über eine neue Beitragsstruktur nachdenken, denn die Vereinsbeiträge sind einfach zu gering, um auf Dauer echte Qualität zu gewährleisten. Und Qualität brauchen wir, weil der Sport immer wichtiger wird.

Wie kommen Sie zu dieser Erkenntnis?

Schneeloch Unsere Gesellschaft wird immer bewegungsärmer, wir verbringen den größten Teil unserer Berufstätigkeit, aber auch unserer Freizeit im Sitzen. Das hat nachhaltige negative Folgen für unsere Gesundheit und unser Gesundheitssystem. Der Sport ist doch das einzige, was noch Bewegung in dieses Leben bringt, vor allem in den Städten sind die Sporträume doch oft die einzigen Bewegungsräume. Deshalb müssen wir Sport zum lebensbegleitenden Element machen, in jedem Alter und in allen Bevölkerungs- und Gesellschaftsschichten. Nicht zuletzt kann der Sport auch helfen, Verkehrs- und Umweltprobleme zu lösen – denn was ist Fahrradfahren oder Zufußgehen anderes als Sport? Deshalb hat der LSB ja auch die „neue Mobilität“ als sein Thema entdeckt.

Wie passt das alles zu einer Olympiabewerbung?

Schneeloch Die würde dem Sport endlich insgesamt zu dem Stellenwert verhelfen, um den alle Beteiligten in der großen Sportbewegung längst wissen.

Welche Rolle könnte dabei der Rhein-Kreis Neuss spielen?

Schneeloch In Sachen Olympische Spiele sehe ich große Chancen, die angedachte Kanu-Wildwasserstrecke in Dormagen zu realisieren, die inzwischen ja auch vom Deutschen Kanu-Verband angestrebt wird. Und was den Sport insgesamt angeht, besitzt der Rhein-Kreis in NRW eine Vorreiter-. und Vorbildfunktion, weil sich hier wirklich engagiert und intensiv mit dem Sport in all seinen Facetten auseinandergesetzt wird. Eine solche leistungssportliche Breite und Vielfalt wie im Rhein-Kreis gibt es anderswo kaum.

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