2. Handball-Bundesliga Eine Hinrunde, in der mehr drin war

Dormagen · Mit einem Sieg im Kellerduell gegen Ferndorf hätten die Dormagener Zweitliga-Handballer mit einem guten Gefühl in den Urlaub gehen können. Dass das nicht klappte, war symptomatisch für einen ersten Saisonabschnitt voller Pleiten, Pech und Pannen.

 Nach der Niederlage in Ferndorf schleichen einige TSV-Spieler enttäuscht vom Feld.

Nach der Niederlage in Ferndorf schleichen einige TSV-Spieler enttäuscht vom Feld.

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Zum Jahresausklang bot sich den Zweitliga-Handballern des TSV Bayer Dormagen die große Chance, eine Hinrunde voller Pleiten, Pech und Pannen doch noch positiv ausklingen zu lassen und mit einem guten Gefühl in die lange EM-Pause bis Anfang Februar zu gehen. Doch irgendwie passte es zu der alles in allem freudlosen Zeit seit Saisonbeginn, dass das nicht gelang. Nach dem euphorisierenden Heimsieg gegen den Aufstiegskandidaten HSG Nordhorn-Lingen am Abend vor dem Weihnachtsfest hätte der TSV eigentlich mit breiter Brust zum Kellerduell gegen Schlusslicht Ferndorf reisen sollen, doch im Gegenteil präsentierte sich die Mannschaft von Trainer Dusko Bilanovic gegen einen wahrlich nicht übermächtigen Gegner von allen guten Geistern verlassen und verlor. So ging es ging es nicht beschwingt und zuversichtlich in den Urlaub, sondern mit großen Sorgen. Dem Traditionsverein droht nach 2016 der nächste Abstieg in die 3. Liga.

Ein Szenario, mit dem in dieser Klarheit nach Platz sieben in der Vorsaison nicht zu rechnen war. Zwar hatten die TSV-Verantwortlichen angesichts der noch mal gesteigerten Qualität, viele sprachen von der stärksten 2. Bundesliga aller Zeiten, darauf hingewiesen, dass es für Dormagen zunächst darum gehe, sich von der Abstiegszone zu entfernen, ehe von mehr gesprochen werden könne. Doch dass die Mannschaft dann in einen Abwärtsstrudel gerät, der vorerst auf dem vorletzten Platz endet, das hatte am Höhenberg sicher niemand auf dem Radar. Schließlich konnte zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen, von welchen Personalsorgen die Mannschaft heimgesucht werden würde. Los ging’s in der Vorbereitung mit dem Halblinken Alexander Senden, bei dem eine Schulter-OP zur Folge hatte, dass er bis heute kein Spiel bestritt. Wobei zumindest ein Teil der Probleme in der Hinrunde hausgemacht sind. Schließlich hatte sich der Verein im Zuge der Kaderplanungen für die laufende Saison dazu entschlossen, die Verträge mit den Leistungsträgern zu verlängern und ihnen dies mit einer leistungsgerechten Anpassung der Bezüge zu versüßen.

Um das gegen zu finanzieren wurde der Kader verkleinert, im Polen Patryk Biernacki als Backup von Ian Hüter zunächst nur ein Spieler von extern verpflichtet. Kurz vor Saisonstart kam im Slowenen Jaka Zurga noch ein Linksaußen dazu, weil unklar war, wann Joshua Reuland nach seinem Kreuzbandriss im April zurückkommen würde. Erst dann war jede Position doppelt besetzt, mit einigen Talenten aus der starken A-Jugend in der Hinterhand. Das Problem: Selbst unter den Doppelbesetzungen gab es noch einige Fragezeichen. Ante Grbavac (Halblinks) hatte eine schwache Vorsaison gespielt, Fynn Johannmeyer (Halbrechts) fast gar nicht und bei Biernacki war zu erwarten, dass er Eingewöhnungszeit brauchen würde. Als dann vom Saisonstart weg von Woche zu Woche eine personelle Hiobsbotschaft nach der anderen folgte, konnte das zwar eine Zeit lang durch taktische Varianten und unbändigen Einsatz kompensiert werden (Heimsiege gegen Bietigheim und Rimpar, ein starkes Spiel bei der Pokalniederlage gegen Lemgo), doch es war bald zu erkennen, dass es dem TSV-Kader angesichts der starken Konkurrenz an Tiefe fehlt, zumal auch die hoch veranlagten Talente aus der A-Jugend immer wieder ausfielen.

Ab einem bestimmten Moment war dann die beängstigende Personalmisere gar nicht mehr zu kontrollieren. Spätestens als sich Spielmacher Ian Hüter vor dem Derby gegen Gummersbach verletzte, kurzzeitig zurückkehrte und nach dem harten Match gegen Großwallstadt bis Jahresende ausfiel, war der Substanzverlust trotz aller Moral und taktischer Kniffe nicht mehr dauerhaft zu kompensieren. Mit dem 18:28-Derbydebakel in Gummersbach setzte eine Serie von elf Spielen ohne Sieg (drei Unentschieden) ein. Übrigens stammt der bisherige Negativrekord der Dormagener Handballgeschichte mit zehn Niederlagen am Stück aus der Spielzeit 2015/16, was den schon erwähnten Abstieg zur Folge hatte. In dieser Misere wurde deutlich, dass sich der TSV in einem Teufelskreis befand: Wegen der vielen Verletzten stieg die Belastung der verbliebenen Spieler, was – kaum gab es Rückkehrer - weitere Ausfälle zur Folge hatte. Trainer Dusko Bilanovic versuchte mit Personalrochaden gegenzusteuern, was teils überraschend gut funktionierte. Etwa, wenn plötzlich Kapitän Patrick Hüter und Linksaußen Tim Mast als Spielmacher agierten oder Rechtsaußen Jakub Sterba auf Halbrechts Dienst tat. Der große Befreiungsschlag gelang aber nicht, auch weil in der entscheidenden Phase oft die Wechseloptionen und damit auch die Kraft fehlten.

Taktisch hielt Trainer Bilanovic grundsätzlich am Erfolgssystem der Vorsaison fest. Einfach ausgedrückt: eine stabile 6:0-Abwehr als Basis für einen rückraumzentrierten Angriff. Die Variante über außen wird sehr selten gesucht. Dass Rechtsaußen Jan Reimer mit 44 Toren drittbester Schütze des TSV ist, liegt daran, dass er häufig die Siebenmeter wirft (30 Tore). Im Vergleich zu vielen Konkurrenten, die während des Spiels ihre Angriffsformation ändern und/oder in der Abwehr umstellen, wirkt das wenig innovativ. Auf der anderen Seite ist es nachvollziehbar, in einer derartigen Krise auf Bewährtes zu setzen. Die Geschäftsführung der Handballer reagierte, indem sie schon früh versuchte, personell nachzubessern. Doch es fügte sich ins unstimmige Gesamtbild, dass die Verpflichtung eines Rückraumspielers platzte, der schon zugesagt hatte. Am Ende war die Verzweiflung so groß, dass der TSV sogar Spielmacher Benjamin Richter zurückholte, den sie noch im Sommer für untauglich erklärt und zum Longericher SC ziehen lassen hatten.

Nach Abschluss der Drittliga-Hinrunde landeten die Dormagener einen Überraschungscoup, indem sie Richter und Oliver Dasburg (TuS Opladen) für die letzten fünf Spiele des Jahres ausliehen. Mit dem 25:25 gegen Aufstiegskandidat TuSEM Essen verlief der Auftakt des Jahresendspurts verheißungsvoll, doch unter dem Strich waren ein weiteres Unentschieden gegen Aue und der Paukenschlag gegen Nordhorn zu wenig, auch weil die Konkurrenz im Tabellenkeller punktete. Am Ende blieb das Gefühl, das symptomatisch für die ganze Hinrunde steht: Trotz aller Schwierigkeiten war mehr drin.

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