Hockey Ungewissheit trübt das Glücksgefühl massiv

Neuss · Julius Hayner ist U21-Nationalspieler im Hockey und arbeitet als freier Mitarbeiter für die NGZ-Sportredaktion. In seiner Reportage beschreibt er, was zwei Monate Corona-Zwangspause und die behutsame Wiederaufnahme des Trainings für Leistungssportler bedeuten.

 In der wegen der Corona-Pandemie noch unterbrochenen Saison der 2. Bundesliga Nord traf Julius Hayner (r.) mit dem Düsseldorfer HC auf sein für den HTC SW Neuss tätiges Hockey-Idol Sebastian Draguhn.

In der wegen der Corona-Pandemie noch unterbrochenen Saison der 2. Bundesliga Nord traf Julius Hayner (r.) mit dem Düsseldorfer HC auf sein für den HTC SW Neuss tätiges Hockey-Idol Sebastian Draguhn.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Im Idealfall würde ich gerade  mit meiner Mannschaft des Düsseldorfer HC mitten im Aufstiegskampf der 2. Feldhockey-Bundesliga stecken. Doch die Corona-bedingte Zwangspause machte dem Rückrundenstart einen Strich durch die Rechnung. Eine Situation, mit der im Frühjahr noch keiner nur im Geringsten gerechnet hatte und die sowohl große als auch persönliche Höhepunkte zunächst auf unbestimmte Zeit verschiebt.

Die Nachricht von der plötzlichen Einstellung des Trainings -und Spielbetriebs traf mich zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Nach einer nicht zufriedenstellenden, am Ende dennoch glimpflich verlaufenen Hallensaison, in der wir den Abstieg aus der Bundesliga  mit Glück abwenden konnten, freuten wir uns nach zwei Monaten schweißtreibenden Athletiktrainings auf die ersten „reinen“ Hockeyeinheiten. Die Freude über den Trainingsauftakt währte jedoch gerade einmal zwei Wochen. Das fünftägige Trainingslager in Barcelona, das den Höhepunkt der Vorbereitung bilden sollte, wurde frühzeitig abgesagt, die gesamte Klubanlage gesperrt und schnell wurde jedem bewusst, dass auch die im April startende Saison nicht wie geplant stattfinden würde.

Das als „schweren Schicksalsschlag“ zu bezeichnen, wäre aufgrund der lebensbedrohlichen und für manche existenzvernichtenden Auswirkungen der Corona-Krise  vermessen. Dennoch zog es vielen Leistungssportlern, zu denen Hockeyspieler nun einmal gehören, den Boden unter den Füßen weg.  Hockeyspieler spielen nicht für horrende Gehälter, ein Millionenpublikum oder Fernsehsender. Als Hockeyspieler arbeitest du individuell oder gemeinsam mit dem Team auf Höhepunkte zu und betreibst deinen Sport aus Leidenschaft. Monetäre Gründe spielen da kaum eine Rolle.

Ein solches Highlight wäre für mich der 9. Mai gewesen. Das Zweitligaspiel gegen den HTC Schwarz-Weiß Neuss wäre mein erstes Spiel an der Jahnstraße gegen meinen Kindheitsverein gewesen, nachdem ich 2014 in der Landeshauptstadt meine neue sportliche Heimat gefunden hatte. Ganz nebenbei hätte ich auch meinem Bruder gegenüber gestanden, der das Tor der Neusser hütet. Für viele wäre das an diesem Tag nur eine Randnotiz gewesen, doch für mich ein unumstrittener emotionaler Höhepunkt meiner jungen Karriere.

Doch auch auf anderen Ebenen muss man sich vorerst in Geduld üben. Für meinen Traum von der U21-Junioren Weltmeisterschaft in Indien 2021 würde ich zur Zeit nahezu täglich trainieren. Doch per Videokonferenz teilte uns der Bundestrainer wenig überraschend mit, dass alle Maßnahmen, darunter Turniere in Madrid, England, Schottland und Malaysia, für dieses Jahr abgesagt wurden. Der Traum von „Indien 2021“ ist somit erst einmal kaum noch greifbar.

Die Frage, wann es wieder normal weitergeht, wurde von Tag zu Tag lauter in meinen Kopf. Dementsprechend groß war die Freude, als es im Zuge der Lockerungen hieß, dass der Trainingsbetrieb wieder aufgenommen werden darf. Home-Workouts und Ausdauerläufe haben es nun mal so an sich, dass sie den Reiz eines Mannschaftstrainings nicht ersetzen können. Seit nunmehr drei Wochen trainieren wir wieder mit der Mannschaft. Alles unter strengen hygienischen Auflagen und in kleineren Gruppen.

Natürlich überwog zu Beginn die Freude, dass man seiner sportlichen Leidenschaft wieder nachgehen konnte. Ernüchternd stellten die meisten jedoch bald fest, dass „Mannschaftssport“ im ursprünglichen Sinne bei Einhaltung des Mindestabstands nur begrenzt realisierbar ist. Es ist ein Schritt zurück in Richtung Normalität, aber vorerst nur ein kleiner. Denn die Frage, die einem im Kopf schwirrt, kann bislang noch keiner beantworten: „Wann geht es wieder normal weiter?“

Wieder auf dem Rasen zu stehen, gegen den Ball zu schlagen und seine Mannschaftskollegen zu sehen ist angesichts der wochenlangen Pause ein echtes Glücksgefühl. Die Ungewissheit über die Zukunft trübt dieses jedoch massiv. Keiner weiß momentan so recht, wofür man trainiert, wie lange die derzeitige Situation andauert. Vollkommen erfüllen kann die momentane Situation die Sehnsucht nach dem Sport nicht. Trotzdem ist es „besser als nichts“.

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