Jüchen Gymnasiast schreibt Umsiedlungs-Buch

Jüchen · Die verlassenen Straßen von Alt-Holz haben Christian Kandzorra (17) fasziniert – so sehr, dass sich der Gymnasiast intensiv mit der Umsiedlung beschäftigte. Das Ergebnis: ein 172-Seiten-Buch mit vielen Fotos des abgebaggerten Ortes.

Die verlassenen Straßen von Alt-Holz haben Christian Kandzorra (17) fasziniert — so sehr, dass sich der Gymnasiast intensiv mit der Umsiedlung beschäftigte. Das Ergebnis: ein 172-Seiten-Buch mit vielen Fotos des abgebaggerten Ortes.

Nicht jeder Autor weiß bei den ersten Seiten, wie sein Buch enden wird. Christian Kandzorra (17) wusste es. Denn sein Buch beschreibt das Ende eines tausendjährigen Dorfes: "Holz: Der Umzug eines Dorfes im Niederrheinischen Braunkohlenrevier".

Wer sich mit dem Gymnasiasten über die Umsiedlung des 500-Seelen-Orts unterhält, spürt nach wenigen Sekunden: Hier ist jemand fasziniert. Jemand, der auf die Frage "Was ist hier passiert?" nicht nur Antworten finden möchte, sondern auch aktiv nach ihnen sucht. Einfach, indem er an einer Tür in Neu-Holz klingelt. Den Namen auf dem Klingelknopf wird der junge Gierather nicht mehr vergessen: Es war der von Herbert Dederichs, Mitglied im Bürgerbeirat. Noch heute haben die beiden Kontakt, haben oft über die Umsiedlung gesprochen. Herbert Dederichs war es auch, der dem Schüler weitere Türen in Neu-Holz öffnete. Der zunächst abstrakte Begriff "Umsiedlung" erhielt für Christian Kandzorra, der sie selbst nicht erlebt hatte, menschliche Züge. Heute sagt Kandzorra: "Dass ich bei Herbert Dederichs geklingelt habe und er sich mit mir unterhielt, war ein glücklicher Zufall."

Denn bei seinen Rundgängen durch den Umsiedlungsort hat Christian Kandzorra auch erlebt, dass Türen rasch wieder geschlossen wurden: Der Verlust der Heimat, das Aufgeben des alten Zuhauses und des sozialen Umfelds — das waren Erlebnisse, die manche Menschen zum Weinen brachten und schweigen ließ: "Nicht jeder konnte und wollte sich mit mir über die Umsiedlung unterhalten", erinnert sich der 17-Jährige. Doch er gab nicht auf: Radelte immer wieder von Gierath nach Neu-Holz, ließ sich Erinnerungen der Umsiedler erzählen, verbrachte viele Stunden bei Gemeindearchivar Axel Bayer und Mitarbeiterin Ariane Rhöse, machte Fotos, nahm Kontakt zu weiteren Fotografen wie Gerd Behr auf. Und als sein Onkel ihn fragte: "Willst du daraus nicht ein Buch machen?", war "Ja" für Christian Kandzorra die einzig mögliche Antwort.

Verlassene Straßen, aufgegebene Gebäude, die zugemauerte Loreto-Kapelle — der Eindruck eines Geisterdorfs war 2007 der Impuls für Kandzorras Projekt: "Ich stand dort und fragte mich ,Was ist hier geschehen, dass Menschen ihre Heimat aufgegeben haben?'"

Rund 30 Nachmittage verbrachte der Gymnasiast allein in Neu-Holz. 2009 begann er zu schreiben: "Ich habe immer nur so lange geschrieben, wie es mir Spaß machte." Was sein Buch, das mit Unterstützung des Fördervereins Gemeindearchiv Jüchen und der Sparkasse Neuss erschienen ist, sein soll: "Keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern ein Buch für die Menschen von Holz." Als Erinnerung an die verlorene Heimat.

Und Christian Kandzorra? Pläne für ein weiteres Buch hat er nicht. Doch eine andere Frage, die ihn fasziniert, wird er sicher finden.

(NGZ/ac)
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