Andrasch Starke fehlte bei der Championatsehrung "Gutes Geld gibt es momentan nur im Ausland"

Von Volker Koch

Von Volker Koch

Detlef Meimann schaute ein wenig verkniffen drein, als er den frischgekürten Deutschen Meistern des Galopprennsports nach der Championatsehrung im Neusser Rennbahnrestaurant mit einem Glas Sekt zuprostete. Nach Feiern war dem Chefmanager des deutschen Galopprennsports, einstmals auch Vorstandsmitlgied beim gastgebenden Neusser Reiter- und Rennverein, auch am letzten Tag des Jahres nicht zu Mute. Gruppenbild mit Champions - anläßlich der Ehrung stellten sich NGZ-Fotograf Andreas Woitschützke vor die Linse: Sabrina Schwinn, Susanne Santesson aus der Rennleitung, Matthias Schwinn, Benjamin Clös, Turf-Chefmanager Detlef Meimann, Horst Steinmetz, Andreas Göritz, Rennvereins-Vorstand Matthias Sievering, Peter Gehm, Christian von der Recke und Andreas Schütz (v.l.).

Wer will es ihm verdenken, schließlich sind die Probleme der Turfszene nicht geringer geworden seit seinem Amtsantritt vor etwas über einem Jahr, im Gegenteil: "Die Aufgabe meiner Vorgänger war es, den Galopprennsport weiterzzuentwickeln. Meine ist es, ihn überhaupt am Laufen zu halten", umschreibt Meimann die Stimmungslage in einer von dramatischen Umsatzrückgängen geplagten Branche.

Neuss und sein Silvesterrenntag waren da symptomatisch: Der Besuch auf der Bahn am Hessentor war hervorragend, vier- bis fünftausend Menschen werden es gewesen sein an diesem bitterkalten, aber strahlend sonnigen Silvestertag. "Bei einem solchem Besuch hätten wir früher 1,1 bis 1,2 Millionen Mark umgesetzt", erinnerte sich Reinhard Bochmann, langjähriger Geschäftsführer des Neusser Reiter- und Rennvereins. Solche Zahlen gehören der Vergangenheit an, und das nicht nur, weil schon Dienstag, am ersten Renntag des neuen Jahres auf der Dortmunder Allwetterbahn, das Wettgeschäft in Euro getätigt wurde.

"Die konjunkturelle Lage schlägt voll durch", weiß Bochmann um einen Grund für die bescheidenen Zahlen. Der andere sind die aufgrund des immer noch andauernden "Fernsehstreits" im Buchmacherlager ausbleibenden Außenwetten. Das summiert sich leicht auf eine Viertelmillion Mark, schließlich flossen am Silvesterrenntag genau 750.000 Mark durch die Totokassen. "Damit müssen wir in der momentanen Lage mehr als zufrieden sein", sah Rennvereins-Geschäftsführer Dr. Bernd Koenemann noch einen halbwegs versöhnlichen Jahresabschluss, für den aber in erster Linie die Wetter auf der Bahn sorgten. Wären im siebten Rennen nicht nur vier statt der ursprünglich genannten sieben Pferde gestartet, der Umsatz wäre wohl endlich wieder über die 800.000-Markgrenze geklettert.

Was an Umsatz fehlt, kann natürlich auch nicht ausgeschüttet werden. So erklärt es Andreas Schütz, zum zweiten Male in Folge Trainerchampion bei den Flachrennen geworden, warum seine besten Pferde mehr im Ausland als auf deutschen Bahnen zu sehen sind: "Man muss halt dahin gehen, wo es das meiste Geld gibt - und das ist eben im Moment im Ausland", erklärte Schütz bei der Championatsehrung, die Turf-Experte Daniel Delius in gewohnt souverän-lockerer Form moderierte. Auch in dieser halben Stunde war deutlich zu spüren: So recht zum Lachen ist zurzeit keinem zumute in der Galoppbranche.

Den fröhlichsten Eindruck hinterließen noch die, die ihre Pferde weitgehend aus Enthusiasmus trainieren und reiten: die Amateure und die Besitzertrainer. "Ohne diese Leute gäbe es unseren Sport überhaupt nicht mehr", machte Delius deutlich, dass der Rennbetrieb allein von den "Profi-Ställen" in Deutschland kaum aufrecht zu erhalten wäre.

Matthias Schwinn aus dem Saarland ist so einer dieser Leute: "Dieses Jahr rechnet sich gut, weil ich durch meinen landwirtschaftlichen Betrieb die meisten Dinge selbst produziere", gestand der Champion der Besitzertrainer, der es in den vergangenen zwölf Monaten auf 41 Siege brachte. 23 davon erritt seine Tochter Sabrina, was die 16-Jährige zur jüngsten Amateurchampionesse machte. "Im letzten Jahr hatten wir mit Bruno und Elke Schütz erstmals ein Ehepaar zu ehren, diesmal mit Matthias und Sabrina Schwinn erstmals Vater und Tochter", hatte Delius' Archivarbeit ein Novum in der Geschichte der Championatsehrungen zutage gefördert. Ein familiäres Verhältnis, das gewiss nicht immer unproblematisch ist, wie Sabrina Schwinn zugab. Auf die Frage, wie denn die Abendessen in der Familie abliefen, antwortete sie in sympathischer Offenheit: "Das läuft bei uns so ab, dass man eigentlich nie zufrieden ist."

Dabei offenbarte Matthias Schwinn eine hausgemachte Philosophie, ohne die man als Besitzertrainer wohl nicht überleben kann - zumal, wenn man aus dem Saarland zu den meisten Bahnen eine lange Hin- und Rückreise bewältigen muss: "Läuft ein Pferd gut, ist der Heimweg nur noch halb so weit".

Ob dieses Motto auch für ihn gilt, ließ Christian Freiherr von der Recke offen. Zum achten Male durfte der Freiherr aus Weilerswist den Titel des Trainerchampions bei den Hindernisrennen entgegennehmen - was freilich keine Überraschung darstellte: Er ist der einzige deutsche Trainer, der sich diesem hierzulande immer seltener werdenden Sport verschrieben hat. Kein Wunder, dass er zumeist im Ausland laufen lässt: Zwölf verschiedene Länder waren es im vergangenen Jahr, in denen seine Pferde starteten. 34 Siege gelangen ihm in Hindernisrennen, doch davon allein kann er bei mehr als neunzig Pferden im Stall nicht leben: Deshalb gingen auch noch achtzig Siege in Flachrennen auf sein Konto, insgesamt mehr, als die Pferde von Andreas Schütz nur auf der Flachbahn zusammengaloppierten: Die beiden Siege von Illamira und Fairy Wind am Silvestertag in Neuss ließen diese Zahl des Trainerchampions auf 101 anwachsen.

19 mehr bescherten seinem Stalljockey Andrasch Starke zum zweiten Mal in Folge das Championat. Dennoch fehlte er bei der Ehrung, was aber niemanden überraschen konnte: Starke ist zurzeit wegen Dopingverdachts gesperrt, nachdem er kurz vor Weihnachten in HongKong mit einer positiven A-Probe ausfiel. Die Öffnung der B-Probe steht noch aus, "deshalb möchte ich mich zu diesem Fall auch nicht äußern, schließlich ist es ein schwebendes Verfahren", hüllte sich Andreas Schütz in Schweigen. Das tut derzeit auch Andrasch Starke: Der 27-Jährige ist zwar nach Deutschland zurückgekehrt, aber für niemanden zu erreichen.

Das kann man über Horst Steinmetz nicht sagen, auch wenn er die Ehrung gewohnt bescheiden und wortkarg über sich ergehen ließ. Mit 36 Siegen war er erneut der erfolgreichste aus der Neusser Trainerzentrale, sattelte im vergangenen Jahr Pferde in 589 Flach- und 21 Hindernisrennen. Manchmal mit herausragenden Erfolgen, so gewann er mit Adare Manor, Nicara, Bedford Set und Bedford Forrest gleich mehrere Listenrennen. Benjamin Clös, mit 42 Siegen der erstmals überhaupt geehrte "Champion der Azubis", ritt für ihn zuletzt noch Major Blade zum Sieg im Halleschen Auktionsrennen, obwohl er ursprünglich gar nicht für diesen Ritt vorgesehen war. Manchmal aber auch mit Enttäuschungen, was den Senior unter den Trainern aber nicht umhauen kann: "Pferde sind halt keine Maschinen."

(NGZ)
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