Galopp „Ich vermisse die Atmosphäre in Neuss“

Neuss · Trainer Axel Kleinkorres erinnert sich mit ganz viel Wehmut an die stimmungsvollen Heiligabende auf der Neusser Galopprennbahn am Hessentor.

Eine schmerzlich-schöne Erinnerung: Im Dezember 2019 fand auf der Bahn am Hessentor in Neuss der letzte Renntag statt.

Eine schmerzlich-schöne Erinnerung: Im Dezember 2019 fand auf der Bahn am Hessentor in Neuss der letzte Renntag statt.

Foto: Klaus-Joerg Tuchel

Am Silvestermorgen fährt der Galoppertrainer Axel Kleinkorres erneut (nach dem Ende  2019 in Neuss) zu einer ungewöhnlichen Beerdigung. „Ich muss dabei sein, wenn in Dinslaken die letzten Rennen gelaufen werden.“ Nach 68 Jahren wird die Trabrennbahn am Bärenkamp in der Kleinkorres-Heimatstadt Dinslaken geschlossen, das Gelände wird Bauland. Kleinkorres hat im Alter von 17 Jahren  bei den Trainern Lothar Rudnik und Fritz Beckmann seine Ausbildung zum Trabnennfahrer absolviert. Insgesamt stehen rund 400 Siege im Sulky in seiner Vita. Viele davon (schon als Lehrling) auf dem Halbmeilenkurs in Dinslaken. „Dort kam es mehr auf die Taktik an. Man konnte auch mit schwächeren Pferden gewinnen. Auf den großen Bahnen in Recklinghausen und Gelsenkirchen war das schwieriger.“ 

Später (nach Gastspielen in Berlin) hat er sich – die Probleme im dahinsiechenden Trabrennsport ahnend – dem Galopprennsport zugewendet. Aber auch hier ist er ungewollt eine Art Beerdigungs-Experte, denn 15 Jahre lang arbeitete er am Hessentor in Neuss. Er verließ die Bahn wegen der Insolvenz des Rennvereins und der anderen Pläne der Stadt mit großem Bedauern. Seit April 2020 ist der 64-jährige wieder am Raffelberg in Mülheim an der Ruhr tätig.

 Mit dem von Andreas Helfenbein gerittenen Matchwinner gewann Axel Kleinkorres (r.) den Preis der Einheit 2017 in Hoppegarten.

Mit dem von Andreas Helfenbein gerittenen Matchwinner gewann Axel Kleinkorres (r.) den Preis der Einheit 2017 in Hoppegarten.

Foto: Frank Sorge

Axel Kleinkorres erinnert sich mit Wehmut an die Heiligabende auf der Bahn in Neuss: „Ich war immer schon um 6 Uhr im Stall. Später kamen viele der Besitzer und brachten den Pferden Möhren und Äpfel mit und auch für die Mitarbeiter im Stall gab es Geschenke.“ Kleinkorres ist überzeugt: „Die Pferde haben sehr wohl bemerkt, dass es ein besonderer Tag war. Es wurde ihnen noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt als sonst. Außerdem kam oft Peter Ritters vom Rennverein als Weihnachtsmann.“ Am frühen Nachmittag verließ Kleinkorres den Stall, fuhr zunächst in seine Wohnung nach Meerbusch und besuchte am Abend seine mittlerweile verstorbenen Eltern in Dinslaken.

Neuss war für Kleinkorres ein positiver Abschnitt seines ungewöhnlichen Berufslebens. Er kam von einem einjährigen Gastspiel im Trainingsgelände von Schloss Arff in Köln-Worrigen nach Neuss, vorher arbeitete er schon einmal in Mülheim. Die größten Erfolge schaffte er in Neuss mit Shinko‘s Best 2006 in Hannover und 2017 mit dem populären Hengst Matchwinner im Preis der Deutschen Einheit in Hoppegarten. Dieser Erfolg weckte sogar in dem sonst so gelassenen ehemaligen Dreispringer erkennbare Emotionen.

Einzige Neusser Besitzer war zuletzt das Ehepaar Erika und Dieter Ulbricht. Sie sind mit ihm auch nach Mülheim gezogen. Derzeit steht allerdings kein Ulbricht-Pferd bei Kleinkorres. Nach dem Abschied 2020 hat Kleinkorres die Anlage (auf der 2026 eine Landesgartenschau geplant ist) noch mehrfach besucht, sein Steuerberater hat das Büro in der Nähe. Den alten Stall nutzt die Stadt als Abstellraum für   Gerätschaften. In Mülheim betreut Kleinkorres 37 Pferdes, zwölf davon zählen zu den Syndikaten (Besitzergemeinschaften) von Helmut Kappes. Der 65-jährige ist ein langjähriger Weggefährte von Kleinkorres. 20 Rennen haben die Kleinkorres-Pferde in dieser Saison gewonnen.

Der Trainer sagt trotzdem: „Es ist auch in Mülheim nicht alles Gold, was glänzt.“ Der sich nach heftigen Querelen ins Präsidentenamt gedrängte Unternehmer Werner Krüger wird bald 80 Jahre und lebt in Berlin. Jahrelang ließ er seine Pferde bei  Kleinkorres in Neuss trainieren. Vor Ort vertritt die Allzweckwaffe Karl  Trybuhl jr. die Präsidenten-Interessen.  

Axel Kleinkorres erscheint am Heiligabend wie in Neuss um 6 Uhr im Stall. „Ich vermisse die Atmosphäre in Neuss. Vor allem vor dem Umbau herrschte dort zu Weihnachten eine sehr heimelige Atmosphäre. Das Restaurant und die Wetthalle waren geschmückt, einfach schön.“ Trotz der Erfolge mit den Pferden bewegte 2022 ein anderes Ereignis seine Gefühlswelt: Der  Fußballverein des Herzens Werder Bremen hat sich in der 1. Bundesliga stabilisiert. Oft erkennt man an der Kleidung, wem seine Zuneigung  gehört.

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