Lokalsport Gänsehaut-Atmosphäre im Radsportdorf

Büttgen · Rund 10.000 restlos begeisterte Zuschauer bereiten der Tour de France in Büttgen einen unvergesslichen Empfang.

 Udo Hempel, Günter Haritz, Jürgen Colombo, Günther Schumacher (v.l.). Udo Hempel, Günter Haritz, Jürgen Colombo, Günther Schumacher (v.l.).

Udo Hempel, Günter Haritz, Jürgen Colombo, Günther Schumacher (v.l.). Udo Hempel, Günter Haritz, Jürgen Colombo, Günther Schumacher (v.l.).

Foto: Tinter Anja

Hans-Peter Durst benötigte nur zwei Worte, um die Stimmung im Radsportdorf Büttgen auf den Punkt zu bringen: "einfach geil!" Dem Paracycler, zweimaliger Goldmedaillengewinner bei den Paralympics in Rio, war die Größe des Augenblicks ebenso bewusst wie Kaarsts Bürgermeisterin Ulrike Niehaus: "Das ist ein denkwürdiger und einzigartiger Tag. Denn, auch wenn es schmerzt, keiner von uns wird es erleben, dass die Tour de France noch mal durch Büttgen fährt."

Lokalsport: Gänsehaut-Atmosphäre im Radsportdorf
Foto: Tinter Anja

Also gaben die Sportstadt Kaarst und das Radsportdorf Büttgen Vollgas - und zwar in jeder Beziehung. Trotz allenfalls semioptimaler Wetterbedingungen brachte die nur rund 6200 Einwohner zählende Ortschaft am Niederrhein mit Unterstützung der Nachbarn Kaarst, Driesch, Holzbüttgen und Vorst gut 10.000 Menschen auf die Beine. Eine beeindruckende Kulisse, die Friedhelm Kirchhartz, gemeinsam mit Franz-Josef Kallen, Udo Hempel Frank Ahlert, Markus Fothen und Günther Schumacher Motor der Initiative Tour-hautnah in Büttgen, als Bestätigung wertete: "Die Leute danken uns mit den Füßen, das ist grandios."

Trotz Confed-Cup in Russland und U21-EM in Polen - selbst König Fußball spielte gestern nur die zweite Geige. Berti Vogts, Weltmeister 1974 und als Trainer 1996 Europameister, begnügte sich in seinem Heimatdorf mit der Rolle des stillen Beobachters. Die Bühne überließ er anderen, etwa Joop Zoetemelk. Der erfolgreichste niederländische Radrennfahrer ist eine Tour-Legende: 1980 gewann der inzwischen 70-Jährige die Frankreich-Rundfahrt, sechsmal belegte er Platz zwei. Bei 16 Teilnahmen erreichte er immer das Ziel in Paris, trug an 22 Tagen das Gelbe Trikot des in der Gesamtwertung Führenden und gewann zehn Etappen. Dabei hielt sich der Olympiasieger von 1968, der 1985 mit 38 noch mal Straßenrad-Weltmeister wurde, stets an eine einfache Regel: "ein gutes Frühstück und viel trinken." In Büttgen befand sich der ehemalige Weltklasse-Pedaleur in bester Gesellschaft. Wohl selten zuvor dürften an einem Ort so viele Olympiasieger sowie ehemalige Welt- und Deutsche Meister zusammengetroffen sein.

Am Mikrofon von Udo Hempel ("Wow! Die Tour de France fährt an meinem Haus vorbei.") tauchten Größen wie Jürgen Colombo, Günter Haritz und Günther Schumacher (holten 1972 mit Hempel Olympia-Gold im Bahnvierer), Jens Lehmann (Olympiasieger 1992 in Barcelona), Rolf Gölz (WM-Sieg 1983 mit dem Bahnvierer) oder auch Edith Schönenberger (war in den 1980er Jahren die erfolgreichste Radrennfahrerin der Schweiz) auf. Dann jedoch übernahmen Vorjahressieger Chris Froome & Co. Schon als die vier Ausreißer um 14.03 Uhr den brodelnden Rathausplatz erreichten, herrschte Gänsehaut-Atmosphäre, endgültig in Verzückung geriet das Publikum, als rund zwei Minuten später das Hauptfeld mit dem späteren Etappensieger Marcel Kittel vorbeirauschte. Dass der Regen kurz darauf an Intensität zunahm, tat der Begeisterung keinen Abbruch. Ein Radsportdorf feierte sich und die Tour der France.

Und während die Fahrer noch mehr als 400.000 Pedalumdrehungen von Paris trennen, blickte Kallen bereits voraus. Lachend kündigte er an: "Als nächste Großveranstaltung holen wir die Fußball-WM nach Büttgen. Katar 2022 steht ja auf der Kippe ..!"

(NGZ)
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