Galopp Was Sankt Moritz mit Neuss verbindet

Neuss · Nicht selten holen sich Pferde auf dem Sand der Neusser Rennbahn die nötige Kondition für einen Start beim White Turf im Schweizer Nobelort St. Moritz. Lips Legend gewann dort – und startet am Sonntag wieder in Neuss.

 Lips Legend mit Franco Moro (r.) beim Sieg im Skijöring auf dem zugefrorenen See von St. Moritz. Morgen startet der von Christian von der Recke trainierte vierjährige Wallach wieder beim Renntag auf der Neusser Galopprennbahn.

Lips Legend mit Franco Moro (r.) beim Sieg im Skijöring auf dem zugefrorenen See von St. Moritz. Morgen startet der von Christian von der Recke trainierte vierjährige Wallach wieder beim Renntag auf der Neusser Galopprennbahn.

Foto: dpa/Peter Klaunzer

Am vergangenen Sonntag ging auf dem zugefrorenen See von St. Moritz im Oberengadin das mondäne White-Turf-Meeting zu Ende. Im Gegensatz zu früheren Jahren hielt sich die Beteiligung der deutschen Galopp-Trainer und Besitzer an den drei Sonntagen in Grenzen: zu teuer, zu viele Risiken mit der Witterung.

Ein Trainer allerdings war wie immer präsent: der mehrfache Champion Christian von der Recke aus Weilerswist im Kreis Euskirchen. Für ihn ist St. Moritz mehr als nur ein ungewöhnlicher Ort für Pferderennen. Zur Philosophie des vielseitigen Freiherrn zählt der Handel mit Pferden. Kein anderer Trainer beherrscht das Transfergeschäft so virtuos wie er. Den neuesten Beweis lieferte er am Sonntag im unverändert sündhaft teuren Olympiaort mit seiner weltweit einzigen Naturbobbahn mit der legendären „Horseshoe-Kurve“ auf dem Weg von St. Moritz nach Celerrina und der benachbarten Cresta-Rennstrecke für die besonders Mutigen, einst auch ein beliebter Auftrittsort von Gunter Sachs.

Denn im Stall von Christian von der Recke war der vierjährige Wallach Lips Legend gelandet. Der vorherige Besitzer wollte sich (um fast jeden Preis) von diesem im Gestüt Graditz in Torgau an der Elbe aufgezogenen Pferd trennen. Von der Recke: „Er war ihm einfach zu langsam. Auch Versuche über Hindernisse gingen schon im Training daneben.“ Der Besitzer war Hans-Dieter Lindemeyer aus Taucha in Sachsen, in der Wendephase nach einem Besuch des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder in seinem Computer-Unternehmen Lintec schon als „Bill Gates von Sachsen“ gefeiert. Später gab es eine krachende Insolvenz. Den Rennpferden aber blieb Lindemeyer treu. Christian von der Recke schmiedete einen Plan: „Lips Legend ist am 20.Januar in Neuss gelaufen. Dort sollte er sich Kondition für das Skijöring auf dem See holen. Beim ersten Mal klappte das auch nicht, der Schneeboden war zu dicht und nicht schnell genug.“

Mittlerweile hatte der einst (1978 im Preis vom Südpark im toten Rennen zwischen Standard mit ihm und Liara mit Peter Brauer) schon als Reiter in Neuss siegreiche Vollblut-Profi für Lips Legend in St. Moritz einen Käufer gefunden. Allein dieser Transfer an Jürgen Richard Langrock aus dem oberbergischen Engelskirchen wäre filmreif. Auf dem Weg nach St. Moritz machte der häufig auch bei den Rennen in Neuss weilende Langrock Station im Züricher Schauspielhaus und erreichte mit dem Glacier-Express den nicht weit vom See entfernten Bahnhof von St. Moritz. Christian von der Recke verkündete ihm und dem Publikum schon vor dem Skijöring-Start: „Heute gewinnt Lips Legend. Der Boden ist fest und schnell.“ Mit Franco Moro an den Seilen bei seinem zwanzigsten Sieg in dieser kuriosen Disziplin (die Rennpferde ziehen die Fahrer) besiegte Lips Legend auch die Stute Usbekia, die ebenso wie Lips Legend am 20. Januar in Neuss lief, hier aber gewann, während Lips Legend fast unerkannt auf Platz sechs landete. „Ohne den Start in Neuss wäre der Erfolg in St. Moritz nie gelungen,“ bilanzierte Christian von der Recke, der erneut seine Flexibilität bewies. Mittlerweile hat er auch die völlig unerwartete Zweisatz-Niederlage im Tischtennis im Jahre 1978 gegen einen scheinbar völlig unbeweglichen Journalisten verkraftet.

Als sechste Prüfung wird morgen das „Neusser Rennen für Hindernispferde“ gestartet. Es kam auf Wunsch von Karen Kaczmarek aus Bad Harzburg ins Programm. Das ist die Präsidentin des Besitzer-Trainer-Verbandes, ihr liegt die Pflege des Hindernissports besonders am Herzen.  Diese eigentlich so populäre Disziplin ist in Deutschland weitgehend von der Bildfläche verschwunden – gepflegt werden solche Rennen beständig noch in Bad Harzburg und Mannheim.

Sieben Pferde sind für diesen Aufgalopp morgen am Start. Natürlich auch mit einem Pferd aus dem von der Recke-Stall. Es ist der bereits sechsjährige Hengst Russian Flamenco aus dem Hamburger Rennstall Darboven, den Miguel Lopez reitet. Das Pferd ist im Darboven-Gestüt Idee in Hamburg-Rissen unweit des Elbstrandes aufgewachsen – Ausflüge an den Strand sind nicht selten. Auch für den Auftritt von Russian Flamenco ist der Trainer optimistisch: „Eigentlich müsste er gewinnen.“ Die Gegner werden ihm allerdings einen heißen Tanz über die 3,2 Kilometer auf dem Neusser Sand liefern.

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