Galopp Rennbahn kämpft um ihre Überlebenschance

Neuss · Viertausend Besucher, darunter viele Familien mit Kindern, und  erstmals seit langem wieder ein Wettumsatz im sechsstelligen Bereich – die Neusser Galopprennbahn sandte mit dem letzten Renntag des Jahres ein deutliches Lebenszeichen in die Welt.

 Es war voll auf der Neusser Galopprennbahn am letzten Renntag des Jahres, so voll wie lange nicht mehr,  wobei viele Familien mit Kindern  unter den 4000 Besuchern waren.

Es war voll auf der Neusser Galopprennbahn am letzten Renntag des Jahres, so voll wie lange nicht mehr, wobei viele Familien mit Kindern unter den 4000 Besuchern waren.

Foto: Klaus-Joerg Tuchel

Die vier Herren mittleren Alters waren aus Iffezheim nach Neuss gekommen. Jetzt standen sie in der Wetthalle und verteilten die Beute, die sie in den sieben Rennen am Wettschalter gemacht hatten – ein paar große Scheine wanderten von einem Portemonnaie ins andere. „Bei uns gibt es im Winter ja keine Rennen,“ erläuterte der eine den Grund für die 375 Kilometer lange Reise an einem trüben und kalten Samstagmorgen. „Wir müssen die Bahn hier doch unterstützen, damit eure Politiker nicht auf die Idee kommen, sie zu schließen,“ sagte der andere. In die ausliegenden Unterschriftslisten zum Erhalt des seit 1875 beinahe ununterbrochen für Galopprennen genutzten Geländes am Hessentor hatten sich die Vier bereits eingetragen.

Und nicht nur sie. „Die Resonanz war hervorragend,“ stellte Jan Antony Vogel gegen 15 Uhr fest, als die letzten Pferde den Absattelring verließen. Und meinte damit nicht allein die Beteiligung an der Unterschriftenaktion. 4000 Besucher waren zum letzten Renntag der Saison auf die krisengeschüttelte Bahn gekommen, viele Familien mit Kindern, viele Pärchen und Gruppen in den Mittzwanzigern darunter. „Genau das, was wir brauchen, damit der Galopprennsport in dieser Stadt wieder Akzeptanz findet,“ sagt der Präsident des Neusser Reiter- und Rennvereins.

Dass viele eher wegen des üppigen Streetfood-Angebotes als der galoppierenden Pferde wegen gekommen sind, nimmt er erst einmal in Kauf: „Wir müssen die Leute behutsam an die Materie heranführen, dann kommen sie wieder.“ Eine Beobachtung, die Dustin Thissen von der veranstaltenden Eventagentur gemacht hat, gibt Vogel Hoffnung, dass das gelingt: „Beim ersten Renntag blieben die meisten Besucher die ganze Zeit über an den Ständen. Jetzt gehen sie sich die Rennen angucken und kommen dann wieder.“ In der Tat herrschte auf den Erdwällen, die die abgerissene Tribüne ersetzen (sollen), drangvolle Enge, sobald Rennkommentator Pan Krishbin verkündete, die Pferde seien jetzt in ihren Startboxen.

Selbst der meist nur von Turfexperten frequentierte Führring war gut besucht. Und die Ehrung der „Deutschen Meister“ des Galoppsports mit dem neunfachen Jockey-Champion Andrasch Starke („Ich wollte unbedingt noch einmal Champion werden, auch wenn es mein bisher kraftraubendstes Jahr war“) an der Spitze hatte endlich mal die Kulisse, die dieser Anlass verdient. Wobei es Moderator Daniel Delius versäumte, einem der Beteiligten ein paar Worte zu entlocken, welche Bedeutung die Neusser Bahn für die Galoppszene besitzt. Jockey-Legende Hein Bollow, mit seinen 98 Jahren vital wie eh und je, der für seine fünfminütige, frei vorgetragene Laudatio auf die Galoppfamilie Schiergen (mit Amateurchampion Vinzenz) Szenenapplaus erhielt, hätte sicher gerne etwas dazu gesagt. Oder Trainerchampion Markus Klug, der preisgab, dass ihn die Beschäftigung mit dem (Galopp-)Sport vor allem eines gelehrt hat: „Demut“.

Die stünde auch denen gut zu Gesicht, die über die Zukunft der Rennbahn entscheiden. Die Chance, sich zu informieren und vielleicht mal die berühmte „Volkes’ Stimme“ einzuholen, nutzten nur wenige. Und die kamen auch noch aus dem politischen Lager, das sich mit einem „Aus“ ohnehin nicht anfreunden kann. „Wir werden für den Erhalt der Bahn kämpfen, aber das wird ein hartes Stück Arbeit,“ sagt Helga Koenemann. Die Chefin der CDU-Stadtratsfraktion hatte sich an allen drei nach dem „neuen Konzept“ veranstalteten Renntagen am Hessentor umgesehen. Ihr Eindruck: „Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber es muss noch viel passieren.“

Das weiß auch Jan Antony Vogel. „Aber uns waren bisher die Hände gebunden,“ verweist der Rennvereins-Präsident darauf, dass sich die auf der Bahn ansässigen Gastronomen lange Zeit gegen ein solches Konzept gewehrt hätten. Deren Verträge im Übrigen nicht der Verein, sondern die stadteigene Neuss Marketing GmbH abgeschlossen hat. „Nur mit Sport lockst du die Leute heute nicht mehr an,“ sagt dazu Stephan Hilgers. Der Vorsitzende des Neusser Radfahrervereins muss es wissen, schließlich organisiert er mit der Tour de Neuss Jahr für Jahr die publikumsträchtigste Sportveranstaltung in der Stadt. „Allein wegen des Radrennens kämen da auch keine 20.000“, sagt Hilgers. 10.000 Besucher waren es an den vergangenen drei Renntagen zusammen. „Das sind doch Zahlen, die kann man nicht wegdiskutieren“, sagt der Radfahr-Präsident.

Ob sie das im Rathaus auch so sehen, wird sich zeigen. Vogel jedenfalls ist guter Dinge, dort „im Januar und Februar erste Gespräche“ zu führen. Über die Zukunft der Bahn, nicht deren Ende.

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