Para-Radsportler im Sportforum Feinschliff für Paris in Büttgen geholt

Büttgen · Auf dem Weg zu den Paralympics machten der Wegberger Frédéric Jansen und Österreichs einziger Bahnrad-Athleten Franz-Josef Lässer Station in Büttgen. Mehrere Tage arbeiteten die beiden im Sportforum für den großen Auftritt in Paris.

Frédéric Jansen hält Franz-Josef Lässer auf der Radrennbahn in Büttgen in Position, der startet explosiv. Ralf Dahmen (r.) zeichnet die Startzeit auf.

Foto: Arnd Janssen

„Hep, Hep, Hep“, schallt die Stimme von Trainer Frédéric Jansen durch das weite Rund der Radrennbahn im Sportforum in Büttgen. Jansen hat seinen Athleten, den Bahnradfahrer Franz-Josef Lässer gerade abgestoßen und auf die Strecke geschickt, jetzt gilt es, auf Wettkampftempo zu kommen.

Lässer ist Para-Sportler, seit der Geburt fehlen dem Österreicher vier Finger an der linken Hand, trotz dieser Beeinträchtigung fährt er aber nicht nur Straßen- und Bahnradwettkämpfe im Para-Cycling, sondern auch im Regelsport, also dem Sport wo Beeinträchtigungen für die Athleten keine Rolle spielen. Mit C5 hat er die niedrigste Einstufung für den Grad der Behinderung. Frédéric Jansen stammt aus dem Kreis Heinsberg, war früher selbst Rad-Leistungssportler und arbeitet jetzt vorwiegend als Trainer. „Ich bin in Wegberg aufgewachsen, in Büttgen in den Verein gegangen. Mit sechs Jahren fing ich an, ab zwölf auch mit Leistungssport“, berichtet der 33-Jährige, der sowohl auf der Bahn als auch auf der Straße fuhr.

Weil Jansen also nur zu gut über die Vorzüge der Radrennbahn in Büttgen Bescheid weiß, bereitet er sich dort mit seinem Schützling auf die Paralympischen Spiele vor, für die Lässer als einziger Bahnrad-Athlet für Österreich qualifiziert ist. In der Woche vor den Paralympics besteht jeder Tag aus einer Morgen- und einer Nachmittagssession. Jansens Eltern, Ralf und Ilona Dahmen, betreuen das Ein-Mann-Trainerteam Jansen mit und helfen, wo sie können. Eine Herausforderung vor jedem Aufstieg auf das Rennrad: Lässer muss in den sehr dünnen und hautengen Rennanzug steigen. Ilona Dahmen hat ihr Nähzeug dabei, um Feinanpassungen an dem Anzug noch vorzunehmen. „Man braucht jemanden, der dich anzieht“, sagt sie lachend und Familie Jansen-Dahmen zupft gemeinsam an Lässers Anzug herum, bis alles sitzt.

Lässer dreht auf seinem Rad auf der bis zu 43 Grad steilen Neigung der Büttgener Bahn seine Runden, nach kurzer Zeit schon hat er Spitzengeschwindigkeiten von weit über 50 km/h erreicht. Durch seine Beeinträchtigung kann er mit den Fingern nicht so stark am Lenker ziehen, es fehlt ihm der Hebel, um seine Kraft auf das Rad zu übertragen. „Er verliert beim Start dadurch etwa zwei Sekunden“, erklärt Jansen. Ist Lässer aber einmal in Fahrt, ist er selbst den besten Regelsportlern auf dem Rad beinahe ebenbürtig.

Den Weg Lässers ging beinahe auch Trainer Jansen. Mit 16 Jahren bekam er ein Sportstipendium und ging für die Oberstufe auf ein Sportinternat in Brandenburg. „Ich habe mich in den Sport geworfen, nur mit den Trainern hat es damals nicht so gut geklappt“, sagt Jansen. Der Sport führte ihn einmal sogar in den Burn-out. Er merkte selbst: „Ich war nicht für den Profisport gemacht.“ Es ging zurück in den Kreis Heinsberg, wo er am Cusanus-Gymnasium in Erkelenz sein Abitur ablegte.

Es folgte eine berufliche Umorientierung. Mit Anfang 20 begann er ein duales Studium zum Maschinenbauer und technischen Zeichner. Es war für ihn der richtige Schritt. Und es ging noch weiter. „Ich habe wieder gerne Sport gemacht, bin in die Sportwissenschaft und gerutscht und habe dann in Köln den Bachelor in Gesundheitsmanagement besucht“, so Jansen. Parallel folgte der Gang in die Selbstständigkeit: In Erkelenz eröffnete Jansen seine eigene Firma „Wattwerk“, als Geschäftsführer betreut er Leistungssportler in Punkten wie Trainingswissenschaft und Leistungsdiagnostik.

Nach dem Bachelor in Köln ging er 2020 nach Österreich, in Wiener Neustadt studierte er im Master Trainings- und Sportwissenschaft. Dort kam er auch mit dem österreichischen Olympiakader für das Bahnradfahren in Kontakt. Zunächst trainierte er selbst die Athleten, dann begann er, den Verband freiberuflich zu beraten: „Ich habe dem Präsidium gesagt, was der Trainer meiner Meinung nach methodisch falsch gemacht hat. Später wurde der Trainer vom Geschäftsführer entlassen. Dann hat der Verband mich angerufen und gefragt: Hast du Interesse?“

Zeitgleich fragte auch der Deutsche Olympische Sportbund ihn an, die Nachwuchsarbeit der U19-Mannschaft zu leiten. Doch Jansen entschied sich für Österreich. Seitdem durfte er sich Cheftrainer für die Konzeption der Sparte Bahn Elite und Nachwuchs nennen, 2023 gab er den Posten als Cheftrainer wieder ab und wurde dann wieder persönlicher Trainer für viele Bahnrad-Athleten im Verband, Olympioniken und Paralympiker zugleich. „Ich habe die Athleten auf Paris 2024 vorbereitet. Im Para-Bahnrad bin ich der Nationaltrainer für Franz-Josef“, erklärt Jansen. Nur, dass dieser ihn selbst engagiert und bezahlt. Lässer geht am Freitag im 1000-Meter-Zeitfahren an den Start. Am Samstag steht dann die Einerverfolgung über 4000 Meter an, Lässer stärkste Disziplin als Ausdauer-Spezialist. In dieser möchte er den Endlauf erreichen. „Eine Medaille ist der Plan“, sagt der 23-Jährige selbstbewusst.