Analyse Eine Liga mit ganz vielen Fragezeichen

Rhein-Kreis · Eines scheint eine Woche vor dem Saisonstart der Dritten Handball-Bundesliga klar: Die Saison wird spannend wie selten

 Zwei, auf die ihre Klubs kaum verzichten können, im direkten Duell: Während Christian Rommelfanger (l.) am Donnerstagabend elf Tore für den TV Korschenbroich erzielte, traf Andreas Mailänder für den NHV nur ein Mal.

Zwei, auf die ihre Klubs kaum verzichten können, im direkten Duell: Während Christian Rommelfanger (l.) am Donnerstagabend elf Tore für den TV Korschenbroich erzielte, traf Andreas Mailänder für den NHV nur ein Mal.

Foto: Linda Hammer

Selten dürfte eine Handball-Saison im Rhein-Kreis mit so viel Spannung erwartet worden sein wie die am kommenden Freitag (30. August, 19.30 Uhr, TSV-Bayer-Sportcenter) mit der Partie TSV Bayer Dormagen gegen TuS Ferndorf startende Spielzeit der Dritten Liga West.

Das hat vor allem damit zu tun, dass noch nie drei Kreisteams in einer Liga ihre Kräfte gemessen haben. Die Rollenverteilung scheint klar: Dormagen wird um den Titel mitspielen, der TV Korschenbroich im gehobenen Mittelfeld, während es für Aufsteiger Neusser HV von Anfang an nur darum geht, die Klasse zu halten. Wie schwer das wird, wissen die Neusser spätestens seit der 23:34-Pokalschlappe von Donnerstagabend gegen den TVK. Trotzdem wirft die Dritte Liga eine Woche vor dem Start eine Menge Fragen auf.

Halten alle Klubs bis zum Saisonende durch? Schaut man sich die Aktivitäten einiger Klubs auf dem Spielermarkt an, sind Zweifel durchaus erlaubt. Es scheint, als ob die Beispiele des TuS Wermelskirchen, der sein Team nach dem ersten Spieltag der vergangenen Rückrunde zurückzog, und des VfL Edewecht, der nach Insolvenz und Rückzug am Saisonende seine Mannschaft vor einer Woche auch aus der Oberliga abmeldete, nicht abschreckend genug gewirkt haben. Nicht nur Jobst Wierich, Sprecher des neugegründeten Wirtschaftsbeirats und ehemaliger Bundesliga-Handballer des TSV Bayer Dormagen, fragt sich mit Blick auf die Kaderlisten einiger Konkurrenten: "Ich wüsste gerne, wie die das finanzieren."

Wer spielt um Titel und Aufstieg? Anwärter auf den Meistertitel gibt es ein halbes Dutzend. Zweitliga-Absteiger TuS Ferndorf, Ex-Erstligist Wilhelmshavener HV und Titelverteidiger TSV Bayer Dormagen gelten als die Top-Favoriten, doch auch dem enorm aufgerüsteten VfL Eintracht Hagen, der HSG Varel und dem Leichlinger TV werden Chancen eingeräumt. Die andere Frage dürfte — zumindest zum jetzigen Zeitpunkt — nicht so leicht zu beantworten sein. Von den Statuten her darf zwar in diesem Jahr jeder aufsteigen — den Dormagenern wurde dieses Recht aufgrund der Insolvenz ihres Vorgängerklubs DHC Rheinland bekanntlich verwehrt — aber wer dies letztlich will, wird wohl frühestens Anfang 2014 feststehen. Immerhin beziffert Dormagens Handball-Koordinator Björn Barthel allein die organisatorischen Mehrkosten zwischen Zweiter und Dritter Liga mit 60- bis 70 000 Euro, denen nicht unbedingt höhere Einnahmen gegenüberstehen — von Verstärkungen des Spielerkaders ganz zu schweigen.

Welche Rolle spielen die drei Kreis-Klubs? Der TSV Bayer Dormagen gibt als Ziel einen "Platz unter den ersten Fünf" aus. Die spannende Frage wird sein: Wie geht "die jüngste Mannschaft der Liga" (Trainer Jörg Bohrmann) mit der neuen Rolle um, nicht mehr das Überraschungsteam, sondern plötzlich Favorit zu sein? Behalten Simon Ernst und Co. ihre Unbekümmertheit, die in der vergangenen Spielzeit zu einer Art Markenzeichen geworden ist, und bleiben sie von noch mehr Verletzungen als jetzt schon verschont, könnte es mit der Titelverteidigung klappen. Wenn nicht, besteht die Gefahr, dass die Fans im über Jahrzehnte Erst- und Zweitliga-verwöhnten Dormagen irgendwann ungeduldig werden.

TV Korschenbroich und Neusser HV gehen mit hohem Risiko in die Saison. Der TVK hat mit 13 Spielern (von denen drei im Moment noch verletzt sind) einmal mehr den kleinsten Kader aller Drittligisten, ist am Kreis und im rechten Rückraum nur einfach besetzt. Schon im Pokalspiel in Neuss wurde deutlich, dass manchen Spielern Mitte der zweiten Halbzeit die Luft ausgeht. Und sollte sich einer der drei "Unverzichtbaren" (Savonis, Görden, Rommelfanger) verletzen, könnte aus dem gehobenen Mittelfeld leicht die Abstiegszone werden.

In der wird sich der NHV auf jeden Fall aufhalten. Bei aller löblichen Vereinsphilosophie, auf Nachwuchs zu setzen: Unter den Neuzugängen hätte ruhig ein "gestandener" Spieler mit mindestens Dritt-, besser noch Zweitliga-Erfahrung sein dürfen. Meinen es Verein und Sponsoren wirklich ernst damit, Neuss auf Dauer in der gehobenen Handballszene zu etablieren, sollte noch einmal Kassensturz gemacht und der Markt sondiert werden (Ausleihe? Zweitspielrecht?). Es wäre schade, wenn das Experiment an allzu viel "Jugend forscht" scheitern würde.

(NGZ)
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