Leichtathletik Ein halbes Jahrhundert "das" Gesicht des TSV

Neuss · Seit 50 Jahren ist Herbert Missalla Mitglied des TSV Bayer Dormagen – 30 davon lenkte er als Hauptgeschäftsführer dessen Geschicke.

 Ehre, wem Ehre gebührt: TSV-Chef Karl Josef Ellrich (l.) und Geschäftsführer Frank Neuenhausen nehmen den Jubilar in die Mitte.

Ehre, wem Ehre gebührt: TSV-Chef Karl Josef Ellrich (l.) und Geschäftsführer Frank Neuenhausen nehmen den Jubilar in die Mitte.

Foto: TSV

Dormagen Mit seiner Bestzeit über 800 Meter (1:47,5 Minuten) hätte Herbert Missalla im vergangenen Jahr Platz acht der deutschen Bestenliste belegt. Über 1000 Meter (2:20,7 Minuten) wäre er sogar zweitschnellster Deutscher gewesen. Dabei wird Herbert Missalla in zwei Wochen stolze 78 Jahre alt.

Doch nicht als Mittelstreckenläufer der gehobenen Güteklasse – 1958 lief er bei den Europameisterschaften in Stockholm auf Rang sechs, seine damalige Zeit von 1:48,5 Minuten bedeutete am Ende des Jahres Platz neun (!) in der Weltbestenliste – hat sich Herbert Missalla seinen Platz in den sportlichen Geschichtsbüchern des Rhein-Kreises gesichert.

Sondern als "Funktionär" – ein Begriff, den er freilich nie in der Weise verkörpert hat, in der er im allgemeinen Sprachgebrauch Verwendung findet. Für viele ist Herbert Missalla immer noch "das" Gesicht des TSV Bayer Dormagen, und das, obwohl er seinen Schreibtisch in der Geschäftsstelle am Höhenberg bereits vor 18 Jahren mit dem (Un-) Ruhestand vertauscht hat.

Kein Wunder eigentlich. Schließlich gehört Herbert Missalla "seinem" TSV seit genau fünf Jahrzehnten an, was dem Verein anlässlich seines "Ehrenabends" in dieser Woche eine besondere Auszeichnung wert war. Drei davon lenkte er als Hauptgeschäftsführer die Geschicke des TSV, machte aus dem "Werksklub" einen der größten und mit Sicherheit den leistungsstärksten Sportverein hierzulande.

Als Herbert Missalla am 1. Mai 1965 seinen Schreibtisch bezog, bestand der "Sportpark" am Höhenberg aus einem im Winter meist unbespielbaren Fußballplatz und ein paar Umkleiden. Als er ihn drei Jahrzehnte später seinem Nachfolger übergab, war daraus eine der modernsten und schönsten Sportanlagen am linken Niederrhein geworden. Unter Missalla wuchs die Mitgliederzahl des TSV von 1500 auf über 5000 an, war der "Werksklub" nicht nur im Handball – 1987 gelang erstmals der Aufstieg in die Bundesliga – eine feste Größe in der nationalen Spitze.

Es war die Zeit, in der die Bayer-Gelder üppiger flossen als heute, als nicht allein der Profi-Fußball Ansehen und Aufmerksamkeit genoss. Doch es war Missallas geschickte Hand, die aus diesen Geldern ein "Reich" schuf, von dem viele Vereine (und auch seine Nachfolger) nur träumen können. Nach Dormagen war er zunächst als Sportlehrer für die Auszubildenden des Bayer-Werks gekommen – auf Empfehlung seines langjährigen Trainers Bert Sumser, mit dem ihn bis zu dessen Tod vor vier Jahren eine innige Freundschaft verband. Unter Sumser feierte der im niederländischen Kerkrade geborene Aachener seine größten Erfolge auf der Aschenbahn: 1957, '58 und '62 DM-Dritter über 800 Meter, 1958 EM-Sechster über die zwei Stadionrunden. Und 1966, kurz vor Karriereende, gewann er Bronze bei der Hallen-EM in Dortmund. Dass es nie zu höheren (olympischen) Weihen reichte, lag daran, dass Deutschland in Franz-Josef Kemper, Walter Adams, Paul Schmidt und Harald Norpoth die damals besten Mittelstreckler Europas besaß.

Und daran, dass ihm 1964 in einer Notoperation eine Niere entfernt werden musste. Fortan gab Herbert Missalla sein immenses leichtathletisches Wissen als Trainer weiter. Zehn Jahre war er Junioren-Bundestrainer der Sprinterinnen, am Höhenberg führte er Elke Barth zur Olympiateilnahme in Montreal mit der 4x400-Meterstaffel und formte mit ihr zusammen mit Birgit Seiring, Ute Weichenthal und Susanne Kinder eine der damals schnellsten 4x100-Meterstaffeln Deutschlands.

Nach den Sprinterinnen – Ehefrau Gerda (geborene Bollwerk) war auch eine – widmete er sich den "Langtretern", wie er all jene nannte, die längere Distanzen liefen als er selbst: Martin Grüning, Bernd Rangen, Bernd Kofferschläger, Ralf Kionke machten, nach Missallas Plänen trainierend, aus dem TSV in den achtziger und neunziger Jahren eine wahre Langstrecken-Hochburg.

Dem Laufen hat Herbert Missalla längst abgeschworen. Dafür ist er noch täglich auf Rennrad oder Mountainbike unterwegs. Und bei den Handballspielen des TSV – auch in der Dritten Liga – ist er stets auf seinem Stammplatz zu finden. "Rau, aber von ganzem Herzen", titelte die NGZ anlässlich seines 70. Geburtstags über ihn – daran hat sich in acht Jahren nichts geändert.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort