Bayers neues Ziel lautet jetzt: "Zu Null spielen" Dormagen will keinen Punkt abgeben

Die Uhr in der Hagener Ischelandhalle zeigte noch drei Minuten Spielzeit, als die Fete begann. Für die Fans auf den Rängen, sofern sie zu den 350 gehörten, die aus Dormagen gekommen waren, gab es ohnehin schon längst kein Halten mehr. Doch jetzt hatte die Welle des Frohsinns auch die Spieler erfasst: Torhüter Jojo Kurth dirigierte den Bayer-Chor auf der Tribüne, der zum zigsten Male: "Oh, wie ist das schön ....." intonierte. Holger Beelmann und Rainer Hantusch lagen sich in den Armen.

Und Pascal Mahé, der zuvor die Deckung zusammengeschweisst hatte wie den Beton der Lärmschutzwand an der A 1, ließ seinen Gegenspielern freien Lauf, versuchte, sich zum krönenden Abschluss selbst noch in die Torschützenliste einzutragen. Dass das nicht gelang, kümmerte ebenso keinen wie die drei Treffer von Daniel Hammes (mit seinem neunten Siebenmeter) und Max Jacobs (2) in Folge, mit denen der VfL Eintracht Hagen noch von 23:30 (57.) auf den 26:30-Endstand verkürzen konnte.

Es war der 23. Sieg des TSV Bayer Dormagen in Folge seit dem Zwangsabstieg aus der Bundesliga, es war die beste Saisonleistung, die der Spitzenreiter der Regionalliga West bislang geboten hatte - und es war wohl die endgültige Entscheidung im Kampf um den Titel und den Aufstieg in die Zweite Handball-Bundesliga: Sieben Punkte haben die Dormagener nun Vorsprung vor ihrem einzigen ernsthaften Verfolger, "da muss schon mehr als die halbe Mannschaft ausfallen, um das in den restlichen sieben Partien noch zu verspielen", meint Joachim Kurth.

Der hatte am Freitagabend "keinen Schwachpunkt" bei seinen Vorderleuten ausgemacht, und da durfte sich der Torhüter getrost mit einrechnen: Ein Dutzend gehaltene Bälle waren drei Mal so viel, wie sein gleichfalls erstliga-erfahrener Kollege Stefan Klung für sich verbuchen durfte. Dem Ex-Solinger verging vor allem im zweiten Durchgang Hören und Sehen, als Holger Beelmann zu großer Form auflief und fünf Tore aus Winkeln erzielte, wo eigentlich kaum noch Platz für den Ball war.

Seine Klasseleistung wurde freilich vom blau-weissen Schweden-Duo noch übertroffen: Marcus Wallgren blieb bei seinen sieben Würfen, davon zwei vom Siebenmeterpunkt, ohne Fehlversuch. Und Henrik Andersson glänzte als Regisseur und Torschütze in einer Person. "Er hat immer dann Verantwortung übernommen, wenn es doch mal eng zu werden drohte", lobte Dormagens Sportlicher Leiter Uli Derad den Mittelmann. Trainer Kai Wandschneider fand dessen Leistung am Freitagabend schlicht und einfach "weltmeisterlich." Und eng hätte es zumindest einmal werden können, als die Hausherren nach 34 Minuten nämlich von 12:18 auf 15:18 verkürzt hatten.

Es war bezeichnend, dass der Treffer zum 19:15 ein Trickwurf von Andersson war, es war bezeichnend, dass danach Holger Beelmann quasi im Alleingang auf 22:15 erhöhte. Da war die Partie gelaufen, zumal den Hagenern taktisch allzu wenig einfiel, um die Kreise des Spitzenreiters zu stören. Hätte nicht Daniel Hammes wenigstens alle neun Siebenmeter sicher verwandelt, die erste Hagener Heimniederlage seit anderthalb Jahren wäre wohl zum Debakel geworden.

Die Dormagener, die auch bemerkenswert locker wegsteckten, dass sie gleich 14 Minuten in Unterzahl agieren mussten - insgesamt boten die Schiedsrichter Lückert/Pellny (Bedburg/Goch) jedoch eine dem Spitzenspiel angemessene Leistung - haben sich nach dem 23. Sieg im 23. Meisterschaftsspiel ein neues Ziel gesetzt: "Jetzt wollen wir versuchen, die Saison auch zu Null zu beenden", verrät Joachim Kurth.

Bei vier Heimspielen im neuen TSV Bayer-Sportcenter - das nächste gegen die HG Remscheid wird am Samstag bereits um 17.30 Uhr angepfiffen, die anderen Gegner lauten Unitas Haan, TV Oppum und Soester TV - und den drei Auswärtsaufgaben in Wahn, Angermund und Niederpleis sicher kein vollkommen utopisches Unterfangen. Freilich wird ihnen ein Spieler auf dem Weg dahin erst einmal fehlen: Ivan Ivisic bezahlte den Sieg teuer, nämlich mit einem gebrochenen Daumen der rechten Hand. Für ihn rückte im zweiten Durchgang Burkhard Heesen in den Rückraum - und der dürfte sich kaum ein besseres Geschenk zu seinem 32. Geburtstag gewünscht haben als den Sieg in Hagen.

(NGZ)
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