Galopp Harro Remmert wird 80

Neuss · Für den Mann, der als Jockey und Trainer das Deutsche Derby gewann, war die Galopprennbahn in Neuss Auftakt einer großen Karriere – auch im Rollstuhl. Seine Erfolge, seine Zähigkeit, seine Geduld mit den Pferden sind legendär.

 Sein größter Erfolg als Trainer: All My Dreams mit Kevin Woodburn gewann 1995 das Derby in Hamburg. Rechts Gisela und Harro Remmert.

Sein größter Erfolg als Trainer: All My Dreams mit Kevin Woodburn gewann 1995 das Derby in Hamburg. Rechts Gisela und Harro Remmert.

Foto: Archiv Göntzsche

In den 200 Jahren der Geschichte des deutschen Galopprennsports seit den Anfängen 1822 in Bad Doberan hat es viele bedeutende Persönlichkeiten gegeben. Eine davon wird am heutigen Samstag 80 Jahre alt: Harro Remmert. Es sind die sportlichen Erfolge mit 552 Siegen im Rennsattel und 1021 als Trainer, die ihn auszeichnen. Aber auch oder sogar vor allem, weil er einfach ein guter Typ ist. Nie schlecht gelaunt, vielseitig interessiert und immer ein wirkungsvoller Botschafter für den Galoppsport – sein Leben.

Obwohl er seit dem Unfall 1976 in Krefeld mit dem als schwierig bekannten Hengst Arpad auf den Rollstuhl angewiesen ist. Querschnittgelähmt, die untere Körperhälfte mit allen Konsequenzen gelähmt, darüber ließen ihn die Ärzte der Klinik in Duisburg-Buchholz schon früh nicht im Unklaren. Harro Remmert hat später in einem Interview gesagt: „Als Trainer im Rollstuhl muss ich besser sein als andere.“

 Seit Samstag im Ü80-Team: Harro Remmert.

Seit Samstag im Ü80-Team: Harro Remmert.

Foto: Klaus-Joerg Tuchel

Harro Remmert war nicht nur ein großer Jockey und Trainer. Er hat es auch geschafft, den Zeitpunkt des Aufhörens nicht zu verpassen. Als im Jahre 2002 die Stute Templerin mit Waldemar Hickst in Mülheim das 1000. Rennen für ihn gewann, waren das für alle, die es erlebt haben große emotionale Momente.

Eine Hauptrolle in der Karriere von Harro Remmert hat die Neusser Rennbahn gespielt. Er war Jockey bei den Trainern Max Lehmann und Georg Zuber: „Für Zuber habe ich den Hengst Tarim geritten. Im Union-Rennen 1972 in Köln besonders vorsichtig, ich wollte ihn vor dem Derby in Hamburg nicht überfordern.“ Es wurde nicht belohnt, der Trainer musste ihm mitteilen, dass der Besitzer Fredy Ostermann für das Derby den Engländer Geoff Lewis engagiert habe. Tarim hat mit Lewis gewonnen. „Ich wurde um den Derbysieg gebracht“, ist Remmert sicher, er kündigte bei Zuber. Sieben Jockey-Jahre in Neuss gingen zu Ende. Aber nur ein Jahr später (also vor 50 Jahren) gewann er das Derby dann doch – mit dem von Sven von Mitzlaff für das Mönchengladbacher Gestüt Zoppenbroch trainierten Hengst Athenagoras.

Fünf Jahre seit dem Ende bei Georg Zuber kehrte Remmert (in ungeplanter Rolle) nach Neuss zurück. Nach seinem Unfall bot ihm der langjährige Neusser Präsident Dr. Ernst Heitzmann († 2015) den Stall an, den zuvor der Trainer Harald Linke nutzte, in dem aber auch Georg Zuber arbeitete. „Er hat gesagt, der Stall sei genau die richtige Größe für den Anfang.“ Es wurde der Auftakt zu einer grandiosen Laufbahn. Die Stute Schiljaka mit Jupp Kappel im Sattel war Remmerts seine erste Siegerin als Trainer. Sie gehörte Heitzmann und dessen Kegelbrüdern. Noch heute gesteht Harro Remmert: „Ich habe nicht viel dazu beigetragen. Die Stute kam aus einem anderen Stall zu mir.“ Mit nur sieben Pferden ging es in Neuss los – der Stall war schnell voll und es musste angebaut werden. Nach zehn Jahren in Neuss nahte der Olymp dieses Sports. Exakt der Olymp-Stall des Trainers Sven von Mitzlaff in Köln-Weidenpesch. Mitzlaff beendete aus Alters- und Gesundheitsgründen seine große Laufbahn (u.a. mit Koryphäen wie Königsstuhl, Luciano und Orofino). Harro Remmert wagte den großen Schritt nach Köln. In den Neusser Stall zog Hans-Albert Blume ein, der zuvor in einem pferdefremden Job tätig war. Heute arbeitet Blume, 82 Jahre alt, in Krefeld. Der Stall in Neuss ist längst abgerissen. Horst Steinmetz gewann von dort aber noch das Derby 2005 mit Nicaron.

Höhepunkt der Remmert-Karriere war im Jahre 1995 der Derbysieg mit dem Hengst All My Dreams, den Kevin Woodburn ritt. Der Hamburger Renn-Club hatte für Harro Remmert (in Vorsehung des Sieges) ein Podest auf dem Geläuf gebaut. 40.000 Zuschauer feierten nicht das Pferd oder den Jockey, sondern Harro Remmert. Es hat in der Derbygeschichte nicht allzu viele gegeben, die intensiver gefeiert wurden als der in Magdeburg geborene Remmert. Der zunächst in einem Hotel arbeitete und erst über seinen älteren Bruder Peter († 2017) zu den Rennpferden kam. Während seiner Ausbildung im Gestüt Ravensberg in Gütersloh lernte Harro Remmert seine Ehefrau Gisela kennen, die Tochter des Trainers Johannes Kuhr.

Harro Remmert, das war nicht nur ein einfühlsamer Trainer und besorgter Chef seines Teams. Er konnte die oft weitaus schwierigeren Besitzer ebenso gut „trainieren“ wie die Rennpferde. Dabei war auch eine große Portion Leidensfähigkeit im Spiel. Harro Remmert hat den Zeitpunkt des Aufhörens nicht verpasst. Nicht beim Abstieg, sondern von oben. Er blieb in der Szene, ließ auch in Neuss kaum einen Renntag aus. Es war nicht weit vom Wohnort in Stommeln zum Hessentor. Nach Renntagen fuhr er in den Nachbarort und kaufte die NGZ. Es ist nie Langeweile aufgekommen in seinem Leben. Als er wegen einer Schulterverletzung einige Monate in Duisburg in der Klinik zubringen musste, begeisterte er die Ärzte für die Rennpferde. Remmert besuchte trotz der Einschränkungen die Museen des Landes, er hatte aus seiner Position oft einen besonderen Blick auf die Bilder. Er war und ist ein geschätzter und kundiger Beisitzer im Renngericht. Den 80. Geburtstag feiern die Remmerts mit ihren Kindern Heide und Jan und deren Familien in der geliebten Lüneburger Heide. Nicht weit vom Gestüt Trona entfernt, denn dort steht der 20 Jahre alte Deckhengst Wiesenpfad, der Tochter Heide Harzheim gehört. Mit Ehemann Rolf führt sie in Köln ein Transportunternehmen. Natürlich für Rennpferde. 

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