Analyse Ohne die Familie läuft nur wenig im Leistungssport

Rhein-Kreis · Analyse Die Sport-Gesellschaft hat sich verändert: Ohne die Unterstützung der Familie ist Leistungssport heute kaum noch möglich. Dabei sind die Eltern vor allem in den so genannten Randsportarten nicht nur der wichtigste Sponsor, sondern auch für die oftmals aufwändige Organisation des Alltags unentbehrlich.

 Sportfamilie par excellence: Matyas, Reka und Vilmos Szabo (v.l.) nahmen alle schon an Olympischen Spielen teil.   Foto: Archiv

Sportfamilie par excellence: Matyas, Reka und Vilmos Szabo (v.l.) nahmen alle schon an Olympischen Spielen teil. Foto: Archiv

Foto: L. Hammer

Über Weihnachten haben auch Sportler mal frei. Okay, nicht alle – Handballer, Eishockeyspieler und Jockeys müssen auch an den Feiertagen ran. Zwischen Training, Meisterschaftsspiel und Job finden aber auch sie ein paar Stunden Zeit, um mit der Familie zu feiern.

Die ist für Sportler, vor allem für  diejenigen, die mit ihrem sportlichen Tun nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können, wichtiger denn je. In den so genannten Randsportarten – und das sind in Deutschland fast alle außer Fußball – sind die Eltern oftmals größter und wichtigster Sponsor, wenn sich ihre Kinder dazu entschieden haben, Leistungssport zu betreiben. Das tun inzwischen immer weniger, weil die Anforderungen in Schule, Studium oder Ausbildung das in vielen Disziplinen notwendige tägliche oder sogar mehrmals tägliche Training nicht mehr zulassen.

Wer sich trotzdem darauf einlässt, braucht dafür zweierlei: Geld und Verständnis in seinem Umfeld. Beides müssen die Eltern aufbringen.Tun sie es nicht, droht dem deutschen Nachwuchssport der Kollaps. Die Leistungssportreform hilft da nicht weiter, im Gegenteil, sie verschärft durch ihren Zwang zur Zentralisierung, durch die Konzentration auf einige wenige Leistungsstützpunkte die Situation. Denn zentralisierte Standorte bedeuten meist von den Eltern zu stemmende Hin- und Rücktransporte zum Training oder den Umzug (der gesamten Familie oder des jungen Leistungssportlers) an oder in die Nähe des Trainingsstandortes – was sich nicht jeder leisten kann oder leisten will. Die Folge: Die Basis bröckelt, die „Breite“ im Leistungssport nimmt immer mehr ab, es gibt keinen Unterbau mehr. Wenn der DOSB oder seine Fachverbände von Mitgliederzuwachs reden, ist das Augenwischerei – zumindest im Leistungssport ist das Gegenteil der Fall. Wer das nicht glaubt, muss sich nur mal die Starterzahlen bei Leichtathletik-Kreismeisterschaften (die inzwischen deshalb zu Regionalmeisterschaften zusammengelegt worden sind) oder die Anzahl an Jugendmannschaften im Fußballkreis anschauen – und das hat nicht nur etwas mit der demographischen Entwicklung zu tun.

Vilmos Szabo, Bundestrainer der Säbelfechter und selbst „Oberhaupt“ einer Sportfamilie – Ehefrau Reka und Sohn Matyas starteten ebenso wie er selbst bei Olympischen Spielen – prophezeit eine Entwicklung der deutschen Sport-Gesellschaft, die völlig konträr zu dem einst vom DOSB proklamierten „Sport für alle“ verläuft: „Außer im Fußball treiben bald nur noch Kinder gutverdienender Eltern Leistungssport. Oder solche, wo die Eltern früher selbst Leistungssportler waren.“ Denn die bringen noch am ehesten Verständnis auf, sollten die Schulnoten mal unter dem täglichen Training leiden, Klausuren wegen Wettkämpfen und Trainingslagern nachgeschrieben werden oder Studierende ein Urlaubssemester beantragen müssen, weil Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele vor der Tür stehen.

Nicht zuletzt auf Druck der Sportler sind im Bundeshaushalt nachträglich 3,5 Millionen Euro für die direkte Athletenförderung eingestellt worden. „Viele von uns Athleten können sich bislang nicht ohne finanzielle Sorgen auf ihren Sport konzentrieren. Die zusätzliche Förderung ist ein ganz wichtiges Signal in unsere Richtung,“ sagt dazu Max Hartung, Schützling von Vilmos Szabo und Athletensprecher des DOSB. Doch das betrifft nur diejenigen, die schon den Sprung in einen A-,B- oder Olympiakader geschafft haben. Für alle anderen bleibt die Familie der wichtigste Förderer – und das nicht nur an Weihnachten.

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