Handball Der Reiz überwiegt das Risiko

Handball · Christian Voß, neuer Trainer des Handball-Zweitligisten TV Korschenbroich, spricht im Interview über seine Beweggründe für den Wechsel aus Lübeck an den Niederrhein, Stärken und Schwächen seiner neuen Mannschaft und die Aussichten auf einen Verbleib in der Zweiten Bundesliga

 Am Donnerstagabend leitete Christian Voß (Mitte) das erste Training beim TV Korschenbroich. Vorher wurde der neue Mann auf der Bank von Geschäftsführer Dr. Peter Irmen (l.) und Manager Kai Faltin offiziell begrüßt.

Am Donnerstagabend leitete Christian Voß (Mitte) das erste Training beim TV Korschenbroich. Vorher wurde der neue Mann auf der Bank von Geschäftsführer Dr. Peter Irmen (l.) und Manager Kai Faltin offiziell begrüßt.

Foto: TVK

Am Mittwoch verpasste Christian Voß seinen letzten Patienten am Universitätsklinikum Lübeck noch eine Narkose, am Donnerstagabend leitete der 41-Jährige das erste Training beim TV Korschenbroich. Gestern nahm er sich Zeit für ein Gespräch mit der Neuß-Grevenbroicher Zeitung, in dem er verrät, warum ihn die Aufgabe beim Handball-Zweitligisten reizt und wie er, beginnend mit der heutigen Partie (Anwurf 19.30 Uhr in der Waldsporthalle) gegen Erstliga-Absteiger TSG Friesenheim, seinen Auftrag zu erfüllen gedenkt.

Herr Voß, einen Anästhesisten aus Lübeck hatten wohl die wenigsten auf ihrer Rechnung, als es um den neuen Trainer des TV Korschenbroich ging. Wie ist es zu dieser Verpflichtung gekommen?

Christian Voß Ich hatte schon über Jahre hinweg Verbindung zum TV Korschenbroich, war oft in der Halle. Ich habe schon früher ein Gespräch mit Peter Irmen (Geschäftsführer der TVK Handball GmbH, Anm. d. Red.) geführt. Aber das war eher unverbindlich, denn der TVK hatte einen Trainer und ich meinen Lebensmittelpunkt in Lübeck.

Den Sie jetzt aufgeben.Warum?

Voß Weil mich die Herausforderung Zweite Liga schon lange reizt. Als die Stelle beim TVK frei wurde, habe ich mit meinem Chef gesprochen und der hat gesagt: Klar, mach' das und mich aus meinem laufenden Vertrag entlassen. Dafür bin ich natürlich dankbar. Was dann folgte, war eine ziemlich anstrengende Woche — ich habe ja am Mittwoch noch im Operationssaal gestanden und heute Abend ist schon das erste Spiel.

Konnten Sie sich darauf überhaupt vorbereiten?

Voß Ich schaue mir gerade Friesenheim auf Video an. Ich habe mir aber auch vorher schon ein paar bei meinem alten Verein Bad Schwartau besorgt, so dass ich nicht ganz unvorbereitet in die Partie gehe.

Mit Ihrem Ausscheiden aus einem laufenden Arbeitsvertrag sind Sie ein hohes Risiko eingegangen. Schließlich könnte die von Ihnen erwähnte "Herausforderung Zweite Liga" bereits im Juni zu Ende sein, dann nämlich, wenn der TV Korschenbroich absteigt.

Voß Deshalb läuft mein Vertrag ja auch erst einmal nur bis zum 30. Juni. Aber ich habe mir schon vorgenommen, Erfolg zu haben und nach Möglichkeit die Liga zu halten. Das hört sich jetzt vielleicht blöd an, aber in so einem Abstiegskampf steckt doch auch ein ungeheurer Reiz, der einen als Person weiterbringt, eher, als wenn man gemütlich im Mittelfeld steht.

Der Reiz überwiegt das Risiko?

Voß Das könnte man so sagen. Und ich mache mich ja nicht vom Handball abhängig. Ich gehe davon aus, relativ schnell eine neue Stelle am Krankenhaus zu finden — Anästhesisten gibt es nämlich nicht so unendlich viele.

Sie sind zu einem Zeitpunkt gekommen, der Ihnen einen hammerharten Start beschert: Heute gegen Erstliga-Absteiger Friesenheim, dann bei ihrem alten Klub, der deutlich im Aufwind ist, dann das Lokalduell gegen den Erstliga-Absteiger aus Dormagen.

Voß Richtig, aber ich hätte auch einen noch härteren Start haben können. Auf das Duell in Schwartau freue ich mich jetzt schon ganz besonders, auch wenn wir uns in unserer Situation nur mit dem nächsten Spiel beschäftigen sollten.

Sie haben die erste Trainingseinheit absolviert. Wie ist Ihr Eindruck von der Mannschaft?

Voß Ich kannte sie ja schon vorher ein bisschen, war ja auch beim Spiel in Bietigheim. Mein erster Eindruck hat sich beim Training bestätigt: Eine total sympathische Truppe, bei der die Einstellung stimmt. Nach 20 Minuten Training hatte ich schon den Eindruck, dass ich dazugehöre.

Trotzdem ist der TVK Tabellenletzter. Woran liegt das?

Voß Ob das mit der Arbeit meines Vorgängers zu tun hat, möchte ich nicht beurteilen. Fakt ist: Dem TVK ist es nicht gelungen, den Weggang von David Breuer und Jörn Ilper adäquat aufzufangen. Ohne David Breuer fehlt der Mannschaft das, was ich natürliches Spielmoment nennen würde. Das müssen wir uns wieder erarbeiten, und das wird nicht einfach. Vor allem deshalb nicht, weil der TVK zwar eine gute erste Sieben und dann noch zwei, drei Ergänzungen hat — aber nichts dahinter. Das reicht kaum für 60 Minuten Tempo. Und da wollen wir wieder hinkommen: eine stabile Abwehr, aber mit mehr Schnelligkeit im Angriff. Und mehr Sicherheit im Kopf — dann gewinnst du nämlich 90 Prozent der Spiele mit einem Tor und nicht umgekehrt.

Volker Koch führte das Gespräch

(NGZ)
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