Lokalsport Das Duell, das nicht stattfand

Was für ein Rummel: Selbst Ilse Sieberger war vor Fernsehkameras und Mikrofonen nicht gefeit am Freitagabend. Dabei war die rüstige alte Dame doch nur nach Dormagen gekommen, um ein Handballspiel zu sehen. Nicht zum ersten Mal, seit ihr Enkelsohn Peter das Trikot des TSV Bayer Dormagen trägt. Trotzdem erlebte die Neunzigjährige eine Premiere. Denn zum ersten Mal traf Enkelsohn Peter, der bei Dormagen die Abwehr zusammenhält, auf Enkelsohn Jens, der im Rückraum der HSG Düsseldorf die Regiefäden zieht.

Dass sie Zwillinge sind, machte die Sache noch interessanter - zumindest für einige Medien. Der Saarländische Rundfunk hatte sogar ein Kamerateam geschickt, schließlich stammen die Siebergers aus Saarbrücken. Und da unten haben sie aus sportlicher Sicht nicht mehr so allzu viel zu berichten. Nur gut, dass Vater, Mutter und Oma Sieberger auch da waren. So hatten sie wenigstens reichlich Stoff für die seichten Randgeschichten. Denn auf dem Parkett gab das Duell nicht allzu viel her. Und das galt beileibe nicht nur für das das Sieberger-Zwillinge . . .

Ein Duell auf Augenhöhe, ein Kampf um die Vormachtstellung in der Region wie in der Liga, ein Ringen um die vermeintlich beste Ausgangsposition für die Rückkehr in die Erstklassigkeit sollte es werden vor 2 550 Zuschauern im ausverkauften TSV-Bayer-Sportcenter. Es wurde eine Demonstration von Leidenschaft über Lustlosigkeit, von unbedingtem Erfolgswillen gegenüber einer Einstellung, wie sie wohl nur gerade abgestiegene Mannschaften an den Tag legen können, dieses: "Wer seid ihr überhaupt? Wir kommen schließlich aus der Ersten Liga."

Bezeichnend, dass der mit Abstand beste Düsseldorfer, der einzige, der bis zum bitteren Ende mit Einsatz und Leidenschaft kämpfte, aus der Zweiten Liga kam: Frantisek Sulc, aus Friesenheim rheinabwärts gewechselt und achtfacher Torschütze, wusste, was ihn in Dormagen erwartet. Der Rest wurde schlicht und einfach überrollt . . .

Dass es 26 Minuten dauerte, bis sich diese ungleichen Kräfteverhältnisse auch auf der Anzeigetafel niederschlugen, lag einzig darin begründet, dass die Dormagener Torhüter bis dahin nur zwei Bälle zu fassen bekamen. Viel besser waren die Düsseldorfer auch nicht, doch Almantas Savonis (3) und Matthias Puhle brachten es auf immerhin sieben - genug, um die Partie offen zu halten.

Ausgerechnet Valdas Novickis, der sehr zum Ärger der Kameraleute Jens Sieberger auf der Regieposition abgelöst hatte, leitete dann die Wende ein: Sein Kopftreffer nach 26 Minuten "weckte" Joachim Kurth. Und zwar so gewaltig, dass er in den verbleibenden 34 Minuten 14 Düsseldorfer Würfe entschärfte und Bayer damit den Weg zu einem auch in dieser Höhe verdienten Sieg ebnete.

Den Kai Wandschneider zwar feierte, aber nicht überbewerten will: "Wir wissen doch gar nicht, ob Düsseldorf tatsächlich unser härtester Konkurrent ist", sagt der Dormagener Trainer mit Blick auf die Konkurrenten, von denen nach drei Spieltagen neben dem eigenen Team alleine Aufsteiger HSC Coburg noch ohne Punktverlust dasteht.

Doch egal, ob Düsseldorf nun einen schwarzen Tag erwischt hatte oder sich "erst noch finden muss", wie HSG-Manager Frank Flatten mit verhaltenem Optimismus formulierte: Wandschneiders Schützlinge spielten mit einer beeindruckenden Konsequenz, ließen auch nicht für Sekunden ihr Ziel aus den Augen. Und das hieß: Düsseldorf schlagen.

"Es macht einfach allen unheimlich viel Spaß", lüftete Peter Sieberger das Geheimnis, warum die Mannschaft plötzlich jene Gnadenlosigkeit an den Tag legt, die ihr in der vergangenen Spielzeit mitunter fehlte.

Da werden auch Ausfälle - Wisotzki und Laurencz nur auf der Tribüne, Pfahl, Landsberg (Verdacht auf Außenbandschaden im Knie) und Schindler nacheinander humpelnd auf die Bank - weggesteckt. Auffällig: die klaren Steigerungen von Ingo Meckes und Maciej Dmytruszynski, die beide ihr bestes Spiel für Dormagen machten.

Beim polnischen Neuzugang auch nicht so furchtbar schwer, denn es war erst sein drittes. Der 28-Jährige war der eigentliche "Held" der Partie, auch wenn die meiste Aufmerksamkeit Peter Sieberger galt. Doch das hatte ausschließlich außersportliche Gründe.

(NGZ)
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