6. Citylauf Grevenbroich Klasse Stimmung auf und neben der Strecke

Grevenbroich · Beim Comeback nach ewig langer Corona-Pause punktet die Schlossstadt mit mehr als 1600 Läufern und Läuferinnen und großartiger Atmosphäre.

 Bei den gut besetzten Schülerläufen ging es in Grevenbroich vom Start weg voll zur Sache.

Bei den gut besetzten Schülerläufen ging es in Grevenbroich vom Start weg voll zur Sache.

Foto: Dieter Staniek

Bernd Juckel ist schon eine gefühlte Ewigkeit im Geschäft. Und darum weiß der „Chef“ des kleinen, aber feinen mit der Organisation des Grevenbroicher Citylaufs befassten Kernteams: „Wenn was schiefgeht, dann vor dem ersten Start.“ Tragische Ausnahme: Bei der dritten Auflage 2017 musste ein Teilnehmer des auch am Abend noch von tropischen Temperaturen begleiteten Jedermannlaufs über fünf Kilometer mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen werden, wo er kurz darauf verstarb.

Derlei Tragödien blieben am Freitag beim Comeback nach coronabedingter Zwangspause zum Glück aus. Und so konnte der im Auftrag der ausrichtenden SG Neukirchen/Hülchrath für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Willy Helfenstein zufrieden feststellen. „Hie und da ging zwischenzeitlich mal ein kleines Kind verloren, aber insgesamt ist es sehr gut gelaufen.“ Beim Restart nach dreijähriger Durststrecke mit den bitteren Absagen 2020 und 2021 legten sich alle der 1653 Läufer und Läuferinnen im Ziel vor der Kirche am fast schon mediterran angehauchten Marktplatz mächtig ins Zeug. Während Helfenstein in seinem Job als „Führungsfahrzeug“ auf dem Rad und zu Fuß mehr als 50 Kilometer abriss, genossen die Aktiven die ganz besondere Atmosphäre der höchst abwechslungsreichen Rundstrecke in der Grevenbroicher City.

 Schon beim Zieleinlauf über zehn Kilometer begann die Siegerin Flora Feuring von der TG Neuss damit, den entstandenen Flüssigkeitsverlust auszugleichen.

Schon beim Zieleinlauf über zehn Kilometer begann die Siegerin Flora Feuring von der TG Neuss damit, den entstandenen Flüssigkeitsverlust auszugleichen.

Foto: Dieter Staniek

Jan Ottersbach (Remscheid), in 18:15 Minuten Dritter über fünf Kilometer, zeigte sich beim seiner Vorbereitung auf den Düsseldorf-Triathlon am Sonntag dienenden Debüt in der Schlossstadt ziemlich überrascht von der gelösten Stimmung. Sein Fazit: „Gute Zeit auf einer kurvigen und nicht ganz so schnellen Strecke. Dass hier so viel los ist, hatte ich gar nicht erwartet.“ So sah das auch der aus einer Erkältung kommende Nick Sandach (LT Stoppenberg), der nach seinem überlegenen Sieg in 16:47 Minuten bestens aufgelegt resümierte: „Die Stimmung hier ist überdurchschnittlich.“ Natürlich freute er sich auch über seinen Platz ganz oben auf dem Podest, wenngleich er eine komplett andere Philosophie verfolgt: „Mit ist es lieber, ich liege in einem starken Lauf mit einer guten Zeit im Mittelfeld als dass ich in einem nicht so gut besetzten Lauf mit einer schlechteren Zeit auf dem Treppchen stehe.“ Seinen Spaß am zweiten Rang hatte Pascal Weiner (Dextro Energy Sport Team), stellte mit Blick auf seine Zeit von 17:20 Minuten jedoch fest: „Normalerweise suche ich mir Strecken mit weniger Kurven aus, um Bestzeiten laufen zu können.“

 Da waren sie noch zusammen. Aber wenig später hängte der spätere Sieger Guesch Hagos (l.) seinen Verfolger Maciek Miereczko ungerührt ab.

Da waren sie noch zusammen. Aber wenig später hängte der spätere Sieger Guesch Hagos (l.) seinen Verfolger Maciek Miereczko ungerührt ab.

Foto: Dieter Staniek

Helfenstein und seinen Kollegen ist das Problem durchaus bekannt, vor allem die Spitzkehre am Stadion stellte eine echte Herausforderung dar. Veränderungen am Kurs müssten freilich in Einklang mit dem Charakter der Veranstaltung stehen, findet er: „Gerade Hobbyläufer reizt der Kontrast zwischen ruhigeren Abschnitten im Wald und dem Trubel an der langen Zielgeraden. Das sorgt für Gänsehaut.“ Dieses wohlige Gefühl wollte sich bei Flora Feuring (TG Neuss) erst mit einiger Verspätung einstellen, hatte sie beim Lauf über zehn Kilometer doch stets einen der Streckensicherung dienenden Motorroller vor der Nase. „Und der hat vielleicht gestunken.“ Trotzdem gewann sie in 44:59 Minuten klar vor der bis zu ihrem Wechsel zum LAZ Mönchengladbach im Trikot des ASC Rosellen laufenden Claudia Schmitz (46:07 Minuten/Altersklasse W50) und ihrer früh von Seitenstechen geplagten Vereinskollegin Belinda Wilke (48:09/W60), profitierte dabei aber vom frühen Ausstieg der auch schon für den ASC Rosellen und den TSV Bayer Dormagen tätigen 18-fachen Deutschen Meisterin Melanie Linder (Klein-Arndt). „Gegen sie hätte Flora keine Chance gehabt“, räumte ihr Trainer  Hans-Peter Heinen ein.

 Klare Botschaft für den 10km-Lauf: „Lauft schneller, wir haben Hunger!“

Klare Botschaft für den 10km-Lauf: „Lauft schneller, wir haben Hunger!“

Foto: Dieter Staniek

Der 84-Jährige, der beim Neusser Sommernachtslauf zu den Männern der ersten Stunde gehört und den Nikolauslauf im Jahnstadion quasi erfunden hat, freute sich in Grevenbroich über einen Doppelsieg der TG. Denn bei den Männern setzte sich über 10.000 Meter sein Schützling Guesch Hagos in 33:36 Minuten sensationell deutlich gegen Maciek Miereczko (34:28) durch. Dem Deutsch-Polen, Sieger von 2016 und 2017, steckten freilich noch die Marathon-Läufe in Gelsenkirchen am 22. Mai (Platz zwei) und Regensburg nur eine Woche später (3.) in den Knochen. „Das habe ich schon gemerkt.“ Sein Rivale ebenfalls. Obwohl ihn sein Coach mit dem Auftrag, „nur ja hinter Miereczko zu bleiben“, losgeschickt hatte, zog der Gewinner des Neusser Sommernachtslaufs (21. Mai) schon in der vierten von insgesamt sechs Runden entscheidend davon. Seine einfache Erklärung: „Er war mir zu langsam.“ Rang drei ging in 35:40 Minuten an Fabian Schmidt (SG Kaarst).

 Entspannte Stimmung beim Publikum am Streckenrand in der City.

Entspannte Stimmung beim Publikum am Streckenrand in der City.

Foto: Dieter Staniek

Nur die Harten kommen halt in den Garten. Dazu passte die Botschaft auf dem Shirt von Sonja Beba (LG Mönchengladbach), die bei den Frauen in 19:59 Minuten über 5000 Meter triumphierte: „Wer nicht kotzt, läuft nicht am Limit!“ 2015 hatte sie für den ASC Rosellen WM-Bronze im Ultra-Mehrkampf geholt und dabei an nur zwei Tagen 14 leichtathletische Disziplinen absolviert. Die 34-Jährige weiß also nur zu gut, was Schmerzen sind ...

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