Ringen Bundesliga-Neuling im Schwebezustand

Die Euphorie über den Wiederaufstieg in die Ringer-Bundesliga ist beim KSK Konkordia Neuss längst der Sorge um die Auswirkungen der Corona-Krise gewichen. Die gute Nachricht: Alle Leistungsträger des Neulings haben neue Verträge unterschrieben.

 Aaron Bellscheidt (unten) ist wie die anderen Ringer des KSK Konkordia Neuss momentan zur Untätigkeit verdammt.

Aaron Bellscheidt (unten) ist wie die anderen Ringer des KSK Konkordia Neuss momentan zur Untätigkeit verdammt.

Foto: Andreas Woitschützke

Glück im Unglück: Als Hermann J. Kahlenberg am 21. Februar seinen 75. Geburtstag feierte, war an eine Kontaktsperre noch nicht zu denken und von einer Corona-Pandemie nur am Rande die Rede. Doch seither hat sich beim KSK Konkordia Neuss, bei dem der 75-Jährige als Ehrenpräsident immer noch die Strippen hinter den Kulissen zieht, viel geändert – so wie überall in der Sportszene.

„Wir hängen in der Luft,“ beschreibt Kahlenberg den Schwebezustand des Kraftsportklubs drei Monate nach dem Wiederaufstieg in die Ringer-Bundesliga, die er 2012 freiwillig verlassen hatte. Den Neuling trifft die aktuelle Situation womöglich härter als andere Klubs. Denn als sie das Aufstiegsrecht annahmen, war den KSK-Verantwortlichen um Kahlenberg, den Sportlichen Leiter Fatih Cinar und Cheftrainer Oleg Dubov klar, „dass wir uns in den oberen Gewichtsklassen verstärken müssen, um in der Bundesliga mithalten zu können,“ sagt der Ehrenpräsident. Geeignete Ringer, die sportlich und menschlich ins Team passen und auch bezahlbar sind, seien vorhanden, sagt Kahlenberg, „aber wir zögern noch, die Verträge zu unterschreiben, weil wir ja nicht wissen, wie es weitergeht nach der Krise.“

Eine Unsicherheit, die der KSK Konkordia mit den meisten Vereinen teilt, die Leistungssport betreiben. Denn der finanziert sich nun mal zu einem erheblichen Teil aus Sponsorengeldern – und ob die und wenn ja, in welcher Höhe weiter fließen, ist angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie kaum abzusehen. Besonders bitter für einen Verein, der wie der KSK nicht von zwei, drei großen Sponsoren lebt, sondern sich aus vielen Quellen speist. „Die großen werden ihre Zahlungen vielleicht reduzieren, aber nicht komplett einstellen,“ hofft Kahlenberg.

Der mit Blick auf die kleinen bis mittelgroßen Unterstützer und Gönner weniger optimistisch klingt: „Das sind doch die, die von der Krise am meisten gebeutelt werden,“ sagt er über Gastronomie- und Handwerksbetriebe sowie Einzelhandelsläden, die für ein paar Hundert Euro eine Anzeige im Hallenheft schalten, eine Werbung auf dem Veranstaltungsplakat platzieren oder eine Bande am Mattenrand aufstellen. In einer solchen Situation Verträge mit neuen Ringern abzuschließen erscheint ihm riskant. Doch er fürchtet, dass andere weniger Skrupel haben und der Markt leer ist, wenn die wirtschaftliche Lage wieder halbwegs überschaubar geworden ist.

In solchen Zeiten freut sich jeder über gute Nachrichten. Die aus den Reihen des KSK Konkordia lautet: Alle, zum Teil von der Konkurrenz heftig umworbenen Leistungsträger der vergangenen Saison haben neue Verträge unterschrieben, darunter die auch schon auf internationalem Parkett erfolgreichen Deni Nakaev, Julian Lejkin, Aaron und Samuel Bellscheidt. „Da hat unsere sportliche Leitung ganze Arbeit geleistet,“ lobt Kahlenberg seine Mitstreiter.

Und wie schon zu vergangenen Bundesliga-Tagen war der Klub respektive sein Ehrenpräsident als „Argumentationshilfe“ bei der Suche nach Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen behilflich. Julian Lejkin zum Beispiel macht eine Ausbildung bei Mercedes in Krefeld, „da hat uns Jürgen Steinmetz sehr geholfen,“ schickt Kahlenberg einen Dank an den Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein und Vize-Präsident der Partner für Sport und Bildung. Samuel Bellscheidt tritt zum 1. November seinen Dienst in der Sportfördergruppe der Bundeswehr an.

An ein geregeltes Training ist im Moment auch bei den Ringern nicht zu denken. Das Trainingszentrum am Nordpark ist geschlossen, alle Lehrgänge ebenso abgesagt wie alle Meisterschaften auf Landes- und Bundesebene, Sonderregelungen für Kaderathleten gibt es in Nordrhein-Westfalen nicht. „Die Jungs machen jetzt viel Lauf- und Krafttraining,“ sagt Kahlenberg. Gut dran ist, wer aus einer Ringerfamilie kommt wie die Bellscheidts oder die Lejkins – da können die Brüder wenigstens zu Hause untereinander Griffe üben oder sich auf dem Wohnzimmerteppich gegenseitig auf die Schulter legen.

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