Hockey Im Dienst für andere die Erfüllung gefunden

Neuss · Ambulante Pflegedienste in Neuss und Dormagen aufgebaut, seit mehr als drei Jahrzehnten in allen nur erdenklichen Positionen ehrenamtlich für den HTC SW Neuss im Einsatz und jetzt auch noch Hauptsponsor des Hockeyteams – Carlos Navarette findet in der Bewegung Glück und Ruhe.

 „Ich bin schon viel ruhiger geworden.“ Carlos Navarette (knieend) bei einem Heimspiel seiner „Hockey-Jungs“ mit dem ehemaligen Trainer Andi Bauch.

„Ich bin schon viel ruhiger geworden.“ Carlos Navarette (knieend) bei einem Heimspiel seiner „Hockey-Jungs“ mit dem ehemaligen Trainer Andi Bauch.

Foto: Berns, Lothar (lber)

Wer wissen will, wie Carlos Navarette wirklich tickt, muss ihn in seinem ganz und gar ungewöhnlichen Haus Am Krausenbaum in Neuss besuchen. Schon auf der Türschwelle fordert die zarte Esther leise schnurrend erste Schmuseeinheiten ein. Und sie ist nicht allein. Zur glücklichen Katzenfamilie gehören außerdem noch Paula, die „Dicke Susi“ und Kater Don, der eigentlich nur zum Fressen vorbeischaut. „Alle adoptiert“, sagt Navarette. Kein Zwang. Kein Stress. Das gilt auch für die Igel-Familie, die im Garten jedes Jahr aufs Neue ihr kuscheliges Winterquartier unter Bergen von Laub aufschlägt, jetzt aber gerne die Kühle des Hauses sucht. Im Sommer hat die tierische Gesellschaft nämlich Vollpension gebucht. Navarette: „Jeden Morgen um 5 Uhr steht die ganze Bagage vor der Türe. Dann ist die Nacht zu Ende.“

Sie spüren, hier ist jemand, für den es völlig normal ist, für andere da zu sein. So ist ihr unfreiwilliger „Herbergsvater“ halt. „Ich bin zu gutmütig, kann nicht nein sagen.“ Eine vermeintliche Schwäche, die sich wie ein Roter Faden durch sein freilich gerade deshalb so ungemein erfülltes Leben zieht. Es ist gut drei Jahrzehnte her, als ihn der mit einem ebenso großen Herzen ausgestattete Teammanager Horst Busse mit diesen Worten aus der Tennisabteilung des HTC Schwarz-Weiß zu den Hockey-Herren lotste: „Ich brauche einen Betreuer, der keine Ahnung vom Hockey hat, denn wer keine Ahnung hat, kann mir auch nicht dazwischenquatschen.“ Der Beginn einer wunderbaren und äußerst erfolgreichen Zusammenarbeit, die die Mannschaft von der Verbandsliga bis zur Deutschen Vizemeisterschaft bringen sollte. Mittlerweile sitzt Navarette länger auf einer Bundesliga-Bank als jeder Kollege in Deutschland. Dabei dient er dem HTC in jeder nur vorstellbaren Art und Weise: Er war Abteilungsleiter, Schatzmeister, Trainer, vertritt die Herren-Mannschaft als Teamleiter in allen Bundesliga-Angelegenheiten und hat ganz aktuell das in Corona-Zeiten immens wichtige Amt des Hygienebeauftragten übernommen. Kurzum, fasst er zusammen: „Ich bin das Mädchen für alles.“ Gibt’s auf der Anlage ein Problem, steht er parat – ebenso wie als fürsorglicher Gastgeber für aus dem befreundeten Ausland an die Jahnstraße geholte Spieler.

 Hockey im Kopf: Im 1985 gegründeten Schützenlust-Zug „De Pflümlis“ hat es der mittlerweile 55-Jährige bis zum Oberleutnant gebracht.

Hockey im Kopf: Im 1985 gegründeten Schützenlust-Zug „De Pflümlis“ hat es der mittlerweile 55-Jährige bis zum Oberleutnant gebracht.

Foto: Andreas Woitschützke

Anderen zu helfen, ist einfach fest in seiner DNA verankert. Auch im Job: Zusätzlich zu seinem Studium der Sonder- und Heilpädagogik ließ er sich zum Heim- und Pflegedienstleiter ausbilden, war in dieser Funktion unter anderem zehn Jahre für das Evangelische Krankenhaus (EVK) in Düsseldorf-Bilk, im Wohn- und Begegnungszentrum Fliedner-Haus in Gnadental sowie als Koordinator der Altenhilfe im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirchengemeinden Neuss tätig. Trotz weiterer geschäftlicher Station in Frankfurt und Hellenthal blieb er der Quirinusstadt und dem HTC stets verbunden, riss im ehrenamtlichen Dienst für Schwarz-Weiß Kilometer um Kilometer auf Deutschlands Autobahnen ab. „Ich war immer sehr fleißig“, sagt er mit ernster Stimme.

 Coole Socke: Carlos Navarette hat in der Bundesliga schon alles erlebt.

Coole Socke: Carlos Navarette hat in der Bundesliga schon alles erlebt.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Darum ließ er sich mit Anfang 50 noch einmal auf ein berufliches Abenteuer ein: Nach 35 höchst produktiven Arbeitsjahren durch die Grundrente finanziell abgesichert, wagte er 2017 mit dem Ambulanten Pflegedienst „Daheim – Zuhause“ an der Friedrichstraße in Neuss den Sprung in die Selbstständigkeit. „Das was ich für andere mache, kann ich auch selber machen.“ Und der Laden brummt. 45 Mitarbeiter kümmern sich inzwischen um Wohl und Zufriedenheit hilfs- und pflegebedürftiger Menschen. Gerade hat Navarette, „seit mehr als 30 Jahren glücklich liiert, aber nicht verheiratet“, in Dormagen eine zweite Niederlassung aufgemacht. Darüber hinaus hat er die Landeshauptstadt fest im Blick. Und weil es ihm gut geht, ist er bereit abzugeben. Als neuer Hauptsponsor der Bundesliga-Truppe (Hockey) füllt er die durch das Ausscheiden des Neusser Sushi-Herstellers Natsu Foods entstandene Lücke bereitwillig aus. „Ich wusste ja, dass keiner da war – und ich bin kein Typ, der auf sein Konto guckt. Ich habe alles, was ich brauche.“ Mehr Identifikation mit seiner Heimatstadt und seinem Verein geht nicht mehr.

Daran sollten beim nächsten Heimspiel des HTC diejenigen denken, die in dem Tausendsassa mit den lustigen Flip Flops bloß den unbedarften Clown sehen. Denn das ist nur eine seiner vielen Rollen. „Die Leute erwarten das einfach“, bestätigt er, fügt aber lässig hinzu: „Ich kann auch anders.“ Wo der dennoch erstaunlich gelassen wirkende Vielbeschäftigte noch die Zeit abknappst, um dreimal die Woche laufen zu gehen, mit dem Rennrad Tagestouren von an die 200 Kilometer abzureißen und sich im Schützenwesen zu engagieren, muss an dieser Stelle ein Rätsel bleiben.

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