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TSV Bayer trotzt Gensungen und den Schiedsrichtern Blitzstart wie aus dem Bilderbuch

Klaus Pelzer spielte nervös mit dem Eispack in seiner Hand: "Wenn die das mal durchhalten... " Gleich daneben auf der Bank erging sich Knut Kleinsorge in ähnlichen Gedanken: "Dieses Niveau kann man unmöglich 60 Minuten halten." Beide, ihren Physiotherapeuten wie ihren Pressesprecher, belehrten die Handballer des TSV Bayer Dormagen am Samstagabend eines Besseren. Siegtor: Tobias Plaz. -->

Klaus Pelzer spielte nervös mit dem Eispack in seiner Hand: "Wenn die das mal durchhalten... " Gleich daneben auf der Bank erging sich Knut Kleinsorge in ähnlichen Gedanken: "Dieses Niveau kann man unmöglich 60 Minuten halten." Beide, ihren Physiotherapeuten wie ihren Pressesprecher, belehrten die Handballer des TSV Bayer Dormagen am Samstagabend eines Besseren. Siegtor: Tobias Plaz. -->

Einem Blitzstart aus dem Bilderbuch, der sie nach zwölf Minuten mit 7:2 in Führung brachte, ließen sie in der gefürchteten "Hölle Nord" der HSG Gensungen/Felsberg eine beeindruckende kämpferische wie spielerische Leistung folgen, die ihnen in einer hochdramatischen Partie mit dem 27:26 (Halbzeit 14:11) den sechsten Auswärtssieg und die weitere Tuchfühlung zum Spitzentrio der Zweiten Liga Süd bescherte. Ein Sieg, den die Dormagener nicht allein gegen eine mit allen erlaubten und unerlaubten Tricks zu Werke gehende HSG errangen, sondern auch gegen ein Schiedsrichtergespann, das dem Niveau und der Bedeutung der Partie keinesfalls gewachsen war.

Gelinde gesagt. Härter schrie TSV-Trainer Kai Wandschneider dreieinhalb Minuten vor dem Schlusspfiff seinen Ärger heraus: "Das ist ein Skandal, was hier gepfiffen wird." Was den Handball-Lehrer beim Stande von 25:25 so auf die Palme brachte, waren die voraufgegangenen vier Angriffszüge seiner Schützlinge, die allesamt von den Unparteiischen Pohl/Seifert (Bernstadt/Görlitz) wegen angeblicher Stürmerfouls abgepfiffen worden waren. Bayer drohte am theatralischen Geschick von Arnd Kauffeld zu scheitern: Der Gensunger Kreisläufer zeigte in Angriff wie Abwehr eine bühnenreife Vorstellung, holte vor der Pause sechs Strafwürfe heraus, von denen mindestens die Hälfte höchst zweifelhaft war.

"Hier musst du mit sechs Toren führen, um eine Siegchance zu haben", schimpfte Torhüter Joachim Kurth schon nach fünf Minuten, nachdem die Unparteiischen bereits zwei Mal auf den Siebenmeterpunkt gezeigt hatten. Den ersten Strafwurf von Gherhard nach 59 Sekunden wehrte er ab, den zweiten setzte Göbel an die Latte. Doch Kurth irrte. Bayer führte nie mit sechs Toren, nur fünf Mal (7:2, 12.; 8:3, 15.; 10:5, 19.; 11:6, 20. und 12:7, 22.) mit fünf Treffern. Zum Sieg reichte es trotzdem - und daran hatte Kurth mit 18 gehaltenen Bällen allergrößten Anteil: "Der überragende Mann in einer geschlossen guten Mannschaft, er hat sensationell gehalten", lobte Wandschneider den 34-Jährigen, der nach Kreuzbandriss und Knieoperation ein Comeback wie aus dem Hollywood-Drehbuch feiert.

Kurth beherzigte auch die alte Torhüter-Weisheit: "Wichtig ist am Schluss." Denn nachdem er zwischen der 44. und 54. Minute keinen Ball zu fassen bekam, sich von Duketis und Negovan mit etlichen Hebern düpieren ließ, war er in der Schlussphase plötzlich wieder "da": Vier Paraden in den letzten 300 Sekunden bescherten den Dormagenern endgültig den Sieg, weil Tobias Plaz in der vorletzten Minute die Nerven behalten hatte: Er verwandelte ausgerechnet den ominösen dritten Siebenmeter zum 27:26 (58:21)...

Daran konnte auch die letzte zweifelhafte Entscheidung der Schiedsrichter nichts ändern: Nach Kurths Parade gegen den frei vor ihm auftauchenden Kauffeld (59:10) hat Bayer Ballbesitz; Marcel Wernicke wird gefoult; nach 59:27 Minuten bekommen die Gäste einen Freiwurf zugesprochen, doch nicht einmal zehn Sekunden später heben Pohl/Seifert bereits den Arm zum "Zeitspiel." Ob sie es dann auch tatsächlich pfiffen, oder ob sie auf Stürmerfoul gegen Kopeinigg entscheiden, ist in der Hektik schwer auszumachen. Tatsache ist: Gensungen erhält zwanzig Sekunden vor dem Abpfiff noch einmal Ballbesitz, noch dazu in Überzahl, weil die Unparteiischen den protestierenden Kopeinigg mit Zeistrafe vom Feld schicken.

HSG-Trainer Dr. Günter Böttcher nimmt Torhüter Stahl aus dem Kasten, schickt Mario Schanze als siebten Feldspieler in den Angriff. Doch anstatt den auf Außen freizuspielen, wagt Carsten Göbel zehn Sekunden vor Schluss aus halblinker Position einen Verzweiflungswurf - und scheitert an Kurth! Der Rest geht im grenzenlosen Jubel der Bayer-Handballer und ihrer fünfzig mitgereisten Fans unter... Es war ein verdienter Sieg, das gab hinterher selbst Böttcher zu, der zur Pause die Schiedsrichter massiv angegangen war. Verdient, weil die Dormagener über weite Strecken klaren Kopf behielten in der aufgeladenen Atmosphäre.

Verdient, weil sie die Rote Karte gegen Michiel Lochtenbergh (42.) nach Foul an Negovan wegsteckten. Verdient, weil sie, ähnlich wie in Düsseldorf, zwei Mal wieder in die Partie zurückfanden, nachdem die Gastgeber eine erfolgreiche Aufholjagd gestartet hatten: Nach dem 15:15 (35.), dem ersten Gleichstand überhaupt, stellte Wandschneider die Deckung auf 5:1 um, brachte Wernicke und Hirschfelder. Mit Erfolg: Bayer zog auf 19:15 (39.) davon. Und nach dem 23:22 durch Duketis (51.), der einzigen Gensunger Führung überhaupt, brachen die Dormagener nicht wie früher ein: Rainer Hantusch, bis dahin auf der Bank, kam als Joker und traf zum 24:23. Bayer hat sich weiterentwickelt - und das nicht zum Schlechten. Volker Koch

(NGZ)
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