Bayers Europapokal-Abenteuer Der stille Star des Dormagener Handballs

Dormagen · Klaus Dyllong hat als Abwehrchef des TSV Bayer Dormagen innerhalb eines Jahrzehnts den Durchmarsch von der Regionalliga bis ins Europapokal-Finale geschafft.

Klaus Dyllong (unten r.) war der stille Star im TSV-Kader der Saison 1992/93: (oben v.l.) Jörg Scheuermann, Joachim Sproß, Michael Klemm, Maik Handschke und Norbert Nowak; (Mitte v. l.) Manager Werner Nowak, Betreuer Herbert Genzer, Physiotherapeut Dirk Stroda, Christian Fitzek, Robert Andersson, Michael Biegler und Hade Schmitz; (untern v. l.) Karsten Kohlhaas, Matthias Schmidt, Holger Lidolt, Andreas Thiel, Christopher Klemme, Dieter Springel.

Klaus Dyllong (unten r.) war der stille Star im TSV-Kader der Saison 1992/93: (oben v.l.) Jörg Scheuermann, Joachim Sproß, Michael Klemm, Maik Handschke und Norbert Nowak; (Mitte v. l.) Manager Werner Nowak, Betreuer Herbert Genzer, Physiotherapeut Dirk Stroda, Christian Fitzek, Robert Andersson, Michael Biegler und Hade Schmitz; (untern v. l.) Karsten Kohlhaas, Matthias Schmidt, Holger Lidolt, Andreas Thiel, Christopher Klemme, Dieter Springel.

Foto: TSV Bayer Dormagen

Es gibt Handballer, die waren bereits ein Star, bevor sie beim TSV Bayer Dormagen anheuerten – Andreas Thiel ist das prominenteste Beispiel. Es gibt Handballer, die wurden in anderen Trikots zum Star, nachdem sie in Dormagen ausgebildet worden waren – Kentin Mahe, Simon Ernst und Julian Köster gingen diesen Weg. Der eigentliche „Star“ in 40 Jahren Dormagener Profi-Handball aber ist einer, um den nie viel Aufhebens gemacht wurde – und der auch nie viel Aufhebens um seine Person machte. Doch Klaus Dyllong, von allen nur „Dolo“ genannt (dazu später mehr), ist der einzige, dem innerhalb eines Jahrzehnts der Durchmarsch von der Regionalliga bis ins Endspiel des IHF-Europapokals gelang. Und mehr als das: Ohne seine Abwehrkünste hätte es diese Erfolgsgeschichte in dieser Form wohl nie gegeben.

Klaus Dyllong sieht das etwas anders: „Alleine hätte ich es als Spieler wohl nie bis in die Bundesliga geschafft,“ sagt der 61-Jährige in der ihm eigenen Bescheidenheit, „ich hatte das Glück, dass der TSV dank des Sponsorings der Bayer AG viele erstklassige Spieler nach Dormagen holen konnte.“ Fakt ist: Als die „Werkshandballer“ vor 40 Jahren, genau am 4. Juni 1983, trotz einer 21:23-Niederlage bei der SG VTB Altjührden dank des 26:21-Hinspielsieges erstmals den Sprung in die Zweite Liga schafften, war Klaus Dyllong bereits ihr Abwehrchef. Als ihnen vier Jahre später unter Meistermacher Petre Ivanescu mit 24 Siegen, zwei Unentschieden und ohne eine Niederlage der Durchmarsch bis in die Bundesliga gelang, stand Klaus Dyllong im Abwehrzentrum seinen Mann.

Und als sie am 30. Mai 1993 ins mit 3500 Zuschauern ausverkaufte Sportzentrum in Santander einliefen, um gegen die spanische „Weltauswahl“ um die Olympiasieger Talant Dujshebaev und Mikhail Jakimowitsch ihr Vier-Tore-Polster aus dem mit 24:20 gewonnenen Hinspiel zu verteidigen, war Klaus Dyllong immer noch dabei. Das Polster war angesichts eines 8:14-Rückstandes zur Pause schnell aufgebraucht, am Ende stand eine 20:26-Niederlage auf der Anzeigetafel – was den Stolz von Klaus Dyllong auch 30 Jahre danach nicht schmälern kann: „Wir waren doch der krasse Außenseiter, dass wir gegen Gegner wie Minsk und Leutershausen überhaupt bis in Finale gekommen sind, war schon eine Sensation.“

Klaus Dyllong in alten Zeiten.

Klaus Dyllong in alten Zeiten.

Foto: TSV Bayer Dormagen

Ein Finale, das dem einstigen Abwehrchef nicht nur wegen des Geschehens auf dem Spielfeld lebhaft in Erinnerung geblieben ist. Als „Dolo“ beim stimmungsvollen Abschlussbankett im Kongresszentrum auf dem Rückweg von der Toilette falsch abbog, stand er plötzlich mitten in einer Hochzeitsgesellschaft – und musste einen Tanz mit der Braut aufs Parkett legen. „Wir waren beide froh, als es vorbei war,“ gibt er lachend zu. Denn ein Filigrantechniker ist Klaus Dyllong nie gewesen: „Meine Bundesliga-Tore kann ich an den Fingern einer Hand abzählen,“ sagt er. Dass er zu seiner Zeit einer der besten Abwehrspieler Deutschlands war, diesem Urteil stimmt er trotz der ihm eigenen Bescheidenheit dann aber doch zu.

Im Positionsangriff hat „Dolo“ selten bis nie gespielt, „da hatten wir bessere.“ Falls er mal über die Mittellinie stürmte, dann höchstens in der zweiten Welle oder beim Gegenstoß. Wenn er das tat, erhoben sich die Zuschauer in der „Schweinehalle“ wie ein Mann von ihren Sitzen, um ihn anzufeuern: „Das hat mir sehr geholfen, meine Nervosität zu bekämpfen,“ sagt Klaus Dyllong. Die Fans liebten ihn, weil der Chemiefacharbeiter „beim Bayer“ einer der Ihren war. „Wenn wir nach einem Vormittagstraining in der Bayer-Kantine Mittagessen gingen, traf Dolo seine Arbeitskollegen. Die haben ihn immer sehr respektvoll behandelt,“ erinnert sich sein damaliger Trainer HaDe Schmitz und fügt an: „Das hat mich stark beeindruckt, wir hatten ja sonst fast nur Studenten im Team.“

So einen Mann würden Vereine heute nach dem Karriereende in irgendeiner Funktion an sich binden. Als „Dolo“ 1995 die Handball-Schuhe an den Nagel hängte, ließ der TSV ihn ziehen, so dass der „stille Star des Dormagener Handballs“ fortan nur noch als Zuschauer in die Halle kam. Dort war er früher regelmäßig, kommt vielleicht bald wieder öfter, weil „der Enkelsohn meiner Freundin“ Gefallen am Handball gefunden hat und beim jüngsten 29:27-Heimsieg über den TV Hüttenberg zu den „Einlaufkids“ gehörte. Der Kontakt zu den Mitspielern von einst ist allerdings eingeschlafen, um so mehr freut er sich auf das Wiedersehen mit ihnen im Rahmen des „Jubiläums-Spiels“ am Freitag (19.30 Uhr) gegen TuSEM Essen. „Dass so viele kommen, damit hätte ich nie gerechnet,“ sagt Klaus Dyllong, den an diesem Abend bestimmt niemand so nennen wird. Doch warum „Dolo“? Das hat sowohl mit Handball als auch mit Langnese zu tun. Denn als er in der Jugendmannschaft zum Eisholen geschickt wurde, gab’s für die anderen Nogger – für den Jüngsten blieb aber nur ein Dolomiti übrig. Passt irgendwie zu einem, der in seiner Karriere viel erreicht, aber nie Aufhebens darum gemacht hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort