Basketball Tigers lassen „Elfmeter“ ungenutzt

Neuss · Gegen den arg ersatzgeschwächt angetretenen Tabellenführer BBZ Opladen geht der Basketball-Zweitligist TG Neuss im letzten Viertel mit 7:19 unter verliert vor heimischem Publikum noch deutlich mit 42:62. 

 Einzelkämpferin wider Willen: Die für die Tigers tätige US-Amerikanerin Lydia Baxter versucht mit beherztem Zug zum Korb, Opladens Luca Marre (l.) und Lea Wolff zu entwischen.

Einzelkämpferin wider Willen: Die für die Tigers tätige US-Amerikanerin Lydia Baxter versucht mit beherztem Zug zum Korb, Opladens Luca Marre (l.) und Lea Wolff zu entwischen.

Foto: A. Woitschützke

Es bleibt dabei: Nichts ist so schlimm, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte. Die vierte Niederlage der Tigers in Folge war längst gewiss, da sank Nicole Egert nach einer unglücklichen Kollision in der Vorwärtsbewegung zu Boden, blieb dort eine gefühlte Ewigkeit fast regungslos liegen und wurde schließlich mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Das hat die 28-Jährige inzwischen wieder verlassen, doch mit der vom Arzt diagnostizierten Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen.

Nach guter Laune war am Samstag indes ohnehin keinem beim seit Jahresbeginn vollkommen neben der Kappe stehenden Basketball-Zweitligisten aus Neuss. Die am Ende noch deutliche 42:62-Pleite (Halbzeit 27:30) fühlte sich an wie ein Knockout. Der wäre fällig gewesen, wenn am Wochenende neben Bochum (72:67-Sieg in Chemnitz) und Osnabrück (64:54-Erfolg gegen Grünberg) in Marburg ein weiterer Konkurrent im Abstiegskampf gepunktet hätte. Die Young Dolphins schnupperten beim 61:64 in Braunschweig ebenfalls an einer dicken Überraschung. Damit bleibt es (vorerst) beim Sechs-Punkte-Vorsprung der Neusserinnen auf den rettenden achten Rang. Doch es stellt sich die Frage, wie Trainer Rufin Kendall mit seinen Schützlingen im Nacholspiel am Freitag in Marburg (20.30 Uhr) bestehen will? Denn die Leistung gegen die mit einer B-Mannschaft angetretenen Opladenerinnen gibt Anlass zu großer Sorge. Obwohl der Spitzenreiter aus diversen Gründen ohne Leonie Schütter (14,2 Punkte im Schnitt), US-Girl Ambrosia Anderson (8,1), Martha Middeler (7,7), Laura Zdravevska (7,6), Corinna Flaskamp sowie Olivia Okpara auskommen musste und Coach Grit Schneider unter der Woche zwei der drei Trainingseinheiten hatte ausfallen lassen, machten die Tigers zu keiner Sekunde des Spiels den Eindruck, diesen unverhofften „Elfmeter“ entschlossen nutzen zu wollen. „Sie waren gar nicht da“, bestätigte Kendall einigermaßen fassungslos.

Im Grunde reichte den Gästen in Aufbauspielerin Lea Wolff (24 Punkte, 4/6 Dreier), der bis zum vergangenen Frühjahr in Neuss tätigen Centerin Lotti Ellenrieder (15 Punkte, 9 Rebounds) und Sarah Kuschel (11) ein Trio, um die Tigers matt zu setzen. Genau auf diese „Key Persons“ (Schlüsselspielerinnen) hatte Kendall sein Team vorher explizit hingewiesen. Dass Opladen in den 40 Spielminuten 54 Mal auf den Neusser Korb werfen durfte, war auch für ihn die Bestätigung, „dass wir einfach nicht verteidigt haben.“ Und im Angriff hat sein Team mit Ausnahme der diesmal trotz ihres obligatorischen Double-Doubles (12 Punkte/16 Rebounds) seltsam verunsichert wirkenden US-Amerikanerin Lydia Baxter aktuell nichts anzubieten. „Wir tun uns nach wie vor schwer mit der Zone“, sagt der Coach, will dabei aber die Abwesenheit einer Spielmacherin nicht mehr länger als Ausrede gelten lassen. „Es ist ja nicht so, dass wir keine Plays haben – es hält sich halt nur keine dran.“

Dass die Tigers trotzdem bis tief ins dritte Viertel und dem Dreier von Lydia Sy zum 32:36 (27.) im Spiel blieben, zeigt, wie groß die Chance war, dieses unter normalen Umständen kaum zu gewinnende Duell mit einem der Topklubs der Liga (das Hinspiel war mit 88:27 an Opladen gegangen) zu „stehlen“. Stattdessen durfte sich die von den Gastgeberinnen nicht zu verteidigende Lea Wolff nahezu unbehelligt daran machen, das Match zu entscheiden: Mit drei Treffern von jenseits der Drei-Punkte-Linie zwischen der 28. (39:32) und der 31. Minute (48:35) machte sie den Deckel drauf aufs auf sehr bescheidenem Niveau geführte rheinische Derby. Übrigens: Auf den Showdown am Freitag in Marburg folgt für die Tigers am Abend darauf die Partie in Braunschweig (18 Uhr). Spaß ist anders.

Kommentar

Was stimmt denn nur mit den Tigers nicht (mehr)? Ja, der Abgang von Spielmacherin Maria Afzti nach Heidelberg hat das fragile Gefüge innerhalb der vor der Saison komplett neu formierten Mannschaft nachhaltig durcheinandergebracht. Auch das dubiose Kurzgastspiel des als Hoffnungsträgerin verpflichteten US-Girls Myia Starks und ihr fast schon fluchtartiger Abschied ist am verunsichert wirkenden Team des Basketball-Zweitligisten nicht spurlos vorbeigegangen. Es fehlt, gerade in dieser von der Corona-Pandemie mit ihren vielen Herausforderungen geprägten Zeit, eine Führungsperson auf dem Parkett. Von der Leistung her wäre das „Lady Double-Double“ Lydia Baxter, doch entspricht das nicht ihrem offensichtlich von (total unnötigen) Selbstzweifeln bestimmten Naturell. Auch Inga Krings und Centa Bockhorst kämen für diese Rolle infrage, sind nach verletzungs- und berufsbedingten Auszeiten aber wohl noch nicht soweit.

Zu lösen ist das Problem darum nur in der Gruppe. Und da werfen fast schon ärgerliche Auftritte wie die gegen Osnabrück (42:66) und Opladen (42:62) Zweifel auf, ob die Tigers tatsächlich bereit sind, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln um den eigentlich zum Greifen nahen Klassenverbleib zu kämpfen. Da der Impuls nicht aus der Mannschaft kommt, ist jetzt mehr denn je der Trainer gefragt. Schon bis zum ersten Endspiel am Freitag in Marburg muss es Rufin Kendall gelingen, in die Köpfe seiner Spielerinnen zu kommen. Da muss es Klick machen, sonst führt der Weg nach zwölf Jahren zurück in die Regionalliga.               

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