Basketball Wenn sich Lars Fuhrmann in „Tony the Tiger“ verwandelt ...
Neuss · Bei den Heimspielen der Neusser Zweitliga-Basketballerinnen sorgt der 19-Jährige schon seit fast sechs Jahren für gute Stimmung auf der Tribüne.
Hand aufs Herz. Hätten wir uns getraut, mit 14 Jahren, also faktisch zum Höhepunkt der mitunter so problembehafteten Pubertät, in ein Tiger-Kostüm zu schlüpfen, um ein nicht selten deprimierend desinteressiertes, in seinem Urteil aber auf jeden Fall gnadenloses (Sport-) Publikum in Wallung zu bringen? Lars Fuhrmann, mittlerweile fast 20, brachte diese ganz und gar bewundernswerte Courage auf. Seit nunmehr sechs Jahren ist er bei Heimspielen der TG Neuss in der Zweiten Basketball-Bundesliga als „Tony the Tiger“ im Einsatz. „Dabei sind meine Tanz-Skills nicht unbedingt die besten“, räumt er ehrlich ein.
Die Sache mit dem Mut unterschreibt er allerdings sofort. „Am Anfang habe ich schon versucht, das ein bisschen piano zu halten“, gesteht er. Dass „ein Mann in den Frauensport geht“, so seine damals nicht unbegründete Befürchtung, hätte seine Kumpels am Nelly-Sachs-Gymnasium leicht auf dumme Gedanken bringen können. „Damit hatte ich tatsächlich zu kämpfen. Dabei ist das, was ich auf dem Feld mache, nur eine Rolle.“
Und die spielt er gut. Vor allem in den auch sportlich erfolgreichen Jahren unter Trainerin Janina Pils fühlte er sich als Teil des Teams. Sie und Spielerinnen wie Jana Heinrich oder Franzi Worthmann wussten sein Engagement zu würdigen. „Die fanden gut, was ich mache, haben mir das auch immer wieder gesagt, mich unterstützt und sich bedankt.“
Denn ein gutes Maskottchen ist so viel mehr als ein Pausenclown. Lars Fuhrmann weiß das: „Du stehst voll im Rampenlicht, musst dirigieren, wenn es im Spiel gut läuft und initiieren, wenn es nicht so gut läuft.“ Dabei das richtige Maß zu finden, ist nicht leicht. Zumal sein Job der Idee „Learning by doing“ folgt, das Handbuch für die oftmals betont männlichen Tierfiguren am Spielfeldrand steht noch aus. Und so etwas wie eine Generalprobe gibt es in der 2. Damen-Bundesliga ebenfalls nicht. „Ich nehme mir zwar immer vor, so eine Art Choreografie zu entwickeln, aber im Grunde lebst du von der Improvisation. Selbst die Musik ist jedes Mal unberechenbar.“
Und dann ist da ja auch noch das rund 1500 Euro teure Kostüm. Dass es einem darunter schnell kuschelig warm wird, dürfte niemanden überraschen. Fuhrmann bestätigt: „Du gibst zwei Stunden Vollgas. Du läufst, du tanzt, du schreist, bist ständig in Bewegung“ – da wird so ein Abend mitunter zum Marathon. „Früher war ich danach immer total kaputt.“ Zudem sei die Sicht massiv eingeschränkt, was vor allem das Treppensteigen zu einer echten Herausforderung mache.
Gut, dass ihn sein Lehramtsstudium Sport und Mathematik für das Gymnasium sowohl mit der nötigen Kondition als auch der dringend erforderlichen Koordination ausstattet. „Tony the Tiger“ ist im dritten Semester an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster eingeschrieben. Das heißt aber auch, dass er für jedes Match der Zweitliga-Damen mehr als anderthalb Stunden anreisen muss. Ein Problem hat er damit freilich nicht, schließlich hatte er sein Herz schon vor seinem Engagement als Glücksbringer an die Tigers und den Basketball verloren. Tennis, Fußball und Schwimmen waren schnell aufs Abstellgleis gestellt, als er in der Saison 2016/2017, bestückt mit einer beim Neusser Schützenfest generierten Freikarte, den Weg in die Elmar-Frings-Sporthalle fand. Es waren vor allem die packenden Playoff-Duelle mit Göttingen und Wolfenbüttel, die seine Leidenschaft für den 1891 von James Naismith in der US-amerikanischen Stadt Springfield (Massachusetts) erfundenen Sport entfachte. Zunächst half er an der Kasse aus, machte sich als Ehrenamtler nützlich – und wurde dann selber zum Tiger. 2017/2018 war seine erste volle Saison, am Ende gekrönt von der ungemein packenden Halbfinal-Playoff-Serie um den Aufstieg ins deutsche Oberhaus gegen das Wolfpack Wolfenbüttel. Das letzte Spiel mit Janina Pils auf der Trainerbank und der bis heute letzte Auftritt in der Postseason.
Traurig: Mit dem kaum mehr zu verhindernden Abstieg der Tigers in die Regionalliga würde wohl auch Lars Fuhrmann als „Tony the Tiger“ in Rente gehen.