Sport allgemein Die große Kraft des Sports

Analyse Die Rückkehr in einen geregelten Sportbetrieb stellt für die 19.000 im DOSB organisierten Vereine eine Herkulesaufgabe dar, die sie auch im Rhein-Kreis weitgehend in Eigenregie bewältigen. Andere Bereiche der Gesellschaft könnten in diesen Tagen einiges vom Sport lernen.

 Anke Toll, Annette Weeres und Christiane König (v.l.) zeigen auf der Klubhausterrasse des HTC SW Neuss, worauf es in diesen Tagen ankommt.

Anke Toll, Annette Weeres und Christiane König (v.l.) zeigen auf der Klubhausterrasse des HTC SW Neuss, worauf es in diesen Tagen ankommt.

Foto: HTC

Hygienemaßnahmen und die Überwachung der Einhaltung von Abstandsregeln standen bisher noch nicht auf dem Programm bei Übungsleiterausbildungen und Trainerschulungen. Das wird sich ändern. Denn beides bildet zur Zeit den Arbeitsschwerpunkt aller im Sport Tätigen, sei es draußen im Freien – die meisten Hallen sind ja noch geschlossen – beim vorsichtig gestarteten Übungsbetrieb mit den Aktiven oder drinnen in den Geschäftsstellen (oder im Homeoffice), wo das Ganze organisiert werden muss.

Eine Herkulesaufgabe für die rund 19.000 im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zusammengeschlossenen Vereine, mit der verglichen die Organisation von ein paar umstrittenen Geisterspielen in der Fußball-Bundesliga eine, wie Altkanzler Helmut Schmidt gesagt hätte, „Petitesse“ ist. Der Sport stellt sich dieser Aufgabe, vielleicht nicht immer ganz klaglos, aber mit der der Sportbewegung innewohnenden Energie. Und er tut es, natürlich in Absprache mit den zuständigen Behörden, weitgehend in Eigenregie.

 Sporttreiben im Ausnahmezustand: Nicht nur der HTC SW Neuss weist in diesen Tagen seine Mitglieder auf die besonderen Bedingungen hin.

Sporttreiben im Ausnahmezustand: Nicht nur der HTC SW Neuss weist in diesen Tagen seine Mitglieder auf die besonderen Bedingungen hin.

Foto: HTC

Dabei sind die Herausforderungen immens. Fast täglich, hat Andreas Warnt festgestellt, gelte es neue Vorgaben und Vorschriften zu berücksichtigen. Der Vorsitzende der SG Kaarst sagt das stellvertretend für (fast) alle, die in diesen Tagen versuchen, so etwas wie einen geregelten Sportbetrieb wieder ans Laufen zu bringen.

Wer dazu über hauptamtliche Kräfte verfügt, ist dabei klar im Vorteil. Doch das ist keine neue Erkenntnis. Sicher kann sich nicht jeder Verein einen oder mehrere Hauptamtler leisten – mehrere zusammen aber schon. Solche Kooperationen empfehlen die Sportverbände ihren Mitgliedsvereinen schon seit Jahren, stießen aber bislang meist auf taube Ohren. Vielleicht „hilft“ die Corona-Krise ja hier wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen auch, einen Prozess zu beschleunigen, der ohnehin kommen wird, will der ehrenamtlich organisierte Sport unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen überleben.

So oder so beweist der Sport in diesen Tagen seine große Kraft. Daran ändert auch nichts, dass vielen trotz aller Freude, wieder in gewissem Maße zum gewohnten Sporttreiben zurückkehren zu können, dieser Lockerungsprozess zu schnell ging. Vieles ist deshalb mit der berühmten heißen Nadel gestrickt, vieles Flickwerk und oft nur schwer nachzuvollziehen. So dürfen die Kaarster Bürger ab Montag sukzessive wieder in „ihre“ Turnhallen zurück, auch Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld kündigt in einem Schreiben von Donnerstag an: „Auch die Nutzung der Turnhallen soll ab der nächsten Woche wieder ermöglicht werden.“ Die genau in der Mitte zwischen beiden Kommunen lebenden Neusser warten auf eine solche Ankündigung hingegen noch vergeblich.

Die Akzeptanz der getroffenen und in vielen Fällen unumgänglichen Maßnahmen erhöht das sicher nicht. Auch nicht, wenn Vereine berichten, dass sie seit der zaghaften Aufnahme des Trainingsbetriebs im Außenbereich mehrmals täglich Besuch von Mitarbeitern des Ordnungsamtes erhalten. Es gibt genügend Bereiche des öffentlichen Lebens, in denen solche Kontrollen notwendig sind. Sportler hingegen sind es gewohnt, Regeln einzuhalten, denn ohne Regeln funktioniert im Sport kein einziges Spiel, kein einziger Wettkampf – und auch im Training kann nicht jeder machen, was er will. Und die Sportvereine haben ein hohes Eigeninteresse daran, dass es nicht wieder zu einem „Shutdown“ des gerade gestarteten Vereinslebens kommt.

27 Millionen Menschen treiben in einem dem DOSB angeschlossenen Verein Sport. So viele Mitglieder hat keine Kirche und keine Gewerkschaft. Die meisten von ihnen (schwarze Schafe gibt es natürlich auch hier) beherzigen Regeln, gehen solidarisch miteinander um, beweisen täglich Selbstdisziplin. Vielleicht täte es ganz gut, andere gesellschaftliche Bereiche würden sich ein wenig am Sport orientieren, nicht nur, aber vor allem in Krisenzeiten.

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