Handball „Diese Zweite Liga ist ein Marathonlauf“

Analyse Ein Viertel aller Saisonspiele sind gespielt in der Zweiten Handball-Bundesliga, doch eine klare Tendenz ist weder an der Spitze noch im Tabellenkeller zu erkennen. Nur in einer Einschätzung sind sich Trainer und Manager einig: Wer nicht 60 Minuten lang kämpft, hat schon verloren.

waehrend des 2. Liga  Handballspiels zwischen TuS Ferndorf und TSV Bayer Dormagen (22:34) in der Sporthalle Staehlerwiese in Kreuztal, am 19. Oktober 2019. Heinz J. Zaunbrecher

waehrend des 2. Liga Handballspiels zwischen TuS Ferndorf und TSV Bayer Dormagen (22:34) in der Sporthalle Staehlerwiese in Kreuztal, am 19. Oktober 2019. Heinz J. Zaunbrecher

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Es scheint, als hätten sie sich abgesprochen: Was der eine Trainer am Samstag sagt, hatte der andere eine Woche zuvor auch schon festgestellt. „Wir können nicht nur mit schönem Handball gewinnen, wir müssen hinten auch mal eklig sein,“ sagte Rico Göde nach der 28:32-Niederlage des von ihm trainierten HC Elbflorenz Dresden gegen den HSC Coburg. Und Torsten „Toto“ Jansen, Ex-Weltmeister auf der Bank des HSV Hamburg, befand nach der 29:34-Schlappe bei Aufsteiger ThSV Eisenach: „Wir waren körperlich anwesend, aber nicht mental. Das reicht am Ende nicht.“

Nicht mit diesen Worten, aber sinngemäß hatte Dusko Bilanovic eine Woche zuvor auf die 26:30-Schmach seines TSV Bayer Dormagen beim zuvor sieglosen Neuling HSG Krefeld reagiert. Am Samstag durfte er nach dem eindrucksvollen 34:22 beim TuS Ferndorf, dem ersten doppelten Punktgewinn im Siegerland seit 2014, feststellen: „Das war die Reaktion, die ich sehen wollte.“ Während sein Gegenüber Michael Lerscht seiner Mannschaft ins Stammbuch schrieb: „Auch mit einer C-Jugend suche ich meine Chance im Spiel.“

Die Trainersprüche spiegeln das Stimmungsbild einer Liga wider, die sich nach einem Viertel der Saison noch nicht gefunden und sortiert hat. Die Tabelle legt davon ebenfalls Zeugnis ab: Den ASV Hamm-Westfalen auf Rang drei trennen gerade mal fünf Punkte vom TuS Ferndorf auf Platz acht, den TSV Bayer Dormagen, der am Saisonende seinen aktuellen Tabellenplatz (8.) als Riesenerfolg feiern würde, gerade mal ebensoviele Zähler vom ersten Abstiegsplatz, den der TV Hüttenberg innehat – und das nach immerhin schon neun Punktspielen.

So eng war es noch nie in einer Liga, die meist von zwei, drei Mannschaften dominiert wurde, in der aber genau so viele Teams schon früh den Anschluss verloren hatten. Dieses Schicksal droht alleine der HSG Krefeld, die nur eine Woche nach dem ersten Zweitliga-Sieg ihrer Vereinsgeschichte beim VfL Gummersbach böse mit 16:29 unter die Räder kam, ihre Hoffnung jetzt auf die anstehenden Kellerduelle gegen Elbflorenz und in Hüttenberg setzt. Bleibt der Neuling auch da punktlos, dürfte es schwer werden, den Kontakt zum Rest der Liga zu halten.

Auch wenn Daniel Eblen, Trainer bei Krefelds Mitaufsteiger HSG Konstanz, nach der in letzter Sekunde durch einen zweifelhaften Siebenmeter zugunsten der Gäste besiegelten 29:30-Niederlage gegen den TV Emsdetten nicht zu Unrecht konstatierte: „Diese Zweite Liga ist ein Marathonlauf.“ Allerdings auf einer Strecke, die mehr einer Berg- und Talfahrt gleichkommt. Denn eine richtige Serie hat noch keiner der 18 Klubs starten können.

Den stabilsten Eindruck machen TuSEM Essen, das den VfL Lübeck-Schwartau mit seinem 26:21-Sieg in der mit 2400 Zuschauern ausverkauften Hansehalle in tiefe Depressionen (und auf den 13. Tabellenplatz) stürzte, und der HSC Coburg, der seine anfängliche Auswärtsschwäche mit dem 36:29-Sieg in Dormagen abgelegt zu haben scheint. Ähnlich wie vom Höhenberg, brachten die Coburger auch aus Dresden zwei Punkte mit, weil sie einfach cleverer waren.

Doch Cleverness und spielerisches Vermögen allein reichen nicht aus. „Wenn du in dieser Liga nicht in jedem Spiel 100 Prozent oder mehr gibst, hast du keine Chance,“ stellte Mirza Sijaric, der Sportliche Leiter des TuS Ferndorf, vor der historischen Pleite gegen Dormagen fest – und sollte anschließend sehr zu seinem Leidwesen Recht behalten. Auch Hannes Jon Jonsson, Trainer des zuhause immer noch sieglosen Erstliga-Absteigers SG Bietigheim, befand nach dem 22:28-Debakel gegen den TuS N-Lübbecke: „Es war heute leider wieder der Fall, dass die Mannschaft geglaubt hat, es geht von allein.“

Das klingt ganz nach Dusko Bilanovic im Anschluss an die „peinliche Vorstellung in Krefeld.“ Mit dem Unterschied, dass die Bietigheimer vermutlich den zweieinhalbfachen Etat zur Verfügung haben als der TSV Bayer Dormagen, sich Ex-Weltmeister Michael „Mimi“ Kraus auf der Regieposition leisten können, über den sein Trainer sagt:  „Man hat nicht gesehen, dass wir im Angriff zwei erfahrene klasse Mittelmänner haben. Was die beiden heute abgeliefert haben, war eine Katastrophe.“

Das alles kann am nächsten Spieltag schon wieder ganz anders aussehen in einer Liga voller Überraschungen. Wer da mal eine Serie startet, ist klar im Vorteil..

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