Handball TSV Bayer nutzt die Chance(n) nicht

Dormagen · Handball-Zweitligist TSV Bayer Dormagen liegt in Hagen 50 Minuten lang in Führung und verliert am Ende doch noch mit 32:33

 Er kämpfte, ackerte und traf, doch auch die vielleicht beste Saisonleistung von Lukas Stutzke, hier hart bedrängt von Tim Stefan und Jonas Dell (r.) konnte die Dormagener 32:33-Niederlage in Hagen nicht verhindern.   Foto: Zaunbrecher

Er kämpfte, ackerte und traf, doch auch die vielleicht beste Saisonleistung von Lukas Stutzke, hier hart bedrängt von Tim Stefan und Jonas Dell (r.) konnte die Dormagener 32:33-Niederlage in Hagen nicht verhindern. Foto: Zaunbrecher

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Sechzehn Niederlagen hat der TSV Bayer Dormagen bislang einstecken müssen in seiner ersten Saison nach dem Wiederaufstieg in die Zweite Handball-Bundesliga. Die von Freitagabend in der Hagener Krollmann-Arena war vielleicht die bitterste, auf jeden Fall aber die unnötigste.

Denn 50 Minuten lang lagen die Gäste vor 823 Zuschauern, darunter gut 150 aus Dormagen angereisten, fast durchgängig mit ein oder zwei Toren in Führung gegen Abstiegskonkurrent VfL Eintracht Hagen. Und nachdem Ian Hüter mit einem „Steal“ den Vorsprung nach 41 Minuten erstmals auf vier Treffer (25:21) ausgebaut hatte, schienen die Bayer-Handballer ihrem vierten Sieg in Folge ganz nahe. Am Ende aber tanzten die Hausherrren ausgelassen übers Parkett, feierten sie doch mit dem 33:32 (Halbzeit 17:19) ihren ersten doppelten Punktgewinn vor heimischem Publikum seit dem 17. November 2018.

Und das, wie selbst Eintracht-Trainer Nils Pfannenschmidt zugab, „ein bisschen glücklich. Vielleicht wäre ein Unentschieden das verdientere Ergebnis gewesen.“ Aber eben auch nicht ganz unverdient. Denn die Hausherren hatten in den letzten zehn Minuten genau jenes Quäntchen mehr zuzulegen, dass es braucht, um die „Endspiele“ im Abstiegskampf für sich zu entscheiden. Nicht unbedingt ein Quäntchen mehr an Kampfgeist und Einstellung, auch wenn Pfannenschmidt die „unglaubliche Moral“ seiner Schützlinge als einen von vier siegbringenden Faktoren ansah.

Auf jeden Fall aber ein Quäntchen mehr an Kaltschnäuzigkeit und Abgezocktheit. In dieser Hinsicht sind die Dormagener einfach noch zu grün hinter den Ohren. „Lieber ein paar Zeitstrafen, dafür aber ein paar Gegentore weniger,“ legte Trainer Dusko Bilanovic seinen Finger in eine von gleich zwei Wunden, die an diesem Abend den Ausschlag gaben. Denn dass ein Handball-Team in einem „Abstiegs-Endspiel“ ohne eine Strafminute und nur einen Siebenmeterpfiff über die Runden kommt, macht es zwar zu einem Kandidaten für den Fair-Play-Pokal – aber eben auch für eine Niederlage; auf jeden Fall dürfte dieser statistische Eintrag Seltenheitswert besitzen.

Das wäre aber zu verkraften gewesen, hätten die Dormagener auf der anderen Seite des Parketts jene Kaltschnäuzigkeit bis zum Schlusspfiff bewahrt, die sie 40 Minuten lang auszeichnete. Doch genau in der dramatischen Schlussphase, als es darauf ankam, ließen die Gäste sie vermissen. „Wir haben uns weiterhin sehr gute Chancen erspielt, sie aber nicht genutzt,“ kritisierte Bilanovic den grob fahrlässigen Umgang mit den Tormöglichkeiten, den seine Angreifer in der Schlussviertelstunde an den Tag legten. In der sie gleich acht Mal an einem Mann scheiterten, der eigentlich gar nicht hätte mitwirken sollen an diesem Abend.

Denn weil Tobias Mahncke aus Krankheitsgründen eine Woche im Training gefehlt hatte, saß der Hagener Torhüter „nur für den Notfall“ (Nils Pfannenschmidt) auf der Bank. Diesen „Notfall“ sah sein Trainer nach 19 Gegentreffern bis zur Pause offenbar eingetreten, denn nach Wiederanpfiff schickte er den 2,02 Meter langen Keeper anstelle von Nils Dresrüsse, in der Vorwoche noch Garant für den Hagener 31:30-Sieg beim EHV Aue, zwischen die Pfosten. Zunächst ohne durchschlagenden Erfolg, doch am Ende schossen die Dormagener den 34-Jährigen regelrecht „warm“. Zunächst scheitert Joshua Reuland drei Mal innerhalb von drei Minuten freistehend an Mahncke, dann lässt sich auch der zuletzt so treffsichere Tim Wieling von der Verunsicherung anstecken und leistet sich insgesamt fünf Fehlversuche in elf Minuten, darunter den vielleicht spiel-entscheidenden vier Minuten vor Schluss von der Siebenmeterlinie beim Stande von 31:30 für die Gäste. Hagen hatte beim 28:28 (51.) zum ersten Mal überhaupt seit dem 11:11-Zwischenstand (18.) wieder ausgeglichen, Hagen ging beim 32:31 durch Dragan Tubic 99 Sekunden vor dem Schlusspfiff zum ersten Mal überhaupt in Führung an diesem Abend – bitterer kann man kaum verlieren.

Dass Jan-Lars Gaubatz den Eintracht-Sieg 76 Sekunden später mit einem Kempa-Trick pferfekt machte, von dem Bilanovic „genau wusste, dass sie den spielen werden“, passte ins Bild. Der Bayer-Trainer sah die vierte Niederlage unter seiner Regie als negative Folge einer Wechselwirkung an: „Weil wir in der Deckung nicht sicher gestanden haben, waren wir auch vorne nicht sicher genug.“ Die Abwehr offenbarte nach dem frühen Ausscheiden von Heider Thomas wegen erneuter Leistenbeschwerden ungewohnte Lücken – fällt ihr „Chef“ länger aus, drohen dem TSV Bayer ungemütliche Zeiten.

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