Handball So spielt sich Bayer in die Dritte Liga zurück

Dormagen · Taktisch einfallslos, in Angriff wie Abwehr verunsichert, verliert Handball-Zweitligist TSV Bayer Dormagen mit 23:28 gegen Nordhorn.

 Und wieder durch die Mitte, doch die ist von den Nordhornern Georg Pöhle und Patrick Miedema (v.r.) schon zugestellt. Und so verläuft auch dieser Angriffsversuch von Daniel Eggert und Carl Löfström (v.r.) im Sande.   Foto: Zaunbrecher

Und wieder durch die Mitte, doch die ist von den Nordhornern Georg Pöhle und Patrick Miedema (v.r.) schon zugestellt. Und so verläuft auch dieser Angriffsversuch von Daniel Eggert und Carl Löfström (v.r.) im Sande. Foto: Zaunbrecher

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Vor dem Anpfiff demonstrierte der Fanclub mit Spruchbändern gegen die seiner Meinung nach ungerechte Behandlung von Gergö Rozsalvölgyi – der ungarische Torhüter, im Sommer für den bei einem Motorradunfall schwer verletzten Sven Bartmann kurzfristig mit einem Vertrag bis Jahresende versehen, wurde im Rahmen des letzten Hinrunden-Heimspiels verabschiedet.

Nun müssen Fans nicht alles verstehen. Doch dass sich kein Handball-Zweitligist – und schon gar nicht der TSV Bayer Dormagen – den Luxus von vier Torhütern leisten kann, sollte auch ohne großen Einblick in wirtschaftliche Zusammenhänge einleuchten. Zumal die letzte Heimspiel-Niederlage des Jahres, das deprimierende 23:28 (Halbzeit 11:12) gegen eine durchaus schlagbare HSG Nordhorn-Lingen, am gestrigen Abend eines deutlich machte: Wenn der Aufsteiger noch irgendwo ein paar Cent auf der hohen Kante hat, gibt es genügend andere Bereiche, wo sie investiert werden können.

In einen Spieler mit Durchschlagskraft aus dem Rückraum zum Beispiel, so wie ihn die Gäste in den insgesamt 13 Mal erfolgreichen Philipp Vorlicek (7) und Georg Pöhle (6) in ihren Reihen hatten. Oder in einen Spieler, der vom Siebenmeterpunkt auch mal ins Tor trifft. Den Dormagenern gelang das bei elf Versuchen genau sechs Mal – hätten sie alle ihre Strafwürfe verwandelt, hätte es trotz eines erschreckend schwachen und phasenweise blutleeren Auftritts immerhin noch zu einem Unentschieden gereicht.

Oder einfach in einen neuen Trainer. Einen, der eine Mannschaft dirigiert und mitreißt (so wie Nordhorns Heiner Bültmann) und nicht bloß mit sauertöpfischer Miene vor seiner Bank auf und ab läuft. Einen, der auf eine simple taktische Umstellung des Gegners angemessen reagiert und dessen eigene taktische Maßnahmen sich nicht darauf beschränken, den einen Spieler gegen den anderen auszutauschen.

9:5 führten die Hausherren vor 1109 Zuschauern nach 13 Minuten – nicht unverdient, weil sie bis dahin die bessere und wachere Mannschaft gewesen waren. Und als sich dann auch noch Sven Bartmann mit zwei Paraden gegen Patrick Miedema und den Nachwurf von Luca de Boer im Spielgeschehen anmeldete, keimte Hoffnung auf jene zwei Zähler auf, die die Bayer-Handballer so dringend brauchten, um die Hinrunde im Abstiegskampf wenigstens halbwegs im Punktesoll abzuschließen (dass sie diese ausgerechnet  im Lokalduell am Freitag beim abgeschlagenen Tabellenletzten HC Rhein Vikings holen, erscheint nach dem gestrigen Auftritt so gut wie ausgeschlossen).

Doch dann tat Heiner Bültmann in seiner Auszeit  obenerwähnten simplen taktischen Schachzug: Er stellte die Deckung auf eine 5:1-Formation mit Georg Pöhle als vorgezogenem „Störer“ um. Wogegen den Dormagenern, ohnehin gehandikapt durch einen vollkommen indisponierten Lukas Stutzke im linken Rückraum, dem vor der Pause rein gar nichts (und danach auch nicht viel mehr) gelang, partout nichts einfiel. Zwischen dem elften Treffer durch Carl Löfström (23.) und dem vierzehnten durch einen Siebenmeter von Benjamin Richter vergingen quälend lange 15 Minuten. Quälend vor allem deshalb, weil die Hausherren mit den immer gleichen untauglichen Mitteln vergebens versuchten, zum Torerfolg zu kommen – durch die Mitte, da wo Georg Pöhle wie ein Fels in der Brandung stand. Auf Impulse, das Spiel in die Breite zu verlagern – Tim Wielings Treffer zum 16:18 (44.) ging das erste Anspiel überhaupt auf eine Außenposition im gesamten zweiten Durchgang voraus – oder die 5:1-Deckung mit einem (sicherlich immer riskanten) Einsatz eines siebten Feldspielers auszuhebeln, warteten Spieler und Zuschauer vergebens. Und die eigene, immer wieder von den Distanzschützen Vorlicek und Pöhle überwundene Abwehr auf eine mehr offensivere Variante umzustellen – das fiel den Dormagenern erst ein, als das Spiel angesichts eines Fünf-Tore-Rückstandes (20:25, 54.) schon längst nicht mehr zu gewinnen war.

Was auch immer der Grund für die Nibelungentreue gegenüber einem Trainer sein mag, der am Saisonende ohnehin gehen muss – die Dormagener könnte sie am Ende den Verbleib in der Zweiten Liga kosten. Daran würde auch ein Sieg zum Hinrunden-Finale beim Tabellenletzten nichts ändern – der angesichts der gestrigen Vorstellung ohnehin kaum zu erwarten ist.

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