Handball Männerhandball — Mädchenhandball 25:24

Dormagen · Analyse Der TSV Bayer Dormagen hat das von ihm selbst zum „Endspiel“ ausgerufene Abstiegsduell mit dem HC Elbflorenz Dresden mit 24:25 verloren. In dieser mentalen Verfassung wird für den Aufsteiger der Klassenerhalt in der 2. Handball-Bundesliga kaum noch zu schaffen sein.

 Pure Tristesse nach dem Abpfiff: Sven Bartmann, Eloy Morante Maldonado, Julian Köster, Tim Wieling und Ian Hüter haben sich gerade mit der 24:25-Heimniederlage gegen den HC Elbflorenz Dresden  den Befreiungsschlag im Zweitliga-Abstiegskampf versaut.

Pure Tristesse nach dem Abpfiff: Sven Bartmann, Eloy Morante Maldonado, Julian Köster, Tim Wieling und Ian Hüter haben sich gerade mit der 24:25-Heimniederlage gegen den HC Elbflorenz Dresden  den Befreiungsschlag im Zweitliga-Abstiegskampf versaut.

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Es gab Trainer in der langen Geschichte des Dormagener Handballs, die hätten auf solch eine Vorstellung, wie sie der TSV Bayer bei der 24:25-Niederlage (Halbzeit 11:11) am Samstagabend im vielleicht vorentscheidenden Abstiegs-Endspiel gegen den HC Elbflorenz bot, nur eine Antwort gehabt: Lauftraining am Sonntag um 10 Uhr, Treffpunkt Lokomotive im Tannenbusch.

Die Lokomotive gibt es längst nicht mehr. Und mit Blick auf die Whatsapp-Generation, die inzwischen das Geschehen auf dem Parkett bestimmt, sind solche Aktionen verpönt. Besonders in Dormagen, wo die Spieler immer noch jenen Welpenschutz genießen, der sie am Ende der Saison wahrscheinlich den Verbleib in der Zweiten Bundesliga kosten wird. Daran hat auch der Wechsel auf der Trainerbank nichts geändert – wie denn auch? Wie soll Dusko Bilanovic innerhalb von vier Monaten die Schäden in den Köpfen seiner Spieler reparieren, die sein Vorgänger über Jahre hinweg angerichtet hat?

Die Mannschaft „kann keine Endspiele“? Richtig, das war schon bei der A-Jugend so, der ein Teil des Teams entstammt. Das war in der vergangenen Drittliga-Saison nicht anders, und das zieht sich wie ein roter Faden durch die laufende Spielzeit. Warum? Weil den Protagonisten über Jahre eingeimpft wurde, dass das alles nicht so schlimm sei, dass sie ja noch so jung seien und nach Herzenslust Fehler machen dürften. Weil, man verzeihe die drastische Wortwahl, den Spielern über Jahre hinweg Zucker in den Hintern geblasen wurde statt ihnen mal einen Tritt in den selbigen zu verpassen – und sei es auch nur, indem man sie zur für sie unpassenden Zeit zum Lauftraining einbestellt.

Auch nach der x-ten unnötigen Niederlage geht es am Höhenberg mit Business as usual weiter. „Wir brauchen die Spieler ja noch“, heißt es. „Wir können es ja immer noch aus eigener Kraft schaffen“, heißt es. Ja wie denn mit einer Truppe, in der der älteste und erfahrenste Feldspieler 20 Sekunden vor Schluss, als immer noch die Chance auf ein Unentschieden besteht, einen Pass einfach unbedrängt ins Aus spielt? Ja wie denn mit einer Truppe, in der nur die immer gleichen Spieler die Grundtugend des Handballs, vor allem im Abstiegskampf, beherzigen: Dorthin zu gehen, wo es wehtut. Eloy Morante Maldonado, Carl Löfström, Ian und Patrick Hüter tun das. Und Sven Bartmann, der nur drei Minuten, nachdem er bei einer misslungenen Abwehraktion mit voller Wucht mit dem Kopf gegen den Pfosten geknallt war, sich wieder ins Tor stellte – andere in diesem Kader hätten sich auf der Stelle drei Wochen krank gemeldet. Wobei nicht vergessen werden darf, dass der Keeper, der am Dienstag 32 Jahre alt wird, vor einem Dreivierteljahr erst bei einem Motorradunfall fast sein Leben gelassen hätte.

Sicher, auch Sven Bartmann hat seine sattsam bekannten Schwächen, die den Gästen aus Dresden den einen oder anderen Treffer bescherten. Doch den Malocher auf der Torlinie könnten sich manche  aus dem aktuellen Aufgebot durchaus zum Vorbild nehmen. Genauso wie Julian Köster, der mit seinen gerade mal 19 Jahren und kaum Zweitliga-Erfahrung in diesem „Endspiel“ mehr für den Dormagener Angriff tat als andere, die sich bereits in Erstliga-Sphären wähnen oder dort noch hinwollen.

Im Osten der Republik scheint die Whatsapp-Generation noch nicht so sehr das Kommando übernommen zu haben. Die Dresdner jedenfalls boten sechzig Minuten kernigen Männer-Handball, nicht schön, aber durchschlagskräftig. Mitunter schossen sie über das Ziel hinaus (rüde Fouls an Ian Hüter und Joshua Reuland), was ihnen 14 Strafminuten und eine direkte Rote Karte gegen Roman Becvar bescherte. Nur: Die Dormagener konnte diese zahlenmäßige Überlegenheit nicht nutzen – bei einer fast anderthalb Minuten dauernden 6:3-Überzahl (!) gelang ihnen kein einziger Treffer. „Eine solche Phase musst du mindestens mit 2:0 für dich entscheiden,“ schimpfte Bilanovic und gab zu: „Ich habe manchmal aufs Spielfeld geguckt und gedacht: Ich glaube nicht, was ich da sehe.“

Das kann man gut verstehen. Tatsächlich wirkten seine Spieler im Vergleich zum Männerhandball der Gäste wie ein Mädchenpensionat aus dem 19. Jahrhundert: Zögerlich in der Deckung, zimperlich bei den eigenen Angriffsbemühungen. Selbst auf der Bank waren die Dresdner wesentlich „heißer“ als die wie gelähmt wirkenden Dormagener. Zwei Zahlen genügen zum statistischen Beweis: Die Hausherren „begnügten“ sich einmal mehr mit drei eigenen Zeitstrafen. Und auf der anderen Seite gelang es ihnen nicht, mehr als zwei Siebenmeter herauszuholen – nicht, weil die  von Bilanovic gelobten Unparteiischen Steven Heine und Sascha Standke ihnen weitere Strafwürfe verweigert hätten.

Sondern weil sie sich meist in jener „Komfortzone“ vor der gegnerischen Deckung aufhielten, wo Fouls nun einmal nicht mit Siebenmeter geahndet werden. Von wo aus aber auch das Spielgerät weit  schwieriger im Tor unterzubringen ist als aus der „Nahkampfzone“, weshalb Bilanovic 19 Fehlwürfe auf seinem Statistikbogen stehen hatte: „Und damit kannst du kein Spiel gewinnen.“

 Handball kann manchmal weh tun: So wie hier Julius Dierberg gegen Ian Hüter (v.r.) packten die Dormagener auf der anderen Seite nur selten zu.

Handball kann manchmal weh tun: So wie hier Julius Dierberg gegen Ian Hüter (v.r.) packten die Dormagener auf der anderen Seite nur selten zu.

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Trotz alledem und trotz der vierten Niederlage in Folge trennen den TSV Bayer immer noch zwei Punkte vom ersten Abstiegsplatz. Weil die Konkurrenz im Tabellenkeller  auch nicht geschickter zu Werke geht. „Wir sind zu dämlich,“ stellte Bilanovic ziemlich ernüchtert fest, „alle spielen für uns, nur wir nicht.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

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