Handball Bayer wird zur Schießbude der Zweiten Liga

Krefeld · Nach dem glänzenden Saisonstart haben die Dormagener ihr Kapital schnell verspielt. Der Auftritt in Krefeld war einfach nur peinlich.

 Die Mienen von Dusko Bilanovic und Ante Grbavac (r.) sagen alles über den Dormagener Gemütszustand am Freitagabend.   Foto: Zaunbrecher

Die Mienen von Dusko Bilanovic und Ante Grbavac (r.) sagen alles über den Dormagener Gemütszustand am Freitagabend. Foto: Zaunbrecher

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Vielleicht sollte sich der TSV Bayer mal Stefan Nippes ausleihen. Der ehemalige Torhüter der HSG Krefeld hatte sich am Montag in seiner Rolle als Sportlicher Leiter seine früheren Mitspieler ordentlich zur Brust genommen. Das Ergebnis: Mit dem 30:26 (Halbzeit 15:16) im Lokalduell mit dem TSV Bayer Dormagen fuhr der Zweitliga-Neuling seine ersten Saisonpunkte ein.

Und das ebenso verdient wie nach einem simplen Rezept: Die Krefelder kämpften um jeden Zentimeter Hallenboden, stemmten sich dem favorisierten Gegner entgegen, als gelte es ihr Leben. „Das war in den vorherigen Spielen nicht immer so,“ gab Linkshänder Hendrik Schiffmann zu. Die Gäste hingegen sonnten sich viel zu lange im Glanz ihrer vermeintlichen spielerischen Überlegenheit, vertrauten viel zu lange darauf, das Ding in der Schlussphase noch schaukeln zu können, so wie es ihnen schon drei Mal gelungen war.

Doch so etwas lässt sich nicht beliebig oft wiederholen. Und überhaupt nur dann, wenn Kampfgeist und Einstellung stimmen. Eigenschaften, die auf Seiten der Dormagener Handballer ja vorhanden  sind, aber in den vergangenen Wochen irgendwo verschütt gegangen sein müssen. Bezeichnenderweise nach dem 30:27 in Emsdetten, dem ersten Auswärtssieg dieser Spielzeit. Im Verbund mit dem voraufgegangenen, durchaus eindrucksvollen 31:24 über den TuS N-Lübbecke scheinen diese Ergebnisse in den Köpfen etlicher Spieler den Eindruck erweckt zu haben, wenn schon nicht ein Spitzenteam, so wenigstens eines mit einem sorgenfreien Saisonverlauf vor der Brust zu sein. Das Gegenteil ist der Fall. Von der positiven Überraschung, von einem Team, dem überall mit Respekt und Anerkennung begegnet wird, sind die Bayer-Handballer binnen kurzer Zeit zur Schießbude der Liga geworden – nur drei Klubs haben mehr Treffer kassiert als die 216 des TSV. 66 Gegentore in zwei Spielen bedeuten die Höchststrafe für eine Mannschaft, die sich vorgenommen hat, über eine starke Abwehrleistung ins Spiel und zu Punkten zu kommen. Und für einen Trainer, der die Defensivarbeit ins Zentrum seiner Handball-Philosophie stellt.

Entsprechend angefressen war Dusko Bilanovic am Freitagabend. „Wir haben so viele Fehler gemacht wie schon lange nicht mehr,“ sagte der 48-Jährige, „in der zweiten Halbzeit habe ich nicht geglaubt, was ich da sehe.“ So dürfte es den meisten der 250 mitgereisten Bayer-Anhänger gegangen sein, deren akustische Vormachtstellung in dem Maße schmolz, wie sich die Krefelder auf dem Parkett ein Übergewicht erkämpften. 20,5 Tore im Schnitt hatte der Aufsteiger in sieben Partien zuvor erzielt. Diese Marke hatte die HSG am Freitagabend bereits nach 38 Minuten überschritten. Und trotzdem hätten die Gäste das Duell leicht für sich entscheiden können, wenn sie wenigstens vorne ordentliche Arbeit abgeliefert hätten. Doch da schieben die meisten die Verantwortung auf den Nebenmann, der in diesem Fall fast immer Ante Grbavac (und mit Abstrichen noch Eloy Morante Maldonado) hieß, die zusammen mehr als die Hälfte der Dormagener Tore erzielten. Von Außen kam gar nichts, vom Kreis viel zu wenig, wo der anfangs bärenstarke Carl Löfström in erschreckendem Maße abgebaut hat, trotzdem immer wieder mit Anspielen gesucht wird, die kein Kreisläufer der Welt erreichen könnte.

Für einen Gegner sind dies dankbare Vorlagen. So schlagen sich die Dormagener mit den Waffen, die eigentlich die ihren sind: Gegenstößen aus einer zupackenden und dadurch zu Ballgewinnen kommenden Deckung heraus – dass sie das können, haben sie ja durchaus schon gezeigt. Den Schalter dorthin zurück umzulegen, muss schnell gehen, sonst droht das Abrutschen in die Abstiegszone. In Krefeld hat die Abteilung Klartext offensichtlich etwas bewegt – nur wer soll den in Dormagen sprechen? „Für einige wird das eine harte Woche“, kündigte Bilanovic an. Ob das reicht?

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