Handball Die zwei Gesichter des TSV Bayer

Dormagen · Gegen den Tabellenzweiten HSC Coburg bringt der Handball-Zweitligist eine Sechs-Tore-Führung nicht ins Ziel.

 Ein Bollwerk: An der Deckungsleistung von Patrick Hüter, Heider Thomas und Lukas Stutzke (v.l.) lag es nicht, dass aus einer 11:5-Führung eine 21:27-Niederlage wurde für den TSV Bayer Dormagen.   Foto: H. Zaunbrecher

Ein Bollwerk: An der Deckungsleistung von Patrick Hüter, Heider Thomas und Lukas Stutzke (v.l.) lag es nicht, dass aus einer 11:5-Führung eine 21:27-Niederlage wurde für den TSV Bayer Dormagen. Foto: H. Zaunbrecher

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Sicher, es ist vermessen, von einem Aufsteiger zu erwarten (oder gar zu verlangen), dass er einem Tabellenzweiten auf dessen Weg zurück in die Erste Liga eine Niederlage beibringt. Insofern ist das 21:27 (Halbzeit 13:11) des TSV Bayer Dormagen gegen den HSC Coburg ein völlig normales Resultat der Zweiten Handball-Bundesliga.

Doch wenn ein Aufsteiger diese Chance hat, sich zwei im Abstiegskampf ungemein wertvolle weil unerwartete Punkte einzuverleiben, dann muss er sie auch nutzen. Und die Dormagener hatten am Freitagabend vor 1208 Zuschauern diese Chance. Führten sie nach 19 Minuten doch vollkommen verdient mit 11:5, hatten dem Favoriten mit einer tadellosen Abwehrleistung und sehenswerten Spielzügen derartig den Schneid abgekauft, dass Gästetrainer Jan Gorr bereits nach acht Minuten (beim Stande von 1:5) die grüne Auszeitkarte zückte.

Dass die Partie noch vor der Pause, in die die Hausherren immerhin noch einen Zwei-Tore-Vorsprung (13:11) mitnahmen, kippte, dass sie in den letzten 23 Spielminuten, in die die Dormagener mit einem 17:14-Zwischenstand gingen, zu einer höchst einseitigen Anlegenheit wurde, in der die Bayer-Handballer nur noch vier, die Coburger aber 13 Treffer erzielten, hatte mehrere Gründe. Die ausschlaggebenden:

Die Breite im Kader Obwohl nicht einmal mit der Bestbesetzung angereist, konnte Gorr munter durchwechseln, weil es kaum Leistungsunterschiede auf den einzelnen Positionen gab. Der TSV hatte sogar noch zwei Feldspieler mehr auf dem Spielberichtsbogen, doch die Verantwortung liegt auf zu wenigen Schultern. An die Grenze ihres – spielerischen wie physischen – Leistungsvermögens gingen an diesem Abend nur sechs Spieler: Lukas Stutzke, Eloy Morante Maldonado, Tim Wieling, Heider Thomas, Ian und Patrick Hüter. Sven Bartmann und Carl Löfström versuchten es zumindest, sind auf ihren Positionen (im Tor und am Kreis) aber immer auf die Unterstützung der anderen angewiesen. Der Rest (vier wurden gar nicht eingesetzt) muss sich fragen (lassen), ob er für den Kampf um den Ligaverbleib – der für einige auch den Kampf um einen neuen Vertrag bedeutet – den nötigen und richtigen Biss besitzt.
Die Schiedsrichter Ihre merkwürdige, teilweise höchst einseitige Regelauslegung – eine Zeitstrafe gegen gewiss nicht zimperliche Coburger, fünf gegen den TSV – verunsichert vor allem die Spieler mit wenig Erfahrung. Der Höhepunkt: Nach 52 Minuten nimmt das aus Aue angereiste Gespann Friedel/Herrmann eine Zeitstrafe gegen Eloy Morante Maldonado zurück, weil dessen Gegenspieler Jakob Knauer sie darauf hinweist, dass er bei der fraglichen Aktion gar nicht am Kopf getroffen wurde. Was eine Reihe ähnlicher Entscheidungen, vor allem die drei Zeitstrafen gegen Lukas Stutzke, in fragwürdigem Licht erscheinen lässt.

Die Durchschlagskraft Stutzkes Rote Karte nach 50 Minuten wurde spielentscheidend. Denn ohne den Junioren-Nationalspieler fehlt dem Dormagener Rückraum die Durchschlagskraft, um auch mal über eine Deckung hinweg und nicht ständig durch sie hindurch Tore zu erzielen. Ganz schwach: die Linkshänder Nuno Rebelo und Daniel Eggert. Während sich der Portugiese wenigstens bemüht, dabei aber viel zu viele Fehler macht, ist der Däne das, was ihm Kritiker schon zu Drittliga-Zeiten vorwarfen: ein Alibi-Handballer. Klingt drastisch, wird aber durch die Worte von Dusko Bilanovic bestätigt: „Dass es schwer wird, wusste ich,“ sagt der neue Trainer, „dass ich vier Spiele ohne Halbrechten spielen muss, wusste ich nicht.“

Das Fazit Gegen einen Tabellenzweiten muss ein Aufsteiger nicht gewinnen. Doch die zwei durchaus möglichen Punkte könnten genau die sein, die am Ende zum Klassenerhalt fehlen.

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