Schuldner-Atlas für den Raum Neuss/Düsseldorf Die Überschuldung im Rhein-Kreis nimmt zu

Rhein-Kreis · Trotz guter Konjunktur sind mehr Bürger im Rhein-Kreis überschuldet. Konsumverhalten und Wohnkosten schlagen sich nieder.

 Für Menschen mit Überschuldung ist es fast unmöglich, eine Rücklage durch Sparen aufzubauen. Denn Angespartes wird von den Gläubigern eingezogen. Beratung und Begleitung sind oft wichtig, um einen Weg aus der Schuldenfalle zu finden.

Für Menschen mit Überschuldung ist es fast unmöglich, eine Rücklage durch Sparen aufzubauen. Denn Angespartes wird von den Gläubigern eingezogen. Beratung und Begleitung sind oft wichtig, um einen Weg aus der Schuldenfalle zu finden.

Foto: dpa

Die Überschuldungslage der Verbraucher hat sich 2019 im Rhein-Kreis Neuss trotz weiterhin positiver Konjunktur- und Arbeitsmarktlage verschlechtert. Lediglich Dormagen (+ 0,07 Prozent) und Meerbusch (+ 0,05 Prozent) haben sich sehr geringfügig im Vergleich zu 2018 verbessert. Die Überschuldungsquoten reichen dabei von 7,13 Prozent in Meerbusch bis zu 13,33 Prozent in der Stadt Neuss. Das zeigt der neue „SchuldnerAtlas“, der von der Creditreform Düsseldorf/Neuss seit 2004 fortgeschrieben wird und jetzt aktuell im Kreishaus Neuss vorgestellt wurde. „Eigentlich ließen uns die positive Insolvenzentwicklung und das günstige Mittelstandsbarometer vermuten, dass viele Verbraucher aus der Überschuldung hinauskämen“, sagt Chris Proios, bei der Creditreform für regionale Konjunkturforschung zuständig.

Die Anzahl der Überschuldungsfälle hat stattdessen zugenommen. Von den rund 1,3 Millionen Einwohnern im untersuchten Regionalraum Düsseldorf, die älter als 18 Jahre sind, müssen knapp 145.000 Bürger zum Stichtag 1. Oktober 2019 als überschuldet oder nachhaltig zahlungsgestört eingestuft werden. Die acht Kommunen des Rhein-Kreis Neuss gehören zum analysierten Regionalraum Düsseldorf. Mit der aktuellen Überschuldungsquote von 11,1 Prozent liegt der Regionalraum deutlich über dem Wert für die gesamte Bundesrepublik (zehn Prozent), immerhin aber ebenso deutlich unter dem Wert für Nordrhein-Westfalen (11,7 Prozent).

 Sie stellten den neuen „Schuldner-Atlas Regionalraum Düsseldorf 2019“ vor (v.l.): André Becker (Creditreform Düsseldorf Neuss), Kreisdirektor Dirk Brügge, Chris Proios (Creditreform Düsseldorf Neuss) und Rainer Bovelet (Synergie 2).

Sie stellten den neuen „Schuldner-Atlas Regionalraum Düsseldorf 2019“ vor (v.l.): André Becker (Creditreform Düsseldorf Neuss), Kreisdirektor Dirk Brügge, Chris Proios (Creditreform Düsseldorf Neuss) und Rainer Bovelet (Synergie 2).

Foto: Creditreform

André Becker, Mitglied der Geschäftsleitung der Creditreform Düsseldorf/Neuss, bleibt aber pessimistisch: „Wir müssen leider feststellen, dass die Zahl überschuldeter Menschen trotz der auch im letzten Jahr guten konjunkturellen Rahmenbedingungen gestiegen ist.“ Er macht neben hohen und weiter steigenden Wohnkosten vor allem auch problematisches und unangemessenes Konsumverhalten der Verbraucher dafür verantwortlich: „Das erleben wir seit zehn Jahren.“

Rainer Bovelet, der die Analyse wissenschaftlich leitet, hält das allerdings für keine dramatische Entwicklung. Was ihm viel mehr Sorge macht, ist, dass „viele Langzeitüberschuldungen kaum noch eine Chance haben, und der neuerdings zunehmende Überschuldungszuwachs bei Älteren (Ü 50)“. Das Ranking der Kommunen im Rhein-Kreis Neuss führen wie seit 2013 die Städte Meerbusch (7,13 Prozent) und Korschenbroich (7,62 Prozent) an, gefolgt von Kaarst (8,16 Prozent), Jüchen (9,04 Prozent), Dormagen (9,53 Prozent), der Gemeinde Rommerskirchen (9,78 Prozent) und der Stadt Grevenbroich (11,92 Prozent). Neuss hat mit 13,33 Prozent die „rote Laterne“. Kreisdirektor Dirk Brügge, beim Rhein-Kreis auch für Soziales und Wirtschaft verantwortlich, bedauert, dass die Überschuldung in Neuss nicht zurückzuführen ist: „Darüber müssen wir mit der Stadt reden. Die gute Konjunktur der letzten zehn Jahre hat übermütig gemacht.“ Er plädierte für stärkere Aufklärung über wirtschaftliches Verhalten, auch in den Schulen, und sagt: „Wir werden uns mit dem Problem der Altersarmut stärker beschäftigen müssen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort