Rhein-Kreis Neuss Schritt für Schritt zur Metropolregion

Rhein-Kreis Neuss · "Metropolregion Rheinland" und "Innovationsregion Rheinisches Revier" – große Pläne für die Zukunft. Landrat Hans-Jürgen Petrauschke und Dezernent Jürgen Steinmetz wollen Chancen nutzen, warnen aber vor Aktionismus. Ein Ausstieg aus der Braunkohle komme nicht in Frage.

Herr Petrauschke, der Rhein-Kreis und seine Nachbarn bereiten sich auf den Regionalgipfel auf dem Rhein am 22. September vor. Welche konkreten Ergebnisse würden Sie sich wünschen?

Hans-Jürgen Petrauschke Wir sind im Verein Köln-Bonn und in der Standort Niederrhein in einer gut strukturierten interkommunalen Zusammenarbeit. Bis zum Regio-Gipfel wollen wir auch mit Düsseldorf und dem Kreis Mettmann verbindlich eine Zusammenarbeit in den Bereichen Verkehrsentwicklung, Kultur, Energie und Wirtschaftsförderung vereinbaren. Das wäre eine gute Basis, um auch weitere Herausforderungen, zum Beispiel den Regionalplan und Verkehrs- und Energiefragen gemeinsam anzugehen.

Herr Steinmetz, Verkehr, Kultur, Energie, Wirtschaftsförderung – was könnte da vereinbart werden?

Jürgen Steinmetz Im Bereich Kultur die gemeinsame Entwicklung von Pauschalangeboten und deren Vermarktung, im Bereich Verkehr eine gemeinsame und damit starke Forderung nach wichtigen Verkehrsprojekten wie die Betuwe-Linie oder den Eisernen Rhein und im Bereich Wirtschaftsförderung die gemeinsame Entwicklung von Clusterinitiativen. Und im Bereich Energie schließlich die verstärkte Zusammenarbeit unserer Energie- und Wasserversorger.

Wozu brauchen wir einen neuen Regionalplan?

Petrauschke Der geltende Gebietsentwicklungsplan ist veraltet, das belegen mehr als 50 Änderungen. Zudem müssen die Kommunen ihre Handlungsspielräume erhalten und – im besten Fall – sogar ausbauen. Wir brauchen beispielsweise dringend große Gewerbeflächen, denn unsere Region am Rhein ist ein gefragter Standort für Unternehmen. Unser Regierungsbezirk will und darf zudem nicht nur Transitstrecke für die Seehäfen sein.

Warum kommt es gerade in diesem Punkt darauf an, dass die Region mit einer Stimme spricht?

Steinmetz Weil Konflikte mit dem Land bei der Weiterentwicklung des Regionalplans nicht auszuschließen sind. Das Land will den Handlungsspielraum der Kommunen einschränken, über ein Klimaschutzgesetz und den Windenergieerlass. Zudem sollen Gewerbeansiedlungen dadurch gesteuert werden, dass die Ausweisung der dazu benötigten Flächen eingeschränkt wird.

Der Rhein-Kreis Neuss hat lange davon profitiert, dass Unternehmen im boomenden Düsseldorf keine oder nur sehr teure Grundstücke fanden. Inzwischen bemüht sich auch Düsseldorf intensiver darum expandierende Unternehmen zu halten und neue anzusiedeln. Kann sich das Umland der Landeshauptstadt in diesem Wettbewerb behaupten?

Steinmetz Auf jeden Fall. Wir sind eine boomende Region an der Rheinschiene. Davon profitieren wir alle, dies zeigen nicht zuletzt die Zahlen, Daten und Fakten in unserem Jahresbericht der Wirtschaftsförderung: Steigende Anzahl an Unternehmen und Arbeitsplätzen, geringe Insolvenzquote, steigendes Bruttoinlandsprodukt und hohe Kaufkraft. Wir nutzen die regionalen Chancen der Globalisierung zusammen mit unseren Nachbarn.

Der Rhein-Kreis ist Mitglied der Gesellschaft Standort Niederrhein und auch der Region Köln/Bonn. Welche Zukunft und welchen Nutzen haben diese Bündnisse noch, wenn über eine Metropolregion Rheinland diskutiert wird?

Petrauschke Wir benötigen eine solide und verlässliche Basis vor Ort, die interkommunale Zusammenarbeit ermöglicht wie die Regiobahn, die IT-Kooperation (ITK) Rheinland oder ein gut ausgeschildertes Radwegenetz in der gesamten Region. Die Metropolregion Rheinland sichert zudem die Wahrnehmung national und international ohne zusätzliche Verwaltungseinheit.

Eine andere Initiative des Landes, müsste Ihnen Herr Steinmetz als Dezernent für Wirtschaftsförderung doch eigentlich sehr entgegenkommen: die Innovationsregion Rheinisches Revier. Dennoch regt sich auch bei diesem Thema Widerstand im Rhein-Kreis...

Steinmetz So ist es. Wir fordern ein Bekenntnis zur Braunkohle und keine Ausstiegsszenarien über den Einstieg in eine Innovationsregion, die wir ohnehin schon sind. Konkrete Ziele der Initiative und deren Umsetzung sind noch nicht klar.

Das heißt, Sie blocken die Landesinitiative ab?

Steinmetz Wir verweigern uns nicht, wollen die Entwicklung und Ausgestaltung der Initiative mitgestalten. Dazu gab es bereits erste Gespräche, unter anderem mit den betroffenen Kommunen Grevenbroich und Jüchen sowie der gesamten Region.

Was gehört Ihrer Ansicht nach zum Projekt Innovationsregion Rheinisches Revier?

Petrauschke Hierzu gehört alles, was mit Energie zu tun hat. Effizienzsteigerung der Kraftwerke, Fortentwicklung erneuerbarer Energien, Energieeinsparung etwa durch die energetische Umrüstung von Gebäuden und das alles mit wissenschaftlicher Begleitung und auch über die Realisierung interkommunaler Gewerbegebiete und eine verbesserte Verkehrsinfrastruktur. Die Innovationsregion ist bei uns richtig, andere können von uns lernen, in Europa und darüber hinaus. Das soll auch so bleiben.

Da ist viel die Rede von Innovation und Zukunft, dennoch wollen Sie von der Braunkohle, die vielen als "Klimakiller" und auslaufende Technologie gilt, nicht lassen. Läuft der Rhein-Kreis nicht Gefahr, im Strukturwandel der Energiebranche hin zu erneuerbaren Stromquellen den Anschluss zu verlieren?

Steinmetz Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wir leben von und mit der Braunkohle. Zugleich haben wir ein Windkrafttestfeld, ein Energielabor und vieles mehr. Das gilt es natürlich weiter zu entwickeln, auch über unseren Energiepakt.

Anders gefragt: Gewinnt mit dem Atomausstieg die Braunkohle neue Bedeutung – mit der Chance, dass der Rhein-Kreis wirtschaftlich davon profitiert?

Petrauschke Da bin ich sicher und wir arbeiten auch hier an einer Effizienzsteigerung. Wir sind ein Energie-Kreis und das wollen wir auch bleiben.

Frank Kirschstein führte das Gespräch.

(NGZ)
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