Handwerk im Rhein-Kreis Neuss Wie Fleischer und Bäcker der Corona-Krise trotzen

Rhein-Kreis · Die Obermeister der Fleischer- und der Bäcker-Innung, Willi Schillings und Rudolf Weißert, sprechen über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre Branchen.

 Willi Schillings ist Obermeister der Fleischer-Innung Niederrhein, der Betriebe aus dem Rhein-Kreis Neuss, Krefeld und Viersen angehören.

Willi Schillings ist Obermeister der Fleischer-Innung Niederrhein, der Betriebe aus dem Rhein-Kreis Neuss, Krefeld und Viersen angehören.

Foto: Andreas Woitschützke

Wie sehr trifft die Corona-Pandemie Ihre Branchen wirtschaftlich?

Willi Schillings Viele handwerkliche Fleischereien mit Party-Service oder Angeboten etwa für Unternehmen sind sehr betroffen, denn dieses Geschäft liegt völlig am Boden. Einen Teil der Umsatzausfälle können manche Betriebe kompensieren, weil viele Kunden jetzt zu Hause öfter selbst kochen.

Rudolf Weißert Sehr unterschiedlich. Kollegen mit einem starken Café-Anteil haben Einbußen von bis zu 30 Prozent. Sehr betroffen sind auch Kollegen, die beispielsweise Unternehmen, Verwaltungen oder Schulen beliefern. Das reine Ladengeschäft wird teilweise sogar intensiver nachgefragt. Die Kunden halten uns die Treue, und sie kaufen teilweise mehr Brot und auch Kuchen. Ein Problem ist, dass die einzelnen Kommunen unterschiedliche Richtlinien für die Betriebe erlassen haben. In manchen Städten und Gemeinden darf nur jeweils ein Kunde in ein Ladenlokal. Ich selbst habe in meiner Bäckerei in Krefeld eine Art Kontaktschutz gebaut, so dass bis zu vier Kunden gleichzeitig im Geschäft sein dürfen und die Mindestabstände gewahrt bleiben.

 Rudolf Weißert ist Obermeister der Bäcker-Innung Niederrhein.

Rudolf Weißert ist Obermeister der Bäcker-Innung Niederrhein.

Foto: Handwerkskammer Düsseldorf

Rechnen Sie damit, dass Betriebe wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie schließen?

Schillings Betriebe, die sich in erster Linie auf Catering und Party-Service spezialisiert haben, könnten Schwierigkeiten bekommen, wenn der momentane Zustand noch länger andauert.

Weißert Ich hoffe es nicht und rechne auch nicht damit. Ein gesunder Handwerksbetrieb wird die Pandemie wirtschaftlich irgendwie überstehen. Hier spielt auch eine Rolle, dass die Soforthilfen des Staates sehr unbürokratisch und schnell ausgezahlt worden sind. Das hat vielen kleineren Betrieben gerade am Anfang geholfen. Anders sieht es bei den Kreditvergaben aus, die sehr aufwendig beantragt werden müssen und von den Banken trotz der Bürgschaften der KfW mit hohen Hürden versehen werden.

Wie können Schließungen verhindert werden?

Weißert Wir appellieren an unsere Kunden, weiter – wie bisher schon – ihrer Bäckerei oder Fleischerei treu zu bleiben. Dafür sind wir sehr dankbar.

Schillings Absolut. Wichtig ist natürlich, dass sich das Leben insgesamt bald wieder normalisiert.

Zum Teil sind ganze Einnahmezweige weggebrochen. Was bedeutet das für die Unternehmen beziehungsweise Mitarbeiter?

Schillings Zurzeit werden Mitarbeitende, die beispielsweise in der Küche gearbeitet haben, im Verkaufsbereich eingesetzt.

Weißert In vielen Betrieben sind zunächst Überstunden und Resturlaub aus 2019 abgebaut worden. Teilweise konnten auch Minusstunden aufgebaut werden, die später verrechnet werden können. So wollen einige Betriebe die Beantragung von Kurzarbeit vermeiden.

Was können die Betriebe unternehmen, um Einnahmeverluste aufzufangen? Welche neuen Angebote gibt es?

Schillings Viele Fleischereien bieten verzehrfertige und vakuumverpackte Gerichte an, die sich einige Tage halten und die Kunden für sich selbst oder auch für Nachbarn mitnehmen können. Außerdem sind Lieferservices aufgebaut und eingerichtet worden. Die Kunden nehmen das gut an und sind sehr dankbar. So tragen wir als Handwerk unseren Teil bei, auch in dieser besonderen Situation die Versorgung der Menschen mit hochwertigen Lebensmitteln sicherzustellen.

Weißert Viele Kollegen haben Lieferservices aufgebaut, die auch gut und dankbar angenommen werden, vor allem von älteren oder erkrankten Menschen.

Inwieweit können Einnahmeverluste auf diese Weise kompensiert werden?

Schillings Sagen wir’s mal so: Es hilft, den Schaden in Grenzen zu halten.

Weißert Ich denke, dass viele Betriebe auf diese Weise Umsatzverluste begrenzen können. Wobei wir den Lieferservice auch als Beitrag sehen, in dieser besonderen Zeit unserer sozialen Verantwortung nachzukommen und die Versorgung der Kunden sicherzustellen.

Welche Rolle spielen digitale Angebote?

Schillings Viele Kunden informieren sich über das Internet über Menüs und andere aktuelle Angebote sowie über Leistungen und Services unserer Betriebe.

Weißert Viele Bäckereien nutzen das Internet und soziale Medien, um ihre Angebote zu kommunizieren. Wer vorher bereits einen Onlineshop hatte, könnte ebenfalls profitieren.

Was hat sich für Metzger und Bäcker im Alltag geändert?

Schillings Die Corona-Krise bedeutet für uns auch einen großen Flexibilitätstest. Wir stellen uns auf die veränderte Situation ein, es ist auch für uns eine besondere und hektische Zeit. Natürlich müssen wir viel informieren und Aufklärung leisten, welche Schutz- und Hygienemaßnahmen wir ergreifen und woher unsere Produkte stammen.

Weißert Da viele Kantinen und Schulen geschlossen sind, ist der morgendliche Zeitdruck für die Bäckereien, die solche Einrichtungen beliefern, nicht mehr ganz so groß. Inzwischen haben wir uns auch an die Vorsichtsmaßnahmen im Geschäft, wie etwa Abstandshalter und Mundschutz, gewöhnt.

Sind die staatlichen Corona-Hilfen geeignet, um Ihre Branchen zu stützen?

Schillings Für den Moment sehe ich gute Ansätze, was die Soforthilfen angeht. Wir müssen abwarten, wie sich die Lage entwickelt und ob die Hilfen ausreichen.

Weißert Ja. Der Staat hat schnell und in großer Einmütigkeit der Parteien reagiert, um die negativen Auswirkungen für die Betriebe zumindest abzumildern.

Wie werden die staatlichen Hilfen angenommen?

Weißert Die betroffenen Betriebe haben die Sofort-Hilfen beantragt und auch schnell bekommen.

Schillings Ich denke, dass viele Metzgereien im Moment noch abwarten, wie sich die Umsätze entwickeln und ob sie möglicherweise Kredite benötigen.

Wo muss nachgebessert werden?

Schillings Stand heute sind die Maßnahmen und Unterstützung des Staates sehr anerkennungswert. Falls sich weiterer Bedarf ergibt, hoffe ich darauf, dass die Politik auch dann entsprechend flexibel reagiert.

Weißert Wenn Betriebe längerfristig wirtschaftlichen Schaden nehmen, sollte über entsprechende unterstützende Maßnahmen bei einer möglichen Umstrukturierung der Unternehmen nachgedacht werden.

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