Prävention im Rhein-Kreis Neuss Im Kampf gegen gewaltbereiten Salafismus

Rhein-Kreis · NRW-Innenminister Herbert Reul und Landrat Hans-Jürgen Petrauschke haben das landesweite „Wegweiser-Projekt“ vorgestellt. Es gebe bereits erste Erfolge im Kampf gegen den Salafismus.

Minister Herbert Reul (2.v.r.) und Landrat Hans-Jürgen Petrauschke stellten im Neusser Kreishaus das Präventionsprogramm „Wegweiser“ vor.   NGZ-Foto: woi

Minister Herbert Reul (2.v.r.) und Landrat Hans-Jürgen Petrauschke stellten im Neusser Kreishaus das Präventionsprogramm „Wegweiser“ vor. NGZ-Foto: woi

Foto: Andreas Woitschützke

Über das Smartphone erreiche heute der extremistische Salafismus jedes Kinderzimmer, sagt Uwe Reichel-Offermann. Der stellvertretende Leiter des NRW-Verfassungsschutzes weiß, dass das Thema „gewaltbereiter Salafismus“ aktuell nicht die Schlagzeilen beherrscht, dennoch gebe es nach wie vor auch in Deutschland dafür einen Nährboden. Damit der nicht immer weiter zunimmt, hat das nordrhein-westfälische Innenministerium ein Präventionsprogramm mit sogenannten „Wegweiser-Beratungsstellen“ ins Leben gerufen. 25 gibt es landesweit, die des Rhein-Kreises ist in Neuss an der Kaarster Straße. Projektträger dort ist die Arbeiterwohlfahrt (Awo), die in NRW insgesamt acht Beratungsstellen betreut. Am Mittwoch stellte Innenminister Herbert Reul im Neusser Kreishaus deren Arbeit vor und betonte die ersten Erfolge im Kampf gegen die radikalistische Strömung.

Probleme in der Schule, im Elternhaus, mit Freunden seien Gründe für die Abschottung junger Menschen, die dann empfänglich werden für die Maschen der „Fänger“, die ihnen Aufmerksamkeit und Anerkennung schenken. Das weiß Menderes Candan vom Bezirksverband Niederrhein der Awo nur zu gut und betont, dass die Beratungsstellen Sensibilisierungsveranstaltungen anböten, in denen erklärt wird, wie Wesensveränderungen bei jungen Leuten gedeutet werden können. Die Einrichtungen sind im übrigen nicht nur für gefährdete Jugendliche gedacht, sondern auch für Eltern, Bekannte und Lehrer, die Verhaltensauffälligkeiten feststellen, aber nicht wissen, was sie machen sollen. 130 Beratungstermine haben an der Kaarster Straße bereits stattgefunden. Islam-, Politikwissenschaftler und Pädagogen seien vor Ort, sagt Candan. Außerdem verfüge jede Stelle über ein breites Netzwerk, zu dem unter anderem auch Psychologen gehören.

„Das Ziel ist, Menschen, vor allem junge Menschen vor menschenverachtenden Ideologien zu schützen“, betonte Herbert Reul. Denn die Bereitschaft junger Menschen, sich auf extremistische Ideologien einzulassen, sei groß. Der Minister sprach von einem „klugen Projekt“, das es aktuell nur in Nordrhein-Westfalen gebe. „Uns erreichen dazu schon Anfragen aus anderen Bundesländern“, informierte er, und: „Wir geben dafür viel Geld aus, doch das ist richtig, denn wir müssen den Jugendlichen zeigen, dass es Wege aus der Sackgasse gibt.“

Auch Landrat Hans-Jürgen Petrauschke wies auf die Wichtigkeit des Projekts hin. „Im Moment redet jeder nur über Corona, aber wir dürfen diese junge Leute nicht aus dem Blick verlieren“, sagte er. Daher sei es auch wichtig, dass durch die Pandemie nicht viele Arbeitsplätze verloren gingen und Menschen ihre Perspektiven verlören.

„3200 extremistische Salafisten leben in Nordrhein-Westfalen, 12.500 in Deutschland, ein Viertel davon sind jünger als 25 Jahre“, informierte Reichel-Offermann. Und: „Von den bis jetzt 1000 Beratungen in den landesweit 25 Wegweiser-Einrichtungen waren 700 mit Jugendlichen bis 17 Jahre.“ Zustimmen konnten alle Projektbeteiligten seiner Aussage: „Jeder junge Mensch, dessen Abstieg wir verhindern können, ist ein Gewinn.“ Zugenommen, erwähnte er noch, habe die Geschwindigkeit, mit der junge Menschen sich „einfangen“ ließen. Vergingen früher noch mehrere Jahre vom ersten Kontakt mit extremistischen Strömungen bis zur vollständigen Annahme, seien es heute nur einige Wochen.

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